Haben Sie das gesehen? Wie die Triathletinnen bei den Olympischen Spielen in Paris durch die Seine gekrault sind. Sensationelle TV-Bilder von den Schwimmerinnen im Fluss, im Hintergrund thront der Eiffelturm. Die französische Hauptstadt hat ein Versprechen eingelöst. Zu Olympia ist der Fluss mitten in der Stadt bereit für das Spektakel im Wasser, die Seine ist beschwimmbar, wie Experten sagen. Auch wenn es dabei noch Unwägbarkeiten gibt, schaue ich mit etwas Neid nach Paris. Mitten in der Stadt ins Flusswasser springen, ein Traum, der auch Berlin gut stehen würde, wie ich finde.
Seit 1863 war das Schwimmen in der Seine verboten, wie der Sportbeauftragte der Stadt Paris, Pierre Rabadan, erinnert. In den vergangenen Jahren hat Frankreich 1,4 Milliarden Euro investiert, um die Seine aufzuhübschen. Es sollte verhindert werden, dass bei Starkregen mit den Wassermassen auch Toilettenabwässer in den Fluss gelangen. Ein Problem, das auch Berlin kennt.
Das Baden in der Seine soll nur an ausgewählten Stellen möglich sein
Trotz aller Bemühungen hängt das Austragen weiterer olympischer Freiwasserschwimmwettbewerbe noch am seidenen Faden, als ich diesen Text schreibe. Und auch künftig soll das Baden in der Seine nicht überall, sondern nur an ausgewählten Stellen erlaubt sein. Aber ein klarer Anfang ist gemacht.
In der deutschen Hauptstadt kann man sommers in Freibädern und Seen baden, in der Bundeswasserstraße Spree ist es verboten. Schon sehr lange. Sicherheit und Sauberkeit sind die Stichworte. Viele einst zur Stadt gehörende Flussbadeanstalten wurden in den 1920er Jahren dichtgemacht. Das Wasser war einfach zu dreckig. Seither müssen Badelustige den Fluss meiden.
Engagement für ein Flussbad im Berliner Spreekanal
Ich frage jemanden, dessen Thema das schon lange ist. Der Architekt und Künstler Jan Edler ist Vorstandsmitglied des Vereins Flussbad Berlin. Er und seine Mitstreiter setzen sich fürs Baden in der innerstädtischen Spree ein – seit 1998. Ihre Idee: Der etwa 1,9 Kilometer lange Spreekanal in der historischen Mitte Berlins soll Ort zum Schwimmen und Entspannen werden. Das Wasser soll über Ufertreppen zugänglich gemacht werden. Niemand muss sich dann im Wasser vor unzugänglichen, schroff und abweisend wirkenden Mauern am Ufer fürchten.

Der Verein hat schon ausprobiert, wie es anfühlt, durch die Spree zu kraulen. Etwa an seinen Flussbadetagen. Im Wasser machten Teilnehmer erstaunliche Erfahrungen, wie Edler berichtet. „Sie erlebten einen Perspektivwechsel auf die Stadt, der Fluss wird, wenn man in ihm schwimmt, nicht mehr als schwarz und dreckig wahrgenommen. Sondern als ein Teil des Lebensraums, als ein Stück Stadt für alle.“
Das ist nach Edlers Überzeugung auch wichtig mit Blick auf den Klimawandel und unerträglich heiße Tage in der zugebauten Stadt. Dann könnte der nahe Fluss ein für jeden erreichbarer Ort sein, um sich abzukühlen. Eine gerechte Vorstellung, ein Gewinn für die Stadtgesellschaft. Wie groß das Bedürfnis danach ist, sich den Fluss schon jetzt ein Stück zurückzuerobern, sieht Edler beispielsweise an den immer zahlreicher werdenden Stand-up- Paddlern auf Spree oder Landwehrkanal. Menschen lieben Wasser von alters her.
Das Wasser in der Spree ist an manchen Tagen „ausreichend“
Und wie sauber ist das Spreewasser in der Innenstadt? Besonders nach Starkregen leidet es unter den Überläufen aus der Mischwasserkanalisation. Aber an vielen anderen Tagen im Jahr sei die Qualität ausreichend, sagt Edler. Der Verein erprobt dazu gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum Wasser Berlin ein neues Monitoringsystem zur Wahrscheinlichkeit der Wasserqualität. Als ich mir am Sonnabend in den Abendstunden im Internet die Bewertung anschaue, lautet sie „ausreichend“, Baden wäre also theoretisch möglich.

Nun plant Deutschland, sich möglicherweise um die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele im Jahr 2040 zu bewerben. Bis dahin fließt zwar noch viel Wasser die Spree hinunter, aber das Schwimmen im Fluss mitten in der Stadt wird dann hoffentlich keine Sensation mehr sein.
Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
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