Herrliche Zeitreise in die DDR: Mit dem Westradio zurück in die Jugend

Unser Autor hat im Internet ein Rundfunk-Portal entdeckt, das bei ihm viele Erinnerungen weckt.

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Mit dem Ost-Radio die Westsender hören: Viele Jugendliche in der DDR taten es.
Mit dem Ost-Radio die Westsender hören: Viele Jugendliche in der DDR taten es.Frank Sorge/imago

Wenn Sie diese Kolumne lesen, bin ich auf dem Wag nach Norwegen. Eine Urlaubstour, die für mich auch eine Zeitreise wird. Denn während der anderthalbtägigen Autofahrt ins Land der Fjorde werde ich viel Radio hören, das mich zurück in meine DDR-Jugend bringen wird.

Damit meine ich nicht die heutigen Sender, von denen einige sogar ab und zu einen Ost-Song spielen. Nein, ich habe jetzt eine Möglichkeit gefunden, wieder das echte Westradio zu hören – so wie früher!

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Das Rias-Logo, wie es einst am Sendergebäude in Schöneberg zu sehen war. Der Rundfunk im amerikanischen Sektor gehörte zu den beliebtesten Westsendern bei den Menschen in der DDR. Anfang der 1990er-Jahre war Schluss. 
Das Rias-Logo, wie es einst am Sendergebäude in Schöneberg zu sehen war. Der Rundfunk im amerikanischen Sektor gehörte zu den beliebtesten Westsendern bei den Menschen in der DDR. Anfang der 1990er-Jahre war Schluss. Jürgen Ritter/imago

Um die neusten Hits von drüben zu hören, habe ich wie einst viele in der DDR die Stationen des Klassenfeindes eingeschaltet. Eigentlich nur einen Sender – den Rias, von dem heute nur der private Nachfolger 94,3 rs2 existiert, der mit dem Original aber auch gar nichts mehr gemeinsam hat.

Aber der Rias hat im Internet überlebt. Vor allem mit seinen legendären Musiksendungen von damals, die die Jugend vieler Ostdeutscher geprägt haben.

Durch Zufall stieß ich auf das Online-Portal rias1.de. Unglaublich was ich auf dieser Seite entdeckte, die liebevoll von Radio-Fans gemacht wird. Ein riesiges Archiv mit Mitschnitten von Sendungen, die mich zurück in die Zeit katapultieren, in der ich als Kind und Jugendlicher Westradio hörte und die ich nun auf der Fahrt zu meinem Urlaubsort mittels Tablet wieder hören werde.

Er war Kult: Rias-Moderator Lord Knud auf einer Autogrammkarte.
Er war Kult: Rias-Moderator Lord Knud auf einer Autogrammkarte.RIAS/privat

Im Internet gibt’s wieder Westradio: Da werden DDR-Erinnerungen wach

Da wäre „Musik nach der Schule“ mit Dennis King und Gregor Rottschalk (bekannt auch als Sprecher und Texter der „Tabaluga“-Alben von Maffay), die mich bei meinen Schularbeiten begleiteten. Und natürlich „Schlager der Woche“ mit dem unvergessenen Lord Knud, der sogar Songs von Kiss, AC/DC bis hin zu Udo-Jürgens-Schlager spielte. Er war auch der Grund, warum ich mich immer auf die Ferien freute. Denn seine Späße und DDR-Witze in der Sendung „Evergreens a Go Go“ liefen stets am Sonnabendvormittag. Zu der Zeit ging man damals noch zur Schule.

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In dem Archiv gibt es Sendungen, mit denen ich sogar die Nächte am Radio verbrachte. Wie die Reihe  „Rock over Rias“, in der 1981 zum ersten Todestag von John Lennon bis zum frühen Morgen die Alben des Ex-Beatles liefen, ohne dass die Moderatoren auf die Titel quatschen. Denn die DDR-Hörer sollten bei fast allen Rias-Sendungen die Songs mitschneiden, die es im Osten nicht als Platte zu kaufen gab. Auch ich saß am Recorder und drückte fleißig die Aufnahmetasten.

Gehörten zu den Rias-Moderatoren-Stars: Dennis King (r.) und Gregor Rottschalk.
Gehörten zu den Rias-Moderatoren-Stars: Dennis King (r.) und Gregor Rottschalk.RIAS/privat

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Mitschnitte finden sich, die mich an Zeiten erinnern, als Familien noch mehr vor dem Radio als vor der Glotze saßen. Hörspielreihen wie „Damals war’s – Geschichten aus dem alten Berlin“ oder Ausschnitte aus der Radioquizsendung „Allein gegen Alle“ mit Hans Rosenthal, die ich als Kind mit meinen Eltern abends in unseren Ferienquartieren in Thüringen oder Sachsen hörte. Dank einer Drahtschnur, die als Extra-Antenne diente, empfing man auch dort über Mittelwelle den Feindsender.

Was ich mir zuerst auf der Fahrt anhören werde? Vielleicht sind es die Hörspiele über die Beatles von Barry Graves. Oder doch „Schlager der Woche“? Auf jeden Fall freue ich mich, viele Moderatoren wieder zu hören, die einst bei mir daheim per Radio zu Gast waren. Wie Nero Brandenburg (starb 2022), der nach dem Mauerfall dafür sorgte, dass DDR-Stars auch im Westen bekannt werden und sie bei Rias-Veranstaltungen auftreten ließ.

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Am liebsten würde ich alle Sendungen anhören. Doch es sind so viele, dafür reicht nicht einmal mein ganzer Urlaub. Dann werde ich, wenn ich wieder daheim bin, mit der Radio-Zeitreise in die Vergangenheit weitermachen. Denn so schöne Sendungen wie damals wird es nie wieder geben.

Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com