Es sind erschreckende Bilder mit Geräuschen, die sich kaum vergessen lassen. In einem Video, das den Einschlag einer russischen Drohne in Charkiw in der Ukraine zeigt, ducken sich die Filmenden, als sie hören, wie das ferngesteuerte Luftfahrzeug zu Boden geht. Kurz darauf explodiert die Drohne. Ein Detail macht das Video umso schrecklicher: An der Stelle der Explosion ist zuvor ein Blaulicht zu sehen. Mittlerweile ist klar, dass durch den Beschuss mindestens drei Feuerwehrleute gestorben sind.
Wie am Donnerstagmorgen bekannt wurde, sind bei den erneuten russischen Luftangriffen im Nordosten der Ukraine Behördenangaben zufolge insgesamt mindestens fünf Menschen getötet und mindestens zwölf weitere verletzt worden. Die drei Rettungskräfte sind dabei unter den vier Toten eines Doppelangriffs in einem dicht besiedelten Gebiet von Charkiw in der Nacht zum Donnerstag, so Charkiws Bürgermeister, Ihor Terechow, im Onlinedienst Telegram.
Russische Drohnen töten vier Menschen in Charkiw
Auch der ukrainische Präsident zeigte sich entsetzt. „Ein verabscheuungswürdiger und zynischer Angriff. Als die Retter am Ort des Einschlags eintrafen, griffen die Terroristen wieder an“, erklärte Wolodymyr Selenskyj.
Bei dem vierten Todesopfer in Charkiw handelt es sich um eine 68-jährige Frau, erklärte Innenminister Ihor Klymenko. Die Frau soll in einem 14-stöckigen Wohngebäude getroffen worden sein, das zuvor von Russland ebenfalls mit einer Drohne angegriffen wurde. Sie hielt sich bei dem Angriff im zehnten Stock auf. Rettungskräfte konnten erst nach einer Stunde zu ihr, da Russland die Gegend weiter bombardierte.

Zweite Drohne griff an, als Rettungskräfte eintrafen
Auch die getöteten Rettungskräfte trafen ein, um einen durch einen Drohneneinschlag verursachten Brand in einem anderen Gebäude zu löschen und möglichen Verletzten zu helfen, teilten die Behörden der Stadt mit. Da soll die zweite Drohne angegriffen haben und auf einer Straße vor dem Wohnblock eingeschlagen sein.
Ein Video, das Augenzeugen nur wenige Dutzend Meter entfernt während des Angriffs mit einem Smartphone filmten, zeigt deutlich, wie zunächst an einer Stelle Blaulicht zu sehen ist und kurz darauf die Drohne mit ohrenbetäubendem Lärm zu Boden stürzt. Dann erscheint der Feuerball der Explosion direkt neben der Stelle, an der vorher das Blaulicht zu sehen war.
great russian culture if a double-tap: first hit a peaceful apartment building in the middle of a night. then wait for first responders arriving to help and hit them. Kharkiv in Ukraine last night 💔
— вареничок.eristavi 🇺🇦🏳️🌈 (@maksymeristavi) April 4, 2024
russians murdered at least three aid workers on the spot pic.twitter.com/F5rjPu0oT5
Feuerwehrmann weint bitterlich um getöteten Vater
Fotos vom Einschlagsort, die von Rettungskräften des Ministeriums für Katastrophenhilfe gemacht wurden, zeigen schwer beschädigte Feuerwehrfahrzeuge, blutverschmierte Helme und auch den Einschlagskrater.
Ein weiteres Video, das in den ukrainischen sozialen Medien die Runde macht, soll den Sohn einer der getöteten Feuerwehrmänner zeigen. Er soll gerade von dem Tod seines Vaters erfahren haben und weint bitterlich. Eine Kollegin tröstet den Hinterbliebenen, der selbst Feuerwehrmann sein soll.
Ukrainian firefighter Volodymyr Loginov cries for his 52-year-old father and colleague Vladyskav, who was killed in a Russian strike at Kharkiv.
— Illia Ponomarenko 🇺🇦 (@IAPonomarenko) April 4, 2024
.... pic.twitter.com/kyDLMkZWUn
Psychologische Kriegsführung mit „Mopeds“
Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe startete Russland in der Nacht zu Donnerstag 20 Schahed-Drohnen iranischer Bauart in Richtung der gleichnamigen Region Charkiw, zehn davon wurden demnach abgewehrt. Die neueste Version der von den Russen Geran-2 genannten Drohnen, soll mittlerweile einen schnelleren Antrieb haben und bis zu 300 Kilometer pro Stunde schnell sein.
Besonders das Geräusch der Drohnen, die manche anfangs noch als „Mopeds“ verspotteten, wirkt auch als psychologische Kriegswaffe – ähnlich wie die im Zweiten Weltkrieg an den deutschen Stuka-Sturzkampfbombern montierten Jericho-Trompeten.
Mord an Rettungskräften sind Kriegsverbrechen
Auch die Angriffe auf Rettungskräfte durch Russland haben System. Bereits mehrfach kam es in der Ukraine zu derartigen Angriffen. „Das sind Kriegsverbrechen“, erklärt Denys Volokha, Pressesprecher der ukrainischen Menschenrechtsorganisation Kharkiv Human Rights Protection Group auf Anfrage des Berliner KURIER. Mitte März bereits schlug in Odessa eine zweite Rakete ein, nachdem Rettungskräfte zum Einschlagsort der ersten Rakete geeilt waren. 14 Menschen starben.
„Russland kann Charkiw und andere ukrainische Städte nicht erobern, deshalb greift es auf die Terrorisierung der ukrainischen Bevölkerung zurück. Diese Angriffe passieren jeden Tag“, so Volokha. Die zynische Taktik in diesem Fall, die als Double-Tap-Strike (Doppelschlag) bezeichnet wird, wendet die russische Luftwaffe seit Jahren unter anderem in Syrien an.
Last night in Kharkiv, a Russian-Iranian drone insidiously killed three rescuers who were working at the scene of an earlier arrival in an apartment building...
— Chief Rabbi Of Ukraine Moshe Azman (@RabbiUkraine) April 4, 2024
Eternal memory to the Heroes who sacrifice their lives to save the lives of others pic.twitter.com/2L9ChSEiMt
Weiteres Opfer in Region Sumy
Nach Angaben des ukrainischen Energieministers wurde zudem ein 47-jähriger Beschäftigter aus dem Energiebereich bei einem Luftangriff in der benachbarten Region Sumy getötet.
Die Ukraine wird fast jede Nacht aus Russland angegriffen – die grenznahe Stadt Charkiw ist dabei besonders oft im Visier russischer Truppen. Ukrainische Behörden fordern die westlichen Verbündeten regelmäßig auf, mehr Luftabwehrsysteme zu liefern, darunter moderne Patriot-Systeme aus den USA.
Die US-Militärhilfe für Kiew ist derzeit ins Stocken geraten. Seit mehreren Monaten wird im Kongress ein milliardenschweres Hilfspaket blockiert – darin enthalten ist auch Nachschub für die gebeutelte Flugabwehr der Ukraine.