Nach Razzia gegen Terrorzelle

Gewaltbereit, bewaffnet, verblendet: DAS macht die Reichsbürger so gefährlich!

Sie sind alles andere als harmlose Spinner, doch zu lange Zeit wurde die Reichsbürger-Szene unterschätzt, kritisiert die Amadeu-Antonio-Stiftung.

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Als Kopf der Reichsbürger-Terroristen sitzt Heinrich XIII. Prinz Reuß in Untersuchungshaft.
Als Kopf der Reichsbürger-Terroristen sitzt Heinrich XIII. Prinz Reuß in Untersuchungshaft.dpa/Boris Roessler

Ein Prinz sollte neuer Regierungschef werden, eine ehemalige Bundestagsabgeordnete Justizministerin und Mitglieder der Bundeswehr sollten als „militärischer Arm“ die demokratische Grundordnung in Deutschland zerschlagen. Mit Waffengewalt wollte die am Mittwoch ausgehobene, terroristische „Reichsbürger“-Gruppe den Umsturz organisieren, hätte dabei sogar Todesopfer in Kauf genommen. Doch waren die 25 Festnahmen im Zuge der Großrazzia gegen die Terrorzelle nur die Spitze des Eisbergs? Das Bundeskriminalamt (BKA) geht davon aus, dass es außer den bisher 54 Beschuldigten noch weitere Hintermänner und Durchsuchungen geben wird.

Auch Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) sieht die Gefahr längst nicht gebannt. „Reichsbürger sind brandgefährlich. Sie schrecken auch nicht vor Mord zurück“, sagte er dem Magazin Stern. Die Szene wachse rasant, sie werde auch immer militanter und horte Waffen, berichtet der SPD-Politiker, der davor eindringlich warnt, die Reichsbürger als Spinner abzutun.

Ihrer Ideologie nach sehen Anhänger in der Bundesrepublik keinen souveränen Staat. Sie verstehen sich als Bürger eines Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 und boykottieren Institutionen und Gesetze. Viele von ihnen gehörten zur rechten Szene.

Zahl der Straftaten wächst rasant

2021 wurden den Reichsbürgern und Selbstverwaltern in Deutschland mehr als 1000 extremistische Straftaten zugerechnet – fast doppelt so viele wie im Jahr zuvor. „Sie sehen sich bedroht, in einer Notlage, als Befreiungskämpfer“, so Christoph Grotepass von der Beratungsstelle „Sekten-Info NRW“ aus Essen.

Bei der Großrazzia gingen am Mittwoch schwer bewaffnete Einsatzkräfte gegen die Reichsbürger-Terrorzelle vor, darunter auch Mitglieder der Anti-Terror-Einheit GSG9.
Bei der Großrazzia gingen am Mittwoch schwer bewaffnete Einsatzkräfte gegen die Reichsbürger-Terrorzelle vor, darunter auch Mitglieder der Anti-Terror-Einheit GSG9.AFP/Fricke/NEWS5

Die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen hatten noch einmal eine Radikalisierung mit sich gebracht. Bundesweit rechnet der Inlandsgeheimdienst derzeit rund 21.000 Menschen zu den Reichsbürgern. Das Gewaltpotenzial ist erschreckend hoch, etwa 500 Anhänger haben mindestens eine waffenrechtliche Erlaubnis. Daneben gebe es natürlich auch illegale Waffen, so Innenminister Maier. „Außerdem ist es schwer, alle Reichsbürger zu erfassen. Die wenigsten von ihnen äußern sich öffentlich und geben ihre Gesinnung klar zu erkennen.“

Gefährliche Vernetzung zwischen Reichsbürgern und AfD

Gefährlich sei auch, dass die klassische Reichsbürger-Szene sich mit anderen Gruppierungen vernetzt, insbesondere mit der AfD, mit anderen rechtsextremistischen Gruppen und mit der Querdenker-Szene, erklärt Maier. Vor allem die Verbindungen zur AfD seien in Thüringen offensichtlich. „Die AfD hat sich immer weiter radikalisiert. Sie verbreitet diese Verschwörungsmythen, sie verbreitet diese Verschwörungsfantasien und Umsturzfantasien“, so der SPD-Politiker.

Viele Reichsbürger horten Waffen für den Umsturz am „Tag X“, hier wurde im April in Baden-Württemberg ein Lager ausgehoben.
Viele Reichsbürger horten Waffen für den Umsturz am „Tag X“, hier wurde im April in Baden-Württemberg ein Lager ausgehoben.dpa/Christoph Schmidt

Nach Einschätzung der Amadeu-Antonio-Stiftung wurde die Reichsbürger-Szene in Deutschland zu lange unterschätzt. „Gerade in Sicherheitskreisen wurde sie oft verlacht und ihr enormes Gefahrenpotenzial trotz intensiver Warnungen auf die leichte Schulter genommen“, kritisierte  Extremismusforscher Lorenz Blumenthaler. Spätestens seit den vereitelten Plänen zur Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach im April stehe das Thema aber auch in der Politik weit oben auf der Agenda, so Blumenthaler. „Da lacht heute eigentlich keiner mehr.“

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte an, bei möglichen Anhängern aus Bundesinstitutionen wie Bundeswehr und Polizei noch genauer hinzuschauen. „Ich bin gerade dabei, das Disziplinarrecht zu verändern, damit wir solche Verfassungsfeinde schneller loswerden“, so Faeser  in der ARD-Sendung „Maischberger“. Wer Umsturzfantasien habe und die demokratische Grundordnung überwinden wolle, der habe nichts mehr im öffentlichen Dienst zu suchen.