„Wir im Osten!“

Ich will meine DDR-Kinderbücher zurück!

Unser Autor fragt: Warum soll man als Erwachsener nicht noch einmal die Geschichten lesen, die einen als Kind vor so vielen Jahren begeistert haben?

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Blick in eine DDR-Bibliothek: Sie waren eine Wissensfundgrube für Kinder.
Blick in eine DDR-Bibliothek: Sie waren eine Wissensfundgrube für Kinder.Wolfgang Schmidt

Es gibt Momente, da staunt man über sich selbst. Etwa, als ich in diesen Tagen den merkwürdigen Drang verspürte, wieder einmal in den Büchern meiner Kindheit zu schmökern. Na klar, bin ich dafür längst viel zu alt. Aber warum soll man als Erwachsener nicht noch einmal die Geschichten lesen, die einem als kleiner Junge vor so vielen Jahren begeistert haben? Ich sehe da keinen Grund, der dagegen sprechen würde. Also, ich will jetzt wieder meine DDR-Kinderbücher zurück!

Auslöser war mein Sohn. Der ist 18 und gehört nun als Angehöriger der Generation Z nun wahrlich nicht zu denjenigen, die gerne ein Buch in die Hand nehmen. Datteln am PC oder mit dem Smartphone ist bei dieser Generation ja bekannterweise eher angesagt. Doch neulich erwischte ich ihn mit einem Buch. Ein seltener Anblick, wie ich zugeben muss.

Er liest gerade „Der Wind in den Weiden“, ein Kinderroman von Kenneth Grahame. Als mein Sohn klein war, hatten wir ihm dieses Werk als Hörbuch geschenkt. Sohnemann war damals über die humorvolle Erzählung aus dem Reich der Tiere richtig begeistert. Nun hat ihm seine Freundin den Roman als echtes Buch geschenkt. Er hatte es sich so sehr gewünscht, jetzt die Geschichte selber zu lesen, die er früher so gerne gehört hatte. „Und weil es eine schöne Erinnerung ist“, wie er sagte.

Wie recht doch mein Sohn hat. Warum soll man die schönen Momente aus seinem Leben nicht ins Jetzt zurückholen? Ich hatte sie beim Lesen. Schließlich konnte ich mithilfe der Bücher in eine Welt voller Abenteuer eintauchen, die es in der Realität nicht gab.

DDR-Kinderbücher: Sie wecken schöne Erinnerungen

Der traurige Blick des Hundes ging ins Kinderherz: Bootsmann auf der Scholle gehört zu den Lieblingsbüchern aus seiner Kinderzeit in der DDR.
Der traurige Blick des Hundes ging ins Kinderherz: Bootsmann auf der Scholle gehört zu den Lieblingsbüchern aus seiner Kinderzeit in der DDR.privat

Eine meiner Lieblingslektüren in der DDR war „Bootsmann auf der Scholle“, die der Kinderbuchautor Benno Pludra geschrieben hatte. Eine kleine, niedliche Geschichte über einen Schiffshund, den Kinder von einer Eisscholle retten. Ach, ich würde dieses Buch so gerne wieder lesen. Leider ist es mit den Jahren aus meinem Besitz verschwunden.

Dafür habe ich im Keller aber andere Bücher aus meiner DDR-Kindheit wieder entdeckt. „Der Zauberer der Smaragdenstadt“ vom sowjetischen Autoren Alexander Wolkow etwa, die eine Adaption des Märchens „Der Zauberer von Oz“ war, das sich der US-Amerikaner Lyman Frank Baum ausgedacht hatte. Doch Wolkows Märchenbücher-Reihe über ein Zauberland mit sprechenden Vogelscheuchen und Tieren, einem Eisernen Holzfäller, der sich so sehr ein Herz wünschte, hatte viele Kinderherzen in der DDR verzaubert, dank auch der wunderbaren Zeichnungen.

Im Keller wieder gefunden: „Der Zauberer der Smaragdenstadt“ und weitere Bücher aus der Reihe. Die sechsbändige Ausgabe von „Die Söhne der großen Bärin“ ist zum Glück auch noch da.
Im Keller wieder gefunden: „Der Zauberer der Smaragdenstadt“ und weitere Bücher aus der Reihe. Die sechsbändige Ausgabe von „Die Söhne der großen Bärin“ ist zum Glück auch noch da.Norbert Koch-Klaucke

Im Bett habe ich diese Geschichten nachts heimlich mit einer Taschenlampe unter der Decke gelesen. Ach was, verschlungen habe ich sie, bis dann doch meine Mutter ins Kinderzimmer kam und mich daran freundlich erinnerte, dass für mich nun eigentlich Schlafenszeit ist!

Und nun lese ich den „Zauberer der Smaragdenstadt“ erneut und der schöne Zauber von einst ist wieder da. So wird es auch bei dem Mammut-Werk „Die Söhne der großen Bärin“ sein. Sechs spannende Indianer-Bücher, geschrieben von der DDR-Autorin Lieselotte Welskopf-Henrich, die ich ebenfalls im Keller gefunden habe.

Mit den Büchern kommen auch Erinnerungen an meine Oma wieder. So manche Kinderbücher habe ich bei ihr im Hinterzimmer eines Buchladens in Berlin-Adlershof gelesen, in dem sie arbeitete. Immer nach Schulschluss eilte ich zu meiner Großmutter ins Geschäft, um in eine Welt voller Abenteuer und Wunder zu reisen. Eine schöne Zeit, die ich nie vergessen werde.

Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com