Hand aufs Herz, wer wüsste aus dem Effeff, wie viele Spieler, die im Winter neu zum 1. FC Union gekommen sind, beim 1:0 gegen Wolfsburg auf dem Platz gestanden haben? Durch die noch immer fünf möglichen Einwechslungen (anderswo sind es längst wieder nur noch drei) waren 16 im Einsatz. Aber neu? In der sogenannten Transferperiode zwei erst gekommen, in der der Deadline Day, weil es an dem schon die größten Verrücktheiten gehagelt hat, stets eine besondere Rolle spielt? Fangen wir hinten an: Frederik Rönnow, Danilho Doekhi, Robin Knoche, Diogo Leite … Doekhi, der mal wieder seine Lufthoheit unter Beweis stellte, denn auch seine fünf Tore zuvor in der Bundesliga waren per Kopf erzielt, und Diogo Leite spielen die zweite Saison in Köpenick, Rönnow die dritte und Knoche gar die vierte.
Defensives Mittelfeld, die Außenbahnen, Angreifer – alle, die dort eingesetzt worden sind, sind schon länger da. Nichts Neues gab es diesmal im Stadion An der Alten Försterei. Die Alten haben es gerichtet. Auf sie ist Verlass.
Viel hat sich im Winter ohnehin nicht getan beim eisernen Personal. Höchstens ausgedünnt ist es. Leonardo Bonucci, der bei Fenerbahce Istanbul die meiste Spielzeit auch nur auf der Bank verbringt, und Sheraldo Becker sind weg, David Datro Fofana und Kevin Behrens auch, Aljoscha Kemlein ist zum Vielleicht-Aufsteiger St. Pauli ausgeliehen. Trotzdem sind drei gekommen. Kevin Vogt, schon klar, hat auf der Tribüne gezittert. Dort hat der Abwehrmann seine fünfte Verwarnung abgesessen. Bleiben zwei, die mit viel Vorschusslorbeeren gekommen sind. Nur: Was ist mit ihnen? Was ist mit Chris Bedia und Yorbe Vertessen?

Zwei der drei im Winter neu gekommenen Stars suchen noch ihre Rolle beim 1. FC Union
Draußen gesessen haben sie. Außer ihnen ist es diesmal nur Alexander Schwolow und Tim Schleinitz so ergangen. Bei einem Schlussmann ist das normal, wobei Schwolow erst eine Woche zuvor in Leipzig gezeigt hat, was er auf dem Kasten hat. Für Tim Schleinitz, einen 18-jährigen Mittelfeldspieler, der bisher in der Junioren-Bundesliga zum Einsatz gekommen ist, im Herbst in der Youth League vier Spiele bestritten und beim 4:1 gegen Napoli, dem einzigen Sieg der jungen Unioner in diesem Wettbewerb, ein Tor erzielt hat, ist das dagegen durchaus ein Schritt zu höheren Weihen. Erst Tage zuvor hat er, wie auch seine U19-Mitspieler Noah Engelbreth, Jerome Scholz und Baris Kalayci, seinen ersten Vertrag als Lizenzspieler erhalten. Für ihn ist, weil auch Christopher Trimmel, Janik Haberer gesperrt und Josip Juranovic verletzt fehlten und deshalb Not am Mann war, das Dabeisein fast schon ein Ritterschlag.
Nur eben nicht für Bedia und Vertessen. Beide, der Ivorer und der Belgier, sind gekommen, um möglichst durchzustarten. Gezeigt haben sie vorerst ziemlich wenig. Vor einer Woche in Mainz hatte Vertessen in fast letzter Minute die dicke Chance zum Siegtreffer, vergab sie aber mit einem viel zu laschen Schuss. Das hätte ein Ausrufezeichen sein können und fast müssen. Na gut, er ist vor wenigen Wochen erst 23 geworden. Da sollte noch was gehen.
Bedia hätte mit der Elfenbeinküste Afrikameister werden können
Aber Bedia? Was nur ist da passiert? Dass er für die Elfenbeinküste, am Sonntag Afrikameister geworden, nicht nominiert war, ist bei der Klasse der Spieler dort noch halbwegs verständlich. Aber dass er noch gar nicht richtig Fuß gefasst hat in Berlin, verblüfft. Auf Zahlen allein sollte man nicht viel geben. Nur hatte er bei seinen insgesamt 29 Minuten beim 0:1 in München und beim 0:2 in Leipzig laut offizieller Statistik genau acht Ballkontakte. In beiden Spielen zusammen. Das mag nicht allein an ihm liegen. Ein Stürmer hängt vor allem dann in der Luft, wenn die Zuspiele nicht kommen. Etwas mehr Zunder aber hätte es durchaus sein dürfen, zumal er in drei Wochen 28 wird und im besten Alter für einen Fußballer ist.
Dabei wurde Bedia als, mancher traut dem Wort nicht, Hybridstürmer angekündigt. Selbst eingefleischte Fußballanhänger müssen zweimal überlegen, was das sein soll. Will man es genau wissen, kommt der eine oder andere ein weiteres Mal ins Grübeln. Also: Zum einen kann Bedia die Bälle als Wandspieler (was zum Teufel ist das schon wieder?) festmachen und seine Mitspieler in Szene setzen. Zum anderen bringt er das gewisse Tempo mit, um in die Räume zu starten und in die direkten Duelle mit den Gegenspielern zu gehen. Aha.
Klingt gut. Zu gut eigentlich. Wie heißt es nur so treffend: Entscheidend is’ auf’m Platz. Zur Not auch erst einmal auf dem Trainingsplatz. Dort scheint noch nicht so viel gewesen zu sein. Dabei hatte Bedia bei Servette Genf gewusst, wo das Tor des Gegners steht. In 54 Meisterschaftsspielen kam er auf 25 Tore. Eine feine Quote. Erst einmal aber auch nur das. Um damit die zu Beginn gestellte Frage zu beantworten, wie viele im Winter gekommene Spieler gegen Wolfsburg auf dem Platz gestanden haben: keiner. Da am Sonnabend im Spiel bei der TSG Hoffenheim Trimmel, Vogt und Haberer zurück sind, wird es für Yorbe Vertessen nicht leichter und für Chris Bedia schon gar nicht. ■