Jahrhundert-Hochwasser

Damm bricht bei Augsburg +++ Autobahn gesperrt +++ Anwohner evakuiert

Die Pegel in Baden-Württemberg und Bayern steigen, in manchen Orten fiel mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter. Die Lage wird immer dramatischer.

Teilen
Aus einem Polizeihubschrauber in Babenhausen (Bayern) wird ein Wasserretter abgeseilt.
Aus einem Polizeihubschrauber in Babenhausen (Bayern) wird ein Wasserretter abgeseilt.Stefan Puchner/dpa

Seit Tagen wurde immer wieder gewarnt: Der Süden Deutschlands ist nach anhaltendem Dauerregen von schweren Überschwemmungen betroffen. Bei Augsburg brach bereits der erste Damm. Jetzt hat das Jahrhunderthochwasser die ersten Ortschaften erreicht, Anwohner wurden evakuiert. Das Hochwasser drang auch in ein Wasserwerk ein.

In Teilen von Baden-Württemberg und Bayern fielen innerhalb von 24 Stunden mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter, wie die örtlichen Umweltlandesämter mitteilten. Die Lage an einigen Flüssen im Süden Deutschlands spitzt sich angesichts heftiger Regenfälle zu. In Bayern riefen die Landkreise Augsburg, Aichach-Friedberg und Günzburg den Katastrophenfall aus. Im Landkreis Augsburg ist am Samstagmittag bereits ein erster Deich und ein Damm gebrochen. Es sei damit zu rechnen, dass die Pegelstände in den kommenden Stunden weiter stark ansteigen, teilte das Landratsamt in Augsburg am Samstagvormittag mit. Berichte über Verletzte oder größere Schäden lagen bis zum Nachmittag nicht vor.

Der Dauerregen im Südwesten Deutschlands hat zu Pegelständen geführt, wie sie statistisch gesehen nur einmal in mehr als hundert Jahren erreicht werden. So führten am Samstagnachmittag die Donaunebenflüsse Umlach in Ummendorf, Rottum in Laupheim (beide Kreis Biberach), Wurzacher Ach in Leutkirch-Reichenhofen (Kreis Ravensburg) und Weihung in Unterkirchberg (Alb-Donau-Kreis) so viel Wasser wie bei einem Jahrhunderthochwasser.

Neun Kommunen in Bayern rufen Katastrophenfall aus

Wegen extremer Regenfälle und drohenden Donauhochwassers hat der Kreis Dillingen als neunte Kommune in Bayern den Katastrophenfall ausgerufen. Grund ist das Anschwellen der Donau und ihrer Zuflüsse, wie das Landratsamt der oberbayrischen Kommune am Samstagabend mitteilte. Das Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt erwartet für die Nacht zu Sonntag am Pegel Neuburg die Meldestufe 4. Noch dramatischer ist laut Landratsamt die Hochwasserlage an der Paar, einem der Donau-Zuflüsse, sowie an der Weilach, die wiederum in die Paar mündet.

Autobahn A3 auf zehn Kilometer teilweise überflutet

Die Autobahn A3 in Bayern bei Regensburg ist auf rund zehn Kilometern zwischen den Anschlussstellen Parsberg und Beratzhausen in beide Richtungen gesperrt. Der Grund: Die Fahrbahn sei teilweise überflutet, teilte das Polizeipräsidium Oberpfalz mit. „Das Wasser drückt von den Feldern auf die Autobahn“, so ein Sprecher. Nach Angaben der Verkehrspolizei Regensburg seien Autobahnmeisterei, Feuerwehr und Polizei vor Ort im Einsatz. Der Verkehr werde umgeleitet, sagte ein Sprecher.

Hubschrauber rettet Menschen in Lebensgefahr von Dach und aus Autos

Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) musste am Samstag in Babenhausen zwei Menschen mit einem Helikopter vom Dach ihres Wohnhauses retten. Die beiden hätten sich in einer lebensgefährlichen Situation befunden, sagte ein Sprecher des BRK. Das Haus im Landkreis Unterallgäu sei aufgrund der großen Wassermassen einsturzgefährdet gewesen. Weitere Menschen wurden mit Schlauchboten von ihren Häusern abgeholt. Die Einsatzkräfte brachten am Samstag mehr als 100 Menschen in Sicherheit - darunter auch dutzende Kinder.

Wasserretter mussten auch Menschen aus ihrem Auto befreien, die wegen der Wassermassen die Türen nicht mehr öffnen konnten. Vor allem wegen der Strömung und wegen des steigenden Wassers im Auto könne eine solche Situation schnell lebensgefährlich werden, führte der Sprecher weiter aus.

670 Menschen in Schrobenhausen müssen evakuiert werden

Feuerwehr und Rettungskräfte bereiten im oberbayerischen Schrobenhausen die Evakuierung von 670 Menschen vor. Im Stadtteil Mühlried und einer Gasse entlang des Flusses Weilach sind Radlader und Boote im Einsatz, wie das Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen am Samstagabend mitteilte. Die Behörde richtete außerdem ein Bürgertelefon für Notfälle ein. Die Kommune hatte zuvor den Katastrophenfall ausgerufen. Die Lage ist laut Landrat Peter von der Grün vor allem im südlichen Teil des oberbayerischen Landkreises besorgniserregend.

Deich und Damm bei Augsburg gebrochen

In Burgwalden im schwäbischen Landkreis Augsburg sind am Samstagmittag ein Deich und ein Damm gebrochen. Das teilte das Landratsamt mit. Bewohner in bestimmten Straßenzügen in dem Ort Diedorf müssen ihre Wohnhäuser verlassen. Aufgrund der hohen Wassermassen werde eine Evakuierung im Diedorfer Ortsteil Anhausen vorbereitet, so das Landratsamt Augsburg. Und warnte Anwohner: „Es ist nicht mehr ausreichend, sich in höhere Stockwerke zu begeben.“

Bei Neustadt an der Donau im Landkreis Kelheim ist der Strom über die Ufer getreten. Das Hochwasser hat hier Wege und Straßen überflutet.
Bei Neustadt an der Donau im Landkreis Kelheim ist der Strom über die Ufer getreten. Das Hochwasser hat hier Wege und Straßen überflutet.Sebastian Pieknik/NEWS5/dpa

Pegel eines Jahrhunderthochwassers erreicht

Neben Bayern ist auch Baden-Württemberg stark betroffen. Menschen wurden bereits in Sicherheit gebracht - teils mit Booten; die Gemeinde Meckenbeuren in Baden-Württemberg empfahl rund 1300 Menschen, ihre Wohnungen zu verlassen. Die meisten seien bei Freunden oder Verwandten untergekommen, hieß es. Nur ganz wenige Menschen nutzten das Notquartier. Um möglichen Schäden durch Überflutungen vorzubeugen, seien Schulen, Kindergärten und Festhallen schon im Vorfeld ausgeräumt worden. In der Kommune mit 14 000 Einwohner wurde auch vorsorglich Brücken gesperrt.

Bei den heftigen Niederschlägen in Bayern und Baden-Württemberg waren seit Freitagmorgen teils Regenmengen von 130 Litern und mehr pro Quadratmeter gefallen. Seit 8.00 Uhr am Freitag wurden im bayerischen Sigmarszell-Zeisertsweiler nach Angaben des DWD in Offenbach 135 Liter binnen 24 Stunden gemessen. In Kißlegg in Baden-Württemberg seien es ebenfalls 130 Liter in 24 Stunden gewesen.

Pegel steigt in Schwaben auf Meldestufe 4

Der extreme Dauerregen hat in Schwaben an mehreren Pegeln ein Hochwasser mit Überschreitungen der Meldestufe 4 verursacht. Am Samstag dehnte sich der extrem ergiebige Dauerregen nach Oberbayern aus. Auch in Niederbayern und der Oberpfalz schwellen Flüsse zunehmend an.

Überschreitungen der Meldestufe 4 meldeten die Pegel Neu-Ulm Bad Held (Donau), Hasberg (Mindel), Fleinhausen (Zusam), Fischach (Schmutter), wie der Hochwassernachrichtendienst (HND) am Samstagnachmittag mitteilte. Auch in Dasing (Paar) soll Meldestufe 4 erreicht werden. Das gilt auch für den Fluss Regen in Cham in der Oberpfalz. Hundertjährliche Hochwasser weisen laut HND Nattenhausen (Günz) und Dasing (Paar) auf.

Für mehrere Landkreise rief der Deutsche Wetterdienst (DWD) die höchste Unwetter-Warnstufe aus. Das Main-Einzugsgebiet sei bisher nur am Rande von den Starkniederschlägen betroffen gewesen, teilte der HND mit.

Hochwasser dringt in Wasserwerk ein - Wasser muss abgekocht werden

In ein Wasserwerk im baden-württembergischen Wiesensteig ist Hochwasser eingedrungen. Dies teilte die Kommune am Samstag auf ihrer Internetseite mit. In der Stadt Wiesensteig soll daher das Wasser soll vor dem Benutzen abgekocht werden. Die Stadt (Kreis Göppingen) mit ihren rund 2100 Einwohnern ist ein staatlich anerkannter Erholungsort und liegt im oberen Talstück der Fils.

Die gesamte Gemeinde sei von dem Vorfall betroffen, teilte das Landratsamt Göppingen mit. Es würden alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, um die Bevölkerung zu schützen. Durch eine Chlorung werde das Trinkwasser und das Leitungsnetz desinfiziert. Die ersten Ergebnisse der genommenen Wasserproben könnten frühestens am Montag erwartet werden. Das Gesundheitsamt informiere, wenn das Abkochgebot aufgehoben werden kann.

Im Landkreis Günzburg sind die Pegelstände eines Jahrhunderthochwassers erreicht worden.
Im Landkreis Günzburg sind die Pegelstände eines Jahrhunderthochwassers erreicht worden.Stefan Puchner/dpa

Gefängnis in Memmingen geräumt

Die Justizvollzugsanstalt (JVA) in Memmingen (Bayern) ist wegen des Hochwassers geräumt worden. Rund 100 Häftlinge - darunter etwa 20 Frauen - wurden auf die Gefängnisse in Landsberg, Kempten und Aichach verteilt, wie die Leiterin der JVA Memmingen und Kempten, Anja Ellinger, am Samstag mitteilte. „Wir haben alle Häftlinge verlegt.“ Mehrere Medien hatten zuvor darüber berichtet.

Heftige Niederschläge und Gewitter im Süden Brandenburgs

Im Süden Brandenburgs rechnen Meteorologen ab Samstagnachmittag mit teils heftigen Regen und Gewittern. Durch Starkregen könnten in manchen Orten bis zu 40 Liter pro Quadratmeter binnen kürzester Zeit fallen, sagte ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am Samstagmorgen. Einige Orte könnten gleich mehrfach von Gewittern betroffen sein und die Niederschlagsmenge entsprechend ansteigen.

Eine Warnung vor schweren Gewittern, die davor für einige Kreise gegolten hatte, wurde am Samstagabend aufgehoben. Die Warnung galt für die Kreise Elbe-Elster, Teltow-Fläming, Dahme-Spreewald, Märkisch-Oderland und Oder-Spree.

Warnungen vor starkem Regen und Gewitter gab es am Samstag auch für Sachsen und Thüringen. Starkregen und Gewitter haben am Samstagnachmittag zahlreiche Feuerwehreinsätze in Ostthüringen ausgelöst. Das teilte die Leitstelle in Gera mit. Besonders betroffen war der Bereich um Ronneburg im Landkreis Greiz. Dort kam es zu überfluteten Straßen, Feldern und vollgelaufenen Kellern. Auch im Geraer Stadtteil Liebschwitz sei ein Bach übergelaufen. Zuvor hatte der MDR darüber berichtet.

Starke Regenfälle haben in Hausen bei Bad Ditzenbach (Landkreis Göppingen) die Fils über die Ufer treten lassen.
Starke Regenfälle haben in Hausen bei Bad Ditzenbach (Landkreis Göppingen) die Fils über die Ufer treten lassen.Markus Zechbauer/Zema Medien/dpa

Behörden warnen vor „Gefahr für Leib und Leben“

Für Bayern meldete das dortige Landesamt für Umwelt vor allem für den Bereich der südlichen Donauzuflüsse steigende Pegel. Dort seien innerhalb eines Tages bis zu 100 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen. Die Niederschläge halten demnach weiter an, für einzelne Bereiche wurde vor einer Überflutung von Kellern und Straßen gewarnt.

An den südlichen Donauzuflüssen von Günz über Mindel, Zusam bis zur Schmutter sei es verbreitet zu Überflutungen und Behinderungen gekommen, teilte das Landesamt mit. Es müsse weiter mit zunehmenden Überflutungen und Gefahren gerechnet werden. Ein weiteres Ansteigen der Pegel bis in den Bereich der Hochwasserstände von 2002 sei möglich.

Einsatzkräfte der Feuerwehr stapeln in Ochsenhausen (BaWü) Sandsäcke als Schutzwall auf.
Einsatzkräfte der Feuerwehr stapeln in Ochsenhausen (BaWü) Sandsäcke als Schutzwall auf.Thomas Warnack/dpa

Infolge des extremen Dauerregens hatte der Landkreis Günzburg bereits am Freitag vor einer Hochwasserlage gewarnt und den Katastrophenfall ausgerufen. Noch am Freitagabend wurden die Campingplätze an den Flüssen Günz, Kammel und Mindel geräumt. Vorsorglich ließ der Landkreis zusätzliche 15.000 Sandsäcke befüllen. „Wir nehmen die Situation sehr ernst“, sagte Landrat Hans Reichhart. Im Kreis Günzburg wurden die Menschen aufgerufen, sich von Gewässern fernzuhalten und Keller zu meiden.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnte am Samstag vor teils extrem ergiebigem Dauerregen und Unwettern im Süden von Deutschland sowie vor Dauerregen vom Süden über die Mitte bis in die Oberlausitz. Ab Samstagmittag könnten sich den Prognosen zufolge vom nördlichen Baden-Württemberg und Südhessen bis nach Berlin und Ostsachsen gebietsweise schwere Gewitter mit Starkregen ausbreiten.

Für Süddeutschland und die Landesmitte werden laut DWD mit Niederschlagsmengen zwischen 50 und 100 Litern pro Quadratmeter gerechnet. Örtlich könnten sogar bis zu 150 Liter pro Quadratmeter erreicht werden. Auch in der Nacht zu Sonntag werde über Nordbayern und dem nördlichen Baden-Württemberg mit weiteren Schauern und teils unwetterartigen Gewittern gerechnet. Diese klingen nach Angaben des Wetterdienstes in der zweiten Nachthälfte jedoch ab und ziehen in Richtung Frankreich ab. ■