Union-Kolumne

Acht Tore in 16 Minuten: 1. FC Union wirft Hertha BSC Manipulation vor!

Was den Senioren aus Köpenick in der Berlin-Liga widerfährt, ist eine Überdosis an Dreistigkeit.

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Ganz so schlimm wie beim Zweitliga-Abstieg der Profis des 1. FC Union im Jahr 2009 ist es nicht. Für Ärger sorgt die irre Pleite von Hertha BSC in der Berlin-Liga der über 50-Jährigen in Köpenick trotzdem.
Ganz so schlimm wie beim Zweitliga-Abstieg der Profis des 1. FC Union im Jahr 2009 ist es nicht. Für Ärger sorgt die irre Pleite von Hertha BSC in der Berlin-Liga der über 50-Jährigen in Köpenick trotzdem.Bernd König/imago

Max Liebermann hatte als Maler und Grafiker nicht nur einen markanten Strich, sondern auch eine scharfe Zunge. So soll er im weisen Alter von 85 Jahren bei dem Fackelumzug, mit dem die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 ihre Machtübernahme feierten, im feinsten Berlinerisch gesagt haben: „Ick kann jar nich soville fressen, wie ick kotzen möchte.“

Hertha BSC leistet sich Dreistigkeit gegen den 1. FC Union

Um diesen starken Tobak auf den Sport zu projizieren, könnte man leicht aus der Kurve getragen werden. Vergleiche zwischen dem schrecklichen Damals und dem Heute verbieten sich zudem. Es geht auch nur um das Kotzen und um einen Fall, der nicht erst bei näherer Betrachtung eine Überdosis an Dreistigkeit offenbart.

Obwohl der 1. FC Union dazu nichts beigetragen hat, ist er betroffen. Als Opfer. Nicht die Bundesliga-Profis sind die Gefoppten, auch nicht die Eisernen Ladys, die vor ihrem ersten Spieljahr in der Frauen-Bundesliga stehen. Es ist das Kleinfeldteam der Ü50. Ein Alter, in dem es nichts weiter als Spaß machen soll, dem Ball noch hinterherzujagen. Wenn nach einem Pressschlag, bei dem beide Spieler zu Boden gehen, einer mit Augenzwinkern sagt: „Hinfallen geht noch. Aber das Aufstehen wird immer schwieriger.“ Das ist der Fußball, das eine oder andere Bierchen danach inklusive, den man hier pflegen sollte.

Union-Abstieg: Hertha BSC lässt acht Tore in 16 Minuten zu

Nicht so am Freitag voriger Woche. Es ist der letzte Spieltag in der Berlin-Liga, der höchsten Spielklasse in diesem Bereich und ein Tollhaus. Neben dem 1. FC Union ist auch SD Croatia abstiegsgefährdet. Als die Eisernen ihre Partie bei Schlusslicht Berolina Mitte mit 4:1 gewinnen, glauben sie, sie sind gerettet. Von wegen! Weil die Partie von Croatia eine Stunde später angepfiffen wird, weiß man dort, wie hoch man nachlegen muss, um an den Köpenickern auf der letzten Rille vorbeizuziehen.

Die Ü50-Oldies des 1. FC Union steigen am letzten Spieltag dramatisch ab – weil Hertha BSC gegen den eisernen Konkurrenten SD Croatia acht Tore in 16 Minuten kassiert.
Die Ü50-Oldies des 1. FC Union steigen am letzten Spieltag dramatisch ab – weil Hertha BSC gegen den eisernen Konkurrenten SD Croatia acht Tore in 16 Minuten kassiert.1. FC Union

Nur scheint das ein unmögliches Unterfangen, denn Croatias Gegner ist mit Hertha BSC der Tabellenzweite. Zudem haben die Blau-Weißen vor dem Saison-Halali mit 38 Gegentoren die zweitbeste Defensive, das macht im Schnitt anderthalb Gegentore pro Partie. Croatia hat zwar 71 Treffer erzielt, aber das sind im Schnitt eben nur drei. Auch deshalb ist nach 44 Minuten alles halbwegs normal. Hertha führt 6:4 und zu spielen sind noch 16 Minuten plus zwei, drei Umdrehungen des Sekundenzeigers als Zugabe.

1. FC Union steigt wegen Hertha-Chaos ab

Was in dieser Zeitspanne jedoch passiert, konterkariert jeden noch so leisen Gedanken an Fair Play. Fast im Minutentakt erzielt Croatia ein Tor nach dem anderen. Acht (!) sind es bis zum Schlusspfiff, sodass aus dem 4:6 im Schnellverfahren ein 12:6 wird. Es ist exakt die Differenz, die Croatia benötigt, um bei 33 Zählern punktgleich mit den Eisernen zu sein und um bei gleicher Tordifferenz die Nase vorn zu haben, weil man mit 83 (zu 80) gegenüber 73 (zu 70) mehr Treffer erzielt hat.

Mir muss niemand kommen mit: So etwas passiert im Sport schon mal. Zumal in solch einer Altersklasse. Es ist nämlich noch viel schlimmer. Der Liveticker, den es selbst in solchen Spielklassen gibt, soll, wie hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wird, nicht bei 12:6 geendet haben, sondern bei 11:6. Womit die Eisernen die Klasse gehalten hätten. Aber nur für Minuten, dann wurde das 11:6 wie durch Zauberhand gelöscht. Daran ist doch nichts Böses, oder?

Neue Abgründe zwischen 1. FC Union und Hertha BSC?

Nur: Was treibt über 50-Jährige dazu, sich derart angreifbar zu machen? Ist es die unverhoffte Gelegenheit, es dem Emporkömmling aus dem Osten zu zeigen? Oder ist der Fußball selbst in einem Bereich, in dem sowohl bei den einen als auch bei den anderen kein ehemaliger Profi mitmischt, derart verkommen, dass man zum Liebermann-Satz greift?

Zwar gab es eine Zeit, da wurde mit Toni Leistner ein Ex-Unioner in Westend bepöbelt. Die ist hoffentlich Geschichte. Nun hat dort mit Paul Seguin erneut einer angeheuert, der eine Vergangenheit in Köpenick hat. Im Stadion An der Alten Försterei war mit Alexander Schwolow ein ehemaliger Blau-Weißer zu Hause und ist es mit Lucas Tousart ein anderer noch immer. Was soll sich aber der Fan denken, sollten die Rot-Weißen und die alte Dame mal wieder gemeinsam in einer Liga spielen? Für den einen oder anderen tun sich wahre Abgründe auf.

Der 1. FC Union legt beim Berliner Fußball-Verband offiziell Einspruch gegen das Spielergebnis von Ligakonkurrent Hertha BSC ein. Demnach besteht der Vorwurf der Spielmanipulation, die den Abstieg der Köpenicker besiegelt haben soll.