Nachruf für Nadja Abd el Farrag

Nina Queer zum Tod von Naddel: „Missbrauch eines kranken Menschen“

Nadja Abd el Farrag ist im Alter von nur 60 Jahren gestorben. Ein Nachruf für eine Frau, die vielleicht zu weich für das Showbusiness war – von Show-Ikone Nina Queer (39).

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Nadja Abd el Farrag mit Rolf Scheider und Nina Queer. Naddel starb am 9. Mai 2025 in Hamburg.
Nadja Abd el Farrag mit Rolf Scheider und Nina Queer. Naddel starb am 9. Mai 2025 in Hamburg.Lovesucks Entertainment

Das erste Mal, dass ich mit Nadja Abd el Farrag zu tun hatte, war, als sie mich anrief und um einen Job bat. Sie hatte gerade bei „Raus aus den Schulden“ mitgemacht – ganz Deutschland sah damals eine Frau, die ihr Leben und ihre Finanzen nicht mehr im Griff hatte. Natürlich machte sie diese Sendung, um Geld zu verdienen. Aber auch, um sich selbst den nötigen Arschtritt zu verpassen, ihr Leben endlich zu ändern. Sie hatte es schon oft versucht und dabei jedes Risiko in Kauf genommen. Nadja wollte nicht als Verliererin oder Opfer gesehen werden, sondern als jemand, der es aus eigener Kraft schafft, sich aus dem Sumpf zu ziehen – und damit auch die schlechten Schlagzeilen loszuwerden.

Ein gutes Beispiel dafür war ihr Umzug nach Österreich. Dort versprach man ihr eine große Karriere als Schlagerstar. Voller Hoffnung packte sie all ihre Habseligkeiten: extravagante Möbel, glamouröse Outfits und unzählige teure Echthaarteile und Perücken. Ihre Wohnung dort kostete 10.000 Euro – ein Ausdruck des Lebensstils, den sie sich vorstellte, und ein Signal an ihre Gönner, wie ernst sie es meinte.

Doch die Karriere blieb aus. Als Naddel wieder nach Deutschland zurückkehrte, war nichts mehr von ihrem einstigen Besitz übrig. Ich vermute, dass sie die Miete nicht mehr zahlen konnte und ihr alles gepfändet wurde. Sie war an einem Punkt angekommen, an dem sie bereit war, alles zu tun. Also fragte sie mich, ob sie nicht in meinem Club an der Garderobe arbeiten könne. Ich redete ihr das sofort aus. Ich sagte: „Naddel, du bist ein Star! 90 Prozent der Deutschen kennen dich. Du wirst eine Autogrammstunde in meinem Club geben – und ich zahle dir das Doppelte von dem, was du verlangst.“

Nina Queer über Nadja Abd el Farrag: Naddel hatte Angst, ausgelacht zu werden

Sie fühlte sich geschmeichelt – und hatte gleichzeitig große Angst. Sie kannte es nicht anders, als ausgelacht oder vorgeführt zu werden, eine Art Witzfigur oder Jahrmarkt-Attraktion. Doch an diesem Abend sollte alles anders kommen. Wir holten sie mit einer Limousine, einem Fahrer und einem Bodyguard vom Bahnhof ab und brachten sie in ein Fünf-Sterne-Hotel. Essen wollte sie nichts – sie hatte im Zug schon Wasser und einen Flammkuchen gehabt, sagte sie. Um 23 Uhr holten wir sie ab. Sie war nervös, klammerte sich im Backstage an eine Flasche Fanta Mango. „Kann ich erst mal nur 30 Minuten machen? Ich glaube, ich schaffe es nicht länger“, sagte sie. Ich antwortete: „Mach, was du willst – du bist ein Star!“

Mit einer halben Stunde Verspätung betrat sie leise und zögernd den Clubsaal. Hunderte Fans waren gekommen. Als sie auftauchte, brach tosender Applaus aus. „Naddel! Naddel!“-Rufe hallten durch den Raum. Nadja war überwältigt von all der Liebe und Zuneigung. Sie konnte es nicht fassen – nie zuvor hatte man sie mit ihren Fans zusammengebracht. Das gab ihr Kraft und Selbstvertrauen. Mit nur einer kurzen Pause blieb sie ganze drei Stunden lang im Club. Jeder Fan durfte sich zu ihr aufs Sofa setzen, bekam ein Autogramm und ein Selfie.

Dieter Bohlen mit Nadja Abd el Farrag. Die beiden waren mit Unterbrechungen elf Jahre miteinander liiert.
Dieter Bohlen mit Nadja Abd el Farrag. Die beiden waren mit Unterbrechungen elf Jahre miteinander liiert.APress/imago

Es war ein glücklicher Abend – für alle. Aber ganz besonders für sie. So hatte man Nadja noch nie gesehen: gelöst, unbeschwert, frei. Auch die Presse berichtete in den Tagen danach nur positiv. Auf den Fotos sah sie gut aus, in den Interviews sprach sie klar und mit Verstand. Eine Win-win-Situation – für meinen Club und für Nadja. Am Tag nach der Party fuhr mein Mann, ein Polizist, sie im Cabrio zum Berliner Hauptbahnhof. An einer Ampel hielten drei Polizeiwagen neben ihnen. Seine Kollegen erkannten zuerst ihn – und dann Nadja. Sie konnten es kaum glauben. Plötzlich klatschten sie, riefen: „Naddel! Naddel!“, hupten und jubelten.

Dieter Bohlen brachte Naddel in die schlimmsten Kreise des Showbusiness

Nadja stand auf, schickte Luftküsse, verbeugte sich. Die Ampel sprang auf Grün, die Szene löste sich auf. „So muss sich Marilyn Monroe jeden Tag gefühlt haben“, sagte sie zu meinem Mann und wischte sich zwei Tränen aus den Augen. Rückblickend waren das wohl einige der letzten glücklichen Tage in Nadjas Leben. Als ich sie Monate später in Hamburg traf – wir tranken Weißwein in der Langen Reihe –, sah sie erschöpft und müde aus. Sie wollte wieder bei mir auftreten. Dazu kam es leider nie. Ich habe Nadja danach nie wieder gesehen.

Nina Queer gehört zu den berühmtesten deutschen Dragqueens. Im KURIER schreibt sie über ihre Erinnerungen an Nadja Abd el Farrag.
Nina Queer gehört zu den berühmtesten deutschen Dragqueens. Im KURIER schreibt sie über ihre Erinnerungen an Nadja Abd el Farrag.RTL

Kurz darauf drehte sie eine weitere Folge „Raus aus den Schulden“. Und hier muss ich RTL den Missbrauch eines kranken Menschen in Not vorwerfen. Naddel war zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr in der Lage, eine Sendung zu drehen – geschweige denn zehn Minuten in einem Podcast zu sprechen. Jeder, der sie damals vor eine Kamera statt zu einem Arzt schleppte, trägt eine Mitschuld. Und Dieter Bohlen? Hätte er nicht zumindest helfen können? Sie war ein Teil seines Lebens – und durch ihn ist sie in die schlimmsten Kreise des Showbusiness geraten.

Nina Queer über Naddel: Sie hatte ein großes Herz und eine sanfte Seele

Naddel war nicht dumm. Sie war einfach nur zu weich. Eine Frau mit einem großen Herz, einer sanften Seele – ohne jede böse Absicht. Eigenschaften, die einem in dieser Welt schnell zum Verhängnis werden. Sie erzählte mir einmal, wie eifersüchtig sie auf Verona war, weil diese es geschafft hatte, ihr Verhältnis mit Dieter zu nutzen – und wie verzweifelt sie war, dass ihr das nie gelang. Liebe Naddel, ruhe in Frieden – und trink so viel Weißwein und Wodka, wie du willst. An einem besseren Ort, an dem dich niemand mehr auslacht oder verurteilt.

Irgendwann trinken wir wieder zusammen. Deine Nina Queer