Das Gerücht allein hatte richtig Sprengkraft, sodass das konkrete Interesse des 1. FC Union für Schnappatmung sorgte. In Köpenick. Im Westend. Vor allem aber bei Stürmer Jessic Ngankam (23) selbst. Herthas Eigengewächs stand im Sommer vor einer kniffligen Entscheidung: Weiter Hertha BSC oder ein Wechsel zu Union oder zur Eintracht, bei der er letztlich landete. Jetzt kehrt Ngankam für das Duell beim 1. FC Union (Sonnabend, 15.30 Uhr) in seine Heimat zurück, schiebt aber Frankfurt-Frust. Ach, Jessic, wärste nur mal in Berlin jeblieben!
Durchstarten wollte er in Frankfurt, sich als Bundesliga-Stürmer etablieren, internationale Erfahrungen sammeln und sich im besten Fall vor der EM 2024 in Deutschland für die Nationalmannschaft empfehlen.
Die Realität sieht nach neun Spieltagen, also einem Viertel der Saison, ganz anders aus: Unter SGE-Trainer Dino Toppmöller kommt Ngankam in acht Spielen im Schnitt nur auf magere 24 Minuten. Kein Tor, keine Vorlage.
Jessic Ngankam fliegt in Frankfurt aus dem Kader
Zuletzt flog der Berliner vor dem BVB-Spiel (3:3) sogar aus dem Kader. „Ein Denkzettel ist mir da übertrieben“, erklärt Toppmöller zwar, schiebt aber einen klaren Auftrag an Ngankam hinterher: „Wir wissen, dass er es besser kann, und verlangen von ihm, dass er es besser macht.“

Gezeigt hat Ngankam das in der vergangenen Saison bei Hertha BSC. Nach seiner zweiten schweren Knieverletzung startete er in der Rückrunde durch, war einer der wenigen blau-weißen Lichtblicke (vier Tore, zwei Vorlagen) und schoss sich bei der U21 sogar auf den Radar des damaligen Bundestrainers Hansi Flick.
Jessic Ngankam sagt Union ab, weil er Hertha liebt
Dass Ngankam riesiges Potenzial hat, wissen sie bei Hertha BSC schon lange. Die Fans, die ihren Publikumsliebling genauso ungern haben ziehen lassen wie Cheftrainer Pal Dardai, der Jessic bereits in der blau-weißen Akademie coachte. Erleichterung herrschte letztlich im Westen dennoch, obwohl sich Ngankam gegen einen Hertha-Heldenstatus und für einen Abschied entschied. Denn vor der Eintracht buhlte vor allem der 1. FC Union um Ngankam.
Ein Transfer stand nicht nur im Raum. Nein, es war richtig konkret. „Union will dich wirklich haben“, habe ihm sein Berater Volker Struth berichtet und ihn damit geschockt: „Ich war locker drei, vier Minuten ruhig, habe die Decke angeguckt und gedacht: Das kann doch jetzt nicht wahr sein, oder? Ich habe etwas gebraucht, weil das eine Mannschaft war, die Champions League spielt und mich wirklich wollte.“
Der 1. FC Union könnte Jessic Ngankam gut gebrauchen
Ngankam hätte mit seinem bulligen Körper und seiner Schnelligkeit perfekt ins System von Trainer Urs Fischer gepasst und den Eisernen in der derzeitigen Krise, die ja auch eine Stürmerkrise ist, mit seiner Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor enorm geholfen.
Aber anders als für Alexander Schwolow und Lucas Tousart kam ein Wechsel innerhalb Berlins für Ngankam nicht infrage: „Weil ich Herthaner bin und Liebe zu diesem Verein spüre.“
Wehmut ist also bei seiner ersten Berlin-Rückkehr sicher dabei. Vielleicht sogar etwas Reue, sich nicht für einen Hertha-Verbleib oder einen Union-Wechsel entschieden zu haben.
Vorsicht, 1. FC Union: Jessic Ngankam kommt mit Extra-Motivation
Zwei Komponenten, die den 1. FC Union warnen sollten. Klar ist: Als Ex-Herthaner wird er genauso extra motiviert sein wie Maximilian Mittelstädt, der zuletzt mit dem VfB Stuttgart in Köpenick 3:0 gewann.
Bei der Eintracht setzen sie auf Ngankams Frankfurt-Frust und eine Reaktion nach dem gefühlten Denkzettel. Toppmöller: „Jessic ist ein Top-Junge, der sich bemüht, der Gas gibt. Wir hatten das Gefühl, ihn mal wegzulassen, um den Druck zu nehmen. Aber auch mit dem Hinweis, dass er weiß: Ich muss einen Tick mehr machen.“ ■