Raub in Schöneberg

Weil sie Rot-Weiß trugen: Messer-Angriff auf Fans des 1. FC Union

Zwei Männer werden in Berlin wegen ihrer Kleidung überfallen. Der mutmaßliche Täter soll Fan des BFC Dynamo gewesen sein – und erinnert sich vor Gericht an nichts.

Author - Sebastian Schmitt
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Der Angeklagte Justin Z. mit seinem Verteidiger vor Gericht. Ihm drohen mindestens fünf Jahre Gefägnis, weil er zwei Fans des 1. FC Uniion mit einem Messer überfallen haben soll.
Der Angeklagte Justin Z. mit seinem Verteidiger vor Gericht. Ihm drohen mindestens fünf Jahre Gefägnis, weil er zwei Fans des 1. FC Uniion mit einem Messer überfallen haben soll.Pressefoto Wagner

Ein Spielbesuch, ein Heimweg, rote Trikots. Mehr braucht es in Berlin offenbar nicht, um zur Zielscheibe zu werden. Zwei Fans des 1. FC Union werden in Schöneberg attackiert, mit einem Messer bedroht, ihrer Fanartikel beraubt. Ein Jahr danach beginnt das juristische Nachspiel – und macht deutlich: Wer Farbe bekennt, lebt gefährlich.

Der Angriff liegt über ein Jahr zurück – vergessen ist er nicht. Am 8. Mai 2024 werden zwei Union-Fans in Berlin-Schöneberg von einem Mann attackiert. Die Tat ist kein Zufall, sondern gezielt. Die Männer, 23 und 34 Jahre alt, tragen rot-weiße Kleidung – und das reicht offenbar als Provokation.

Angreifer soll Fan des BFC Dynamo gewesen sein

Jetzt steht der mutmaßliche Täter Justin Z. (24) vor dem Berliner Landgericht. Die Anklage: schwerer Raub, gefährliche Körperverletzung, Verstoß gegen das Waffengesetz. Es geht um Schals, ein Trikot – und um ein Butterfly-Messer, das der 24-Jährige laut Anklage gezogen haben soll, um seine Forderungen durchzusetzen. Bei einer Verurteilung drohen ihm mindestens fünf Jahre Knast.

Justin Z. soll damals Fan des Regionalligisten BFC Dynamo gewesen sein. Die Rivalität zwischen Union und dem BFC – historisch, tief verwurzelt, aber in der Gegenwart kaum mehr präsent. Durch den Fall bekommt sie plötzlich wieder eine erschreckende Aktualität. Nicht, weil alle BFC-Fans so handeln. Aber weil ein einzelner übergriffig wird.

Im Bus der Linie 106 war Z. auf die Union-Fans aufmerksam geworden. Max T. (34): „Er starrte uns nicht gerade freundlich an.“ T. und Begleiter Tom P. (23) stiegen an der Endhaltestelle aus. Max T.: „Er kam und forderte uns auf, die Fan-Kleidung abzulegen.“ Dabei habe der Mann im grauen Kapuzen-Pullover gepöbelt. Max T.: „Er sagte, als Unioner hätten wir nichts in seinem Kiez zu suchen.“

Raubüberfall auf Union-Fans: Angeklagter grinst vor Gericht

Er wurde handgreiflich. Tom P.: „Er riss an meinem Schal.“ Der war in einer Schlaufe fixiert – „mit Kraft riss er ihn weg, ich erlitt eine Schürfwunde am Hals.“ Z. hatte noch nicht genug, wollte laut Anklage sämtliche Fan-Kleidung abziehen. Erst habe er zu einem Faustschlag ausgeholt, dann ein verbotenes Butterfly-Messer gezogen und gedroht. Die Männer gaben ihre Fanartikel raus – aus Angst, aus Vernunft.

Fans des 1. FC Union erinnern an den 8:0 Sieg gegen den BFC Dynamo in der NOFV-Oberliga und machen klar, was sie noc heute vom alten Rivalen halten.
Fans des 1. FC Union erinnern an den 8:0 Sieg gegen den BFC Dynamo in der NOFV-Oberliga und machen klar, was sie noc heute vom alten Rivalen halten.Matthias Koch/imago

Der Angeklagte selbst gibt sich am ersten Prozesstag ahnungslos: keine Erinnerung, keine Motivation. Justin Z. grinsend: „Ich war stark alkoholisiert.“ Nur so viel: das Butterfly-Messer, sagt er, nehme er nie mit. Die Richterin: „Sind Sie Fußball-Fan?“ Z.: „Damals BFC.“

Aber selbst wenn das alles stimmen sollte: Für die beiden Betroffenen bleibt ein Gefühl. Das Gefühl, dass man sich in dieser Stadt immer noch nicht überall trauen kann, als Fan sichtbar zu sein. Dass man zur Zielscheibe werden kann, wenn man Farbe bekennt.

Attacke auf Fans des 1. FC Union als Mahnung

Was bleibt, ist der Schock über die Tat. Und die Erinnerung daran, wie fragil Normalität im Fußballalltag immer noch sein kann. Die Rivalität zwischen Union und dem BFC? Alt, tief – aber für viele längst Geschichte. Was an jenem Abend passierte, war kein Fußball-Ding, kein Kurven-Knatsch. Es war ein klarer Übergriff. Und er zeigt: Es reicht noch immer ein Schal – und du wirst zur falschen Zeit am falschen Ort zum Opfer.

Noch läuft der Prozess. Das Urteil soll am 30. Juni fallen. Aber der Vorfall bleibt bereits Mahnung genug: Rivalität ja – Gewalt nie. Und vor allem: Kein Fan darf sich in seiner Stadt fürchten müssen, weil er zeigt, zu wem er gehört.