Freitag spielt Frankreich in der WM-Qualifikation im polnischen Breslau gegen die Ukraine. Ein Mann hätte auch für Les Bleus dabei sein können. Doch es kamen fünf Jahre Berlin dazwischen und damit ein Karriereabsturz. Es geht um den Franzosen Lucas Tousart (28), der seit Montag nach drei Jahren bei Hertha BSC und zwei Jahren beim 1. FC Union zurück in seine Heimat ist und ab sofort für den Erstligisten Stade Brest 29 spielt. Der Mittelfeldspieler fängt jetzt noch mal ganz von vorne an.
Um die ganze Dimension des Karriereknicks für Tousart zu begreifen, muss man die Zeit in den Januar 2020 zurückdrehen. Der Franzose war 22 Jahre alt, spielte ziemlich erfolgreich bei Olympique Lyon und alle Experten schätzten seine Zukunft so ein: Es ist nur eine Frage der Zeit, dass Tousart für die Nationalmannschaft berufen wird. Halb Europa war hinter dem bärtigen Franzosen her.
Herthas Bosse im Größenwahn und mit 375 Millionen Euro von Skandalinvestor Lars Windhorst im Rücken konnten es gar nicht abwarten. Angetrieben von Kurzzeit-Trainer Jürgen Klinsmann wurde Tousart für die Rekordsumme von 25 Millionen Euro im Januar 2020 gekauft, um ihn gleichzeitig wieder an Lyon bis Saisonende zurückzuverleihen.
Als der Franzose dann endlich im Sommer 2020 kam, war Klinsmann bei den Blau-Weißen schon längst Geschichte. Bruno Labbadia versuchte, den Hoffnungsträger aus Lyon schnell ins Team zu integrieren. Klappte in der damals schon zerstrittenen Mannschaft nicht. Tousart, eher introvertiert, ging zunächst komplett unter, statt den Ton im Mittelfeld anzugeben. Eine Krisensaison jagte die nächste. Das Paradoxe: In seiner dritten und letzten Saison war der Mittelfeldspieler endlich angekommen und noch der beste Mann bei Hertha. Doch die Blau-Weißen stiegen trotzdem 2023 ab und mussten den Topverdiener ganz schnell verkaufen.

Fünf Krisensaisons: Tousarts Nationalelf-Karriere ist futsch
Doch einen echten Markt gab es für den Franzosen schon damals nicht mehr in Europa. Also griff der 1. FC Union zu und holte Tousart für nur drei Millionen Euro Ablöse. Ein Schnäppchenpreis für einen Spieler, der die Eisernen besonders in der Champions League weiterbringen sollte. Für den Spieler war es eine gute Sache. Er wollte nämlich in Berlin bleiben.
Der Rest ist bekannt: Union spielte eine Krisensaison 2023/24 und rettete sich erst am letzten Spieltag. Die vergangene Saison war für die Köpenicker nicht ganz so spannend, aber der Abstiegskampf blieb. Und Tousart? Der hatte in zwei Jahren in der Bundesliga gerade mal 24 Startelfeinsätze, also etwas mehr als ein Drittel. Ohne festen Stammplatz im Verein war die Nationalmannschaftskarriere dann endgültig futsch. Nur das Geld stimmte für ihn: Rund 15 Millionen Euro Gehalt hat er in fünf Jahren kassiert.
Es fehlte auch an anderer Stelle Kontinuität, wofür Tousart aber nichts konnte. Bei Hertha BSC und dem 1. FC Union hatte er jeweils fünf verschiedene Trainer – Bruno Labbadia, Pal Dardai, Tayfun Korkut, Felix Magath, Sandro Schwarz, Urs Fischer, Marco Grote, Nenad Bjelica, Bo Svensson, Steffen Baumgart. So kann kein Spieler besser werden. Tousarts Marktwert sank in fünf Jahren Berlin von 25 Millionen Euro auf nur noch ein Zehntel.
Union-Boss Horst Heldt: Tousart konnte unsere Sprache nicht
Union-Sportchef Horst Heldt nannte nach Tousarts Abgang Richtung Bretagne dann auch noch einen anderen Grund, warum sich Tousart nie richtig durchsetzen konnte: „Auf seiner Position ist Organisation der wichtigste Faktor. Um zu organisieren, muss man sprechen. Es ist der einzige Makel und das, was man ihm vorwerfen kann, dass er bis zum Schluss unsere Sprache nicht konnte.“
Das Problem hat Tousart in Brest nicht mehr. Was er aber wieder hat: Abstiegskampf! Stade Brest liegt nach drei Spieltagen auf dem vorletzten Tabellenplatz in der französischen Liga. Doch vielleicht tut Tousart die Hafenstadt im Nordwesten Frankreichs mit 140.000 Einwohnern und die Seeluft gut, um doch noch mal richtig durchzustarten.