Der Chefindianer der Defa war auch Winnetou. Den großen Apachen-Häuptling spielte bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg.
Der Chefindianer der Defa war auch Winnetou. Den großen Apachen-Häuptling spielte bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg. dpa/Ulrich Perrey

Ehrlich, was soll dieser Quatsch! Zum zweiten Mal in meinem Leben will man mir jetzt erklären, dass ich die Bücher von Karl May nicht lesen soll. Und das schon wieder von einer Minderheit, die meint zu wissen, was die Mehrheit der Bevölkerung zu tun oder zu lassen hat. Mit einem Unterschied: In der DDR durfte man wenigstens noch das „böse“ I-Wort sagen: Indianer!

Lesen Sie auch: Die BVB-Verrückten von Quappendorf: Für diese Berliner Familie ist das Leben komplett schwarz-gelb>>

Ich finde es schon merkwürdig, wie mancher Schwachsinn sich wiederholt. Karl May und sein  Winnetou verpönt, dass alles gab es doch schon einmal. In der DDR, wo ein Häufchen von Kulturfunktionären plötzlich festlegte, dass die Bücher des Sachsen, der von 1842 bis 1912 lebte, nicht mehr zeitgemäß seien.

Das ging in den 50er-Jahren los. Nein, man hat Karl May nicht offiziell verboten, man hat seine Bücher einfach nicht mehr gedruckt. Das kam ein Verbot gleich.

Lesen Sie auch: Staatsbegräbnis der Queen: Staatsgäste müssen mit Linienflug anreisen, dürfen nur mit Bus zur Trauerfeier fahren>>

Die Ächtung von Karl May: Die Begründung der „roten Brüder“ aus dem Politbüro klang damals so abenteuerlich und ausgedacht – wie die Erzählungen des sächsischen Autors. Man warf May „Deutschtümelei“, „Nationalismus“ und „Rassismus“ vor.

Die „Winnetou“-Bücher in einem Regal des Karl-May-Verlags - sollen sie nun wieder verschwinden? Ebener/dpa
Die „Winnetou“-Bücher in einem Regal des Karl-May-Verlags - sollen sie nun wieder verschwinden? Ebener/dpa dpa/David Ebener

Dass der Sachse in seinen Winnetou-Romanen aufzeigte, wie sich die indianischen Völker gegen ihre Vernichtung wehrten, dass Winnetou sich für Frieden unter den Menschen, egal welcher Hautfarbe und Glaubens, einsetzte, wurde damals schlicht ignoriert – und heute wieder. Was man den DDR-Kulturwächtern zu Gute halten muss: Auf den Unsinn einiger heutiger Meinungsmacher, auch das Wort Indianer zu verbieten, weil es rassistisch sei, was es meiner Meinung nicht ist, kamen sie nicht.

Lesen Sie auch: Nach Nachwuchs-Drama bei den Sumatras: Süße Tiger-Zwillinge geben Tierpark Berlin neue Hoffnung>>

Wieder umstritten: der sächsische Abenteuer-Autor Karl May.
Wieder umstritten: der sächsische Abenteuer-Autor Karl May. dpa/

Als ich für diese Kolumne das „DDR-Jugendlexikon“ von 1978 mit einem Geleitwort von SED-Bildungs-Squaw Margot Honecker herauskramte, stand da unter Karl May: „Seine zahlreichen Abenteuerbücher … sind zwar spannend, aber künstlerisch anspruchslos. Sie entsprechen nicht den Anforderungen, die wir an unsere Jugendliteratur stellen.“

Lesen Sie auch: „Niemand hat vor...“: Werden jetzt unsere Politiker wie Walter Ulbricht und Erich Honecker?>>

Als Ersatz gab es die sechs Bücher der Roman-Serie „Die Söhne der großen Bärin“ von der Völkerkundlerin Liselotte Welskopf-Henrich. Für mich und viele DDR-Jugendliche waren sie eine ebenbürtige Alternative, auch der gleichnamige Defa-Film mit Gojko Mitic.

Lesen Sie auch: Rassismus-Debatte um Karl-May-Werke! DSDS-Star Alexander Klaws: Fiese Kommentare, weil er Winnetou spielt>>

Die Saga „Die Söhne der großen Bärin“ waren im Osten beliebt. Ab 1982 erschienen dann auch die „Winnetou“-Bücher von Karl May in der DDR. 
Die Saga „Die Söhne der großen Bärin“ waren im Osten beliebt. Ab 1982 erschienen dann auch die „Winnetou“-Bücher von Karl May in der DDR.  Koch-Klaucke

Das Karl-May-Verbot hat schon in der DDR nicht geklappt

Und doch sehnten wir uns nach Winnetou, als wir ihn in den Filmen im Westfernsehen sahen. Wer die Bücher lesen wollte, konnte das nur, wenn der Opa sie noch im Bücherschrank hatte. Oder sie kamen als „Schmuggelware“ mit einem Westpaket. In meinem Fall bekam ich die Ausgaben über Freunde, die nach dem Auslesen immer weiter gereicht wurden. Keiner weiß, ob sie jemals den wahren Besitzer wieder erreichten.

Lesen Sie auch: Dieter Hallervorden amüsiert sich über „Winnetou“-Streit>>

1982 kam die Karl-May-Wende. So plötzlich, wie er in der DDR verschwand, tauchte er kommentarlos wieder auf. Ich erinnere mich, wie glücklich ich war, im Buchladen eine der wenigen Exemplare „Winnetou 2“ und „Winnetou 3“ zu bekommen. Und im DDR-TV liefen die Filme.

Heute weiß man: Der FDJ-Häuptling Egon Krenz hatte seinen Oberhäuptling Honi überzeugt, die May-Bücher wieder zu veröffentlichen. Nur Manitu weiß, warum. Vielleicht war es so wie Jahre zuvor  mit der Beat-Musik, die trotz Ulbrichts „Yeah, yeah, yeah“-Verachtung nicht unterzukriegen war.

Also, liebe Leute! Vergesst eure Anti-Haltung zu Karl May und Winnetou. Das hat damals im Osten nicht geklappt. Und es wird auch heute nicht funktionieren. Ich lese die Bücher weiter – trotz alledem! Howgh!

Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com