Dann sind Sie alt

Schreiben Sie auch „Liebe Grüße“ am Ende einer kurzen Textnachricht?

WhatsApp und Co: Was Generationen beim Chatten trennt und eint – neue spannende Erkenntnisse. 

Author - Michael Heun
Teilen
Eine junge Frau liest eine WhatsApp-Nachricht. Die Generationen kommunizieren höchst unterschiedlich.
Eine junge Frau liest eine WhatsApp-Nachricht. Die Generationen kommunizieren höchst unterschiedlich.Weronika Peneshko/dpa

„Papa, wir wissen doch, dass DU uns schreibst!“ – Diesen Satz hört Thorsten Wallnig, ein Volkshochschullehrer aus Berlin, oft von seinen Kindern. Der 56-Jährige verabschiedet sich in Chat-Nachrichten nämlich gerne mit „Liebe Grüße, euer Papa“, was in der schnelllebigen Messenger-Welt eher untypisch ist. Für Wallnig gehört das jedoch zum höflichen Umgang dazu – auch wenn Chatprogramme oft für eine lockere, kurze Kommunikation genutzt werden. „Jeder darf sich seine Eigenheiten bewahren“, sagt der Lehrer.

Wallnigs Fall zeigt: Wie wir im digitalen Zeitalter kommunizieren, hängt stark vom Alter ab. Das bestätigt auch der Kommunikationswissenschaftler Tobias Dienlin von der Universität Wien. Es gehe vor allem um erlernte Gewohnheiten, die je nach Generation unterschiedlich ausgeprägt sind. Chatprogramme, die ursprünglich als Kommunikationsplattformen der Jugend entstanden, seien auf schnelle und zweckmäßige Gespräche ausgelegt – formale Korrektheit stehe dabei nicht im Vordergrund.

Ältere Menschen hingegen neigen eher dazu, ihre gewohnten Muster aus Brief- oder Telefonkommunikation in die digitale Welt zu übertragen.

Bei WhatsApp und SMS ohne Grüße

Laut einer repräsentativen YouGov-Umfrage im Auftrag der dpa gibt es tatsächlich signifikante Unterschiede im Chat-Verhalten zwischen Jung und Alt. Während sich nur 22 Prozent der 18- bis 24-Jährigen in Deutschland in ihren Messenger-Nachrichten förmlich begrüßen oder verabschieden, tun dies immerhin 59 Prozent der Befragten über 55 Jahre. Auch der vollständige Verzicht auf Begrüßungen und Verabschiedungen ist bei den Jüngeren weit verbreitet: 34 Prozent der 18- bis 24-Jährigen chatten oft, ohne sich bewusst zu verabschieden – in der Altersgruppe 55+ sind es dagegen nur 15 Prozent.

Die Art und Weise, wie verschiedene Altersgruppen miteinander kommunizieren, hat sich im digitalen Zeitalter stark verändert. Jüngere Menschen, die mit Handys und dem Internet aufgewachsen sind, sehen ihre Chatverläufe oft als „fortlaufende Kommunikation“, in der es nicht nötig ist, Gespräche explizit zu beginnen oder zu beenden. Sie sind ständig vernetzt und teilen ihre Gedanken und Erlebnisse in Echtzeit.

Volkshochschullehrer Thorsten Wallnig: Oft hängt der digitale Stil vom Alter ab.
Volkshochschullehrer Thorsten Wallnig: Oft hängt der digitale Stil vom Alter ab.Jörg Carstensen/dpa

Emojis werden oft als defizitäre Kommunikationsform betrachtet

Ältere Menschen, insbesondere diejenigen, die vor dem digitalen Boom ihre Kommunikationsmuster entwickelt haben, sehen Messenger-Gespräche hingegen oft als „Inseln der Kommunikation“ – ähnlich wie beim Telefonat oder einem Brief.

Diese unterschiedlichen Herangehensweisen spiegeln sich auch in der Nutzung von Interpunktion, Groß- und Kleinschreibung sowie der Verwendung von Emojis wider. Der Kommunikationswissenschaftler Tobias Dienlin weist darauf hin, dass sich die Wahrnehmung, die jüngere Generation drücke sich „schlechter“ aus als die ältere, schon seit der Antike durchzieht. „Dass die Jugend schlechter sei als die Generation davor, gilt schon seit der Zeit von Sokrates“, scherzt Dienlin.

Emojis, die in der klassischen Schriftsprache nicht existierten, werden oft als defizitäre Kommunikationsform betrachtet. Doch sie bieten eine Möglichkeit, Gefühle und Stimmungen in Textnachrichten zu transportieren, die allein durch Worte schwer zu übermitteln wären.

Pfirsich- oder Auberginen-Emoji meist in sexuellem Kontext

Emojis sind ein weiteres Beispiel für die Unterschiede in der digitalen Kommunikation zwischen Jung und Alt. Während die kleinen Bildchen bei den Jüngeren allgegenwärtig sind, verwenden ältere Menschen sie seltener. Emojis repräsentierten aber auch eine Art Kultur – die richtige Verwendung will gelernt sein. Wer hätte gedacht, dass ein Pfirsich- oder ein Auberginen-Emoji meist in sexuellen Kontexten verwendet werden würde?

Laut YouGov-Umfrage nutzt nur eine kleine Minderheit von vier Prozent aller Altersgruppen überhaupt keine Emojis. Allerdings sagen 43 Prozent der 25- bis 34-Jährigen, dass sie „fast immer“ Emojis verwenden – bei den über 55-Jährigen sind es lediglich 18 Prozent.

Trotz der Unterschiede in der Emoji-Nutzung ist das Bedürfnis nach Anpassung im Gespräch mit anderen Generationen hoch. Mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) gibt an, dass sie ihre Kommunikationsweise im Umgang mit anderen Altersgruppen anpassen. Besonders ausgeprägt ist das bei den Jüngeren: 83 Prozent der 18- bis 24-Jährigen und etwa drei Viertel der 25- bis 34-Jährigen passen ihre Chatgewohnheiten an, wenn sie mit älteren Menschen sprechen. Bei der Generation 55+ sind es dagegen nur 36 Prozent.

Kinder schätzen es, wenn Eltern und Großeltern Textnachrichten nutzen.
Kinder schätzen es, wenn Eltern und Großeltern Textnachrichten nutzen.Zacharie Scheurer/dpa

Digitale Brücken zwischen den Generationen

Obwohl es also klare Unterschiede in der Art und Weise gibt, wie verschiedene Generationen chatten, zeigt die Erfahrung von Thorsten Wallnig, dass das digitale Miteinander auch für ältere Menschen spannend und bereichernd sein kann. Wallnig, der seit über 30 Jahren als Lehrer an der Volkshochschule tätig ist, unterrichtet seit zwölf Jahren Seniorinnen und Senioren über 80 Jahren in Kursen zu „WhatsApp und Co“. Für seine Schüler sei das Chatten mit Enkeln und Kindern eine wertvolle Möglichkeit, in Kontakt zu bleiben.

„Es macht ihnen großen Spaß, weil sie so umfänglicher mit ihren Familien kommunizieren können“, berichtet Wallnig. Viele seiner Schüler hätten längst gelernt, auf typische Messenger-Etikette zu verzichten, und würden oft Grußformeln weglassen. Dabei gebe es keinerlei Spannungen zwischen den Generationen – im Gegenteil: „Die Enkel freuen sich meist riesig, wenn die Oma oder der Opa plötzlich WhatsApp nutzt. Das finden sie total cool – zumindest so lange, bis die Katzenvideos kommen“, lacht Wallnig.

Auch Tobias Dienlin von der Universität Wien betont, dass über allem das Bedürfnis nach Beziehung stehe. Messenger-Apps ermöglichen es Menschen aller Altersgruppen, unkompliziert und niedrigschwellig miteinander in Kontakt zu treten. Und obwohl es in der Art und Weise, wie gechattet wird, große Unterschiede gibt, bleibt die Essenz die gleiche: Der Wunsch, miteinander verbunden zu bleiben. ■