Irre Verluste

Russland erobert Dorf in Ukraine – verliert dabei Hunderte Fahrzeuge

Die russischen Streitkräfte vermelden nach zwei Jahren die Einnahme des Dorfes Nowomychajliwka bei Donezk. Für die Eroberung verloren sie Hunderte gepanzerter Fahrzeuge.

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Zerstörte russische Panzer stehen auf einer Straße am Stadtrand von Kiew: Allein bei Nowomychailiwka verloren die Russen Hunderte gepanzerte Fahrzeuge.
Zerstörte russische Panzer stehen auf einer Straße am Stadtrand von Kiew: Allein bei Nowomychailiwka verloren die Russen Hunderte gepanzerte Fahrzeuge.Rodrigo Abd/AP/dpa

Mehr als sechs Monate hat Russland gebraucht, um ein winziges Dorf in der Region Donezk zu erobern. Doch nun brüstet sich Moskau mit der Einnahme des Ortes Nowomychailiwka. Die Siedlung sei „vollständig befreit“ worden, teilte das russische Verteidigungsministerium am Montag mit. Was die Russen dabei jedoch verschweigen: Für die Einnahme nur dieses eines Dorfes verloren die Streitkräfte Hunderte Fahrzeuge.

Wie die 79. Luftlande-Brigade der Ukraine mitteilte, die den Ort bis zuletzt verteidigte, haben die ukrainischen Truppen mehr als 300 Fahrzeuge der Russen zerstört und Hunderte Soldaten getötet.

Ukrainer wollen 314 Fahrzeuge der Russen zerstört haben

So schrieben die Soldaten am Freitag auf Facebook: „Die Soldaten der 79. haben 314 Stück feindliche Ausrüstung zerstört. Das sind bestätigte Informationen von heute.“ Dazu teilten die Ukrainer eine Karte mit den genauen Verlusten von den mehr als 300 Fahrzeugen. Bereits Ende Februar hatte die Einheit ein Video veröffentlicht, bei dem die Russen in einem einzigen Angriff 25 Fahrzeuge verloren.

Auch unabhängige Experten, die Verluste im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine anhand von veröffentlichten Videos und Fotos aus ukrainischen und russischen Einheiten dokumentieren, kommen auf mindestens 263 zerstörte Fahrzeuge der Russen. Dennoch gelten auch weitere Verluste als möglich, da die Einheiten aus operationstaktischen Gründen nicht immer Videos veröffentlichen, um nicht die Standorte der eigenen Truppen zu verraten. 

30.000 Soldaten zusammengezogen

Laut Berichten der ukrainischen Fallschirmjäger habe Russland in dem Raum zehn Brigaden und Regimeter mit mehr als 30.000 Soldaten zusammengezogen. Es habe täglich Angriffe mit gepanzerten Fahrzeugen und Infanterie gegeben. Laut den Ukrainern habe Russland für den kleinen Ort auch viele Soldaten geopfert. „Nowomychailiwka und seine Umgebung sind heute einer der größten Friedhöfe für feindliches Gerät des russisch-ukrainischen Krieges“, schreibt die Brigade auf Facebook. „Es handelt sich um Tausende von Insassen, die hier einen schändlichen Tod erlitten haben.“

Das Dorf Nowomychailiwka hatte vor Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine 1500 Einwohner. Die Siedlung befindet sich rund 20 Kilometer von der Bergbaustadt Wuhledar entfernt, um deren Eroberung sich die russische Armee ebenfalls bemüht.

Die russische Armee befindet sich seit Monaten an verschiedenen Punkten der rund tausend Kilometer langen Frontlinie im Osten und Süden der Ukraine in der Offensive. Im Februar eroberte sie die Stadt Awdijiwka, nun nimmt sie die strategisch wichtige Stadt Tschassiw Jar ins Visier. Am Wochenende hatte das russische Verteidigungsministerium bereits die Eroberung des Dorfes Bogdaniwka nahe Tschassiw Jar gemeldet.

Chef des Armeegeheimdienstes der Ukraine rechnet mit weiterer Verschlechterung

Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, sagte derweil, dass er „ab Mitte Mai“ mit einer weiteren Verschlechterung der Lage an der Front rechne. „Wir werden nicht allzu sehr ins Detail gehen, aber es wird eine schwierige Phase geben, Mitte Mai und Anfang Juni“, sagte er in einem Interview mit dem ukrainischen Dienst des britischen Senders BBC.

„Wir denken, dass uns in der nahen Zukunft eine eher schwierige Lage erwartet“, fügte Budanow hinzu. Es werde aber „nicht katastrophal“ werden. „Das Armageddon wird nicht eintreten, im Gegensatz zu dem, was derzeit viele sagen.“

Die ukrainische Armee leidet unter Munitionsmangel und Schwierigkeiten bei der Rekrutierung neuer Soldaten. Für die kommenden Monate rechnet die Ukraine mit einer noch stärkeren russischen Sommeroffensive. Ende März hatte der Kommandeur der ukrainischen Landstreitkräfte, Olexander Pawljuk, gesagt, denkbar sei ein Szenario, bei dem 100.000 russische Soldaten kämpften.

Am Samstag hatte das US-Repräsentantenhaus nach monatelanger Blockade ein Hilfspaket im Umfang von rund 61 Milliarden Dollar (rund 57 Milliarden Euro) für die Ukraine auf den Weg gebracht. Am Dienstag muss noch der Senat über das Paket abstimmen, bevor es von US-Präsident Joe Biden in Kraft gesetzt werden kann. ■