Weil sie eine Frau ist

Video: Syrien-Machthaber verweigert Annalena Baerbock den Handschlag

Ahmed al-Sharaa reicht dem französischen Außenminister die Hand, nicht aber seiner deutschen Kollegin. Überrascht wurde sie davon aber nicht.

Author - Michael Heun
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Der neue syrische Machthaber Ahmed al-Scharaa gibt dem französischen Außenminister die Hand, Annalena Baerbock verweigert er aber demonstrativ den Handschlag.
Der neue syrische Machthaber Ahmed al-Scharaa gibt dem französischen Außenminister die Hand, Annalena Baerbock verweigert er aber demonstrativ den Handschlag.Kurznachrichtendienst X

Beim ersten EU-Besuch in Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes kam es zu einer brisanten Szene: Der neue syrische Machthaber Ahmed al-Scharaa verweigerte Außenministerin Annalena Baerbock demonstrativ den Handschlag. Während er ihrem französischen Amtskollegen Jean-Noël Barrot höflich die Hand reichte, legte er bei Baerbock nur die Hand auf die Brust – eine symbolische Geste, die für Gesprächsstoff sorgt.

Empfang mit Konfliktpotenzial

Die deutsche Außenministerin und ihr französischer Kollege waren nach Damaskus gereist, um mit al-Scharaa, dem Anführer der islamistischen Gruppierung Haiat Tahrir al-Scham (HTS), über die Zukunft Syriens zu sprechen. Bereits vor der Reise war klar, dass die männlich dominierte HTS-Führung Frauen den Handschlag verweigert. Dennoch sorgte die Szene auf dem roten Teppich des Präsidentenpalasts für Aufsehen: Während Baerbock mehrmals freundlich nickte, streckte al-Scharaa nur Barrot die Hand entgegen.

Die beiden Außenminister hatten sich eigentlich darauf verständigt, dass auch Barrot den Handschlag verweigern würde. Doch in einem Moment der Unsicherheit kam es doch zu einem flüchtigen Fingerspitzenkontakt zwischen ihm und al-Scharaa, wie Aufnahmen des ZDF-Journalisten Andreas Kynast zeigen.

„Frauenrechte sind ein Gradmesser für Freiheit“

Baerbock ließ sich von der brüsken Geste jedoch nicht aus der Ruhe bringen. „Schon als ich angereist war, war mir klar, dass es keine gewöhnlichen Handschläge geben wird“, sagte sie später in einer Pressekonferenz. Sie betonte, wie wichtig es sei, in Gesprächen mit der neuen syrischen Führung Frauenrechte als universelle Menschenrechte zu verteidigen. „Frauenrechte sind ein Gradmesser, wie frei eine Gesellschaft ist“, erklärte sie.

Im Gespräch mit al-Scharaa und weiteren Vertretern der HTS habe sie deutlich gemacht, dass die EU bereit sei, Syrien beim Wiederaufbau zu unterstützen – allerdings nur unter der Bedingung, dass grundlegende Menschenrechte gewahrt würden.

Vom Terroristen zum Machthaber

Ahmed al-Scharaa, der früher unter dem Namen Abu Mohammad al-Julani bekannt war, führt die HTS, die aus der al-Qaida-nahen Nusra-Front hervorgegangen ist. Zwar hat sich die Gruppe offiziell von al-Qaida und dem Islamischen Staat (IS) losgesagt, doch westliche Geheimdienste berichten von anhaltenden Verbindungen zu radikalen Netzwerken.

Die HTS hat nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien die Macht übernommen. Unter al-Scharaa versucht sie nun, sich international als legitime politische Kraft zu präsentieren – ein Spagat, der angesichts ihrer Vergangenheit schwierig bleibt.

Baerbock und Barrot besuchten den berüchtigten Folterknast Saidnaja, ein Symbol der Gräueltaten des gestürzten Assad-Regimes.
Baerbock und Barrot besuchten den berüchtigten Folterknast Saidnaja, ein Symbol der Gräueltaten des gestürzten Assad-Regimes.Jörg Blank/dpa

Besuch an einem Ort des Grauens

Vor dem Treffen mit al-Scharaa besuchten Baerbock und Barrot den berüchtigten Folterknast Saidnaja, ein Symbol der Gräueltaten des gestürzten Assad-Regimes. In Begleitung der Weißhelme, einer syrischen Zivilschutzorganisation, ließen sie sich die unmenschlichen Zustände vor Ort schildern.

Dr. Yaser Darkazanly, ein Gerichtsmediziner, der an der Aufarbeitung der Verbrechen beteiligt ist, beschrieb die unvorstellbaren Grausamkeiten: Menschen seien mit Kettensägen zerstückelt und ihre Leichen platzsparend zusammengepresst worden. „Die Folterknechte waren nicht wählerisch“, berichtete er.

Ein zaghafter Schritt in Richtung Wandel

Der Besuch von Baerbock und Barrot in Syrien markiert einen historischen Moment: Zum ersten Mal seit Jahren sucht die EU wieder direkten Kontakt zur syrischen Führung – trotz aller Vorbehalte gegenüber al-Scharaa und der HTS.

Auch wenn der verweigerte Handschlag Schlagzeilen macht, könnte er langfristig von geringerer Bedeutung sein. Entscheidend wird sein, ob die neuen Machthaber in Damaskus bereit sind, ihre autoritäre und frauenfeindliche Politik zu überdenken. Für Baerbock steht fest: „Wir dürfen die Chance auf einen Wandel in Syrien nicht ungenutzt verstreichen lassen.“ ■