Es ist eine Geschichte, die irre klingt, die Journalisten und Leser gleichermaßen erregt – und die für die Tierschutzorganisation PETA ein gelungener PR-Coup ist: Seit Tagen wird in den Medien (und sicherlich auch an den Stammtischen der Nation) über Sinn und Unsinn von Karussell-Pferden diskutiert. Die Tierschützer, die dafür bekannt sind, dass sie gern mit steilen Thesen auf wichtige Probleme aufmerksam machen, fordern, dass auf Kinder-Fahrgeschäften keine Tiere mehr eingesetzt werden. Der Grund: Kindern soll nicht vermittelt werden, dass Pferde und Co. der Unterhaltung dienen.
PETA-Vorstoß: Tierschützern sind Pferde auf Karussellen ein Dorn im Auge
Als ich die Meldung erstmals las, hielt ich sie zunächst für einen Scherz. Aber es stimmt: Altertümliche Karusselle, auf denen die Kinder auf Holz- oder Plastik-Pferden sitzen und zu Zirkus-Musik im Kreis fahren, sind in den Augen der Tierschützer von PETA eine Gefahr für den Respekt vor Tieren. Im konkreten Fall schrieb PETA einen Brief an einen Karussell-Hersteller in Holland – mit der Aufforderung, in Fahrgeschäften künftig auf Sitze in Tier-Form zu verzichten.
Die Argumentation: Wenn schon Kinder beigebracht bekommen, dass es normal ist, beispielsweise Pferde zu Fortbewegungs- und Unterhaltungszwecken zu nutzen, lernen sie gar nicht erst, dass man Respekt vor Tieren haben muss. Schon die Kleinsten bekommen dadurch beigebracht, dass Tiere sich den Menschen unterwerfen müssen. „Vergnügungsparks meinen es natürlich nicht so, aber diese Karusselle geben Kindern das Gefühl, dass es normal ist, Tiere nur zu unserem Vergnügen zu benutzen“, sagte Janneke Hogervorst, eine Sprecherin von PETA. Es möge eine symbolische Geste sein – aber sie sei sehr wichtig.

Ich bin ehrlich: Ich habe zu diesem neuen Vorstoß von PETA sehr gemischte Gefühle – und zwar als Tier-Freund. Denn der Kern der Sache ist nobel, aber: Gäbe es im Tierschutz nicht schwerwiegendere Probleme, für die man kämpfen muss? Von zusammengepferchten Ponys auf dem Weihnachtsmarkt über Kamelreiten für Touristen bis hin zum allseits beliebten Schwimmen mit Delfinen: Es gibt zahlreiche andere Formen von tierischer Unterhaltung, bei denen man eher den Hebel ansetzen müsste. Man stelle sich nur mal vor, überall dort, wo solche Dinge angeboten werden, würden stattdessen nur Fahrgeschäfte mit Tieren stehen – die echten müssten nicht mehr unter dem Spaß-Bedürfnis der Menschen leiden. Den Kampf gegen solche Unterhaltungsangebote könnten sicherlich mehr Menschen nachvollziehen. Aber: Pferde aus Plastik verbieten?
Pferde-Verbot auf Karussellen: Wo fängt man an, wo hört man auf?
Und außerdem: Wo fängt man an, wo hört man auf? In den Nachrichten habe ich gehört, wie jemand sagte, man müsse dann auch Karusselle mit Flugzeugen abschaffen, schließlich seien die schlecht fürs Klima. Und: Dürfte es dann eigentlich auch kein Spielzeug in tierischer Form mehr geben? Es könnte ja sein, dass Kinder mit ihren Pferden, Schweinchen und Hühnern aus Holz nicht Bauernhof, sondern Schlachthaus spielen, oder? Ich hatte als Kind übrigens ein Spiel, bei dem man bunte Warzen im Gesicht eines Krokodils eindrücken musste. Und soll ich Ihnen etwas verraten? Ich bin noch nie im Zoo über die Brüstung geklettert, um es auch beim echten Krokodil zu versuchen.
Jetzt aber Spaß beiseite. Denn es gilt – und das muss man PETA lassen – auch hier: Im Kern beschreibt die Forderung, auch wenn sie völlig absurd erscheint, ein wahres Problem. Denn dass Kinder leider oft nicht den nötigen Respekt vor anderen Lebewesen vermittelt bekommen, ist ein Fakt. Ein Beispiel, das mich immer wieder maßlos aufregt, ist das der Tauben in Großstädten: Wie oft sehe ich Kinder, die auf öffentlichen Plätzen den Vögeln hinterherjagen, während die Eltern dieses Verhalten dann noch belächeln und beklatschen? Man kann von Tauben halten, was man will, aber sie wollen das gleiche wie wir: leben.

Bei mir war es anders: Ich wuchs auf dem Dorf auf, mit ständigem Kontakt zu Tieren und der Natur. Wir hatten auch Meerschweinchen, denen wir dank Grundstück, Freigehege und Co. ein wunderschönes Leben bescheren konnten. Irgendwann passte ich mal auf das Haus meiner Eltern auf, während sie im Urlaub waren. Weil ich so beschäftigt war mit anderen Dingen, vergaß ich einen Abend, die Meerschweinchen zu füttern. Mitten in der Nacht bin ich aufgestanden, um Möhren zu schneiden – und habe geheult, weil es mir so leid tat. Und warum? Ganz einfach: Respekt vor Tieren wird, davon bin ich überzeugt, nicht auf dem Rummelplatz gelehrt. Sondern im Rahmen einer vernünftigen Erziehung.
Florian Thalmann schreibt jeden Mittwoch im KURIER über Tiere.
Kontakt per Mail: wirvonhier@berlinerverlag.com