Kolumne: Wir von hier
Hornissen unterm Dach: Wie ich mich mit dröhnenden Besuchern arrangierte
Wo es viele Bienen, Wespen und andere Insekten gibt, da siedeln sich auch die Völker der großen Brummer gern mit ihrer Königin an.

Wir haben keine Geranien. Auf unserem Balkon blüht vielmehr allerlei, was wild aussieht und Insekten den Tisch deckt. Thymian, Majoran, Zitronenmelisse. Daneben recken sich Sonnenblumen in die Höhe, steht Lavendel und am Geländer kriechen Prunkwinden entlang. Alles nahrhafte Angebote für Bienen, Wespen und Co.. Im Sommer ist immer Betrieb rund um die Blüten, auch Hummeln schauen regelmäßig vorbei. Doch jetzt haben wir es wohl übertrieben mit den Offerten, denn nun kommen nicht eingeladene Gäste. An einem unzugänglichen Platz unterm Dach hat sich ein Hornissenvolk eingenistet.
Gemerkt haben wir das erst, als es eines Abends im erleuchteten Zimmer plötzlich ein laut brummendes Geräusch gab. Wir entdeckten ein nervös durch den Raum irrendes großes Insekt. Schnell haben wir es wegen seiner Größe und der teils rötlichen Färbung als Hornisse identifiziert. Wir fingen es mit einem Glas und einer Serviette ein und entließen es wieder in die Nacht. Am nächsten Tag stellte sich bei genauerem Suchen heraus, dass die Verwandten des lauten Besuchers an einer Ecke unterm Dach starten. Dort muss ihr Nest versteckt sein. Sehen kann man es nicht.

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Beim Experten beraten lassen
Mit etwas Sorge, aber noch viel mehr Neugierde rufe ich beim Hymenopterendienst des Berliner Naturschutzbundes (Nabu) an. Warum wir das Nest gerade jetzt im August entdeckt haben, frage ich den Hornissenspezialisten Dr. Stephan Härtel. Er erklärt, dass Königin und Volk wohl wegen Platzenge in ihrem alten Quartier hätten umziehen müssen. Bei uns unterm Dach hätten sie deshalb eine sogenannte Filiale aufgemacht. Und der Biologe sagt auch, dass wir keine Angst haben sollten und uns vielmehr freuen könnten über die neuen Nachbarn.
Denn wenn Hornissen sich ansiedelten, sei das ein Zeichen dafür, dass es in der Umgebung viele Insekten gebe. Die rotbraunen Brummer kämen auch nie an den gedeckten Kaffeetisch der Menschen, ein Kuchen sei keine Verführung für sie, beruhigt mich der Experte. Ihr Interesse gelte vielmehr Wespen und Fliegen, die Leibspeise ihrer Larven. Die Alten ernähren sich von Kohlenhydraten, Nektar etwa oder Baumsäften, wie der Experte erklärt.
Etwa 300 Hornissenberatungen macht der Berliner Nabu jährlich. In diesem Jahr sind es bereits jetzt so viele. Denn 2023 sei ein Hornissenjahr, weil die Witterung für viele Insekten gesorgt habe, weiß Härtel. Die meisten Menschen, die beim Nabu Hornissen-Hilfe suchten, hätten vor allem Angst. Auch weil sich um die Gefährlichkeit der Hornisse viele Mythen ranken. Dass der Volksmund immer noch behauptet, drei Hornissenstiche töten einen Erwachsenen und sieben ein Pferd, das sei einfach Unsinn, erklärt mir Härtel weiter. Wegen dieser Mär geht es auch heute noch so mancher Hornisse an ihren hübschen Kragen. Doch sie zu töten ist verboten, die Hornisse steht unter besonderem Artenschutz.
Hornissen sind friedfertig
Und wie ist das nun mit den Stichen? Hornissen seien friedfertig, suchten nicht die Nähe des Menschen und käme es ausnahmsweise doch mal zu einem Stich, stellte der keine besondere Gefahr dar, sagt der Experte. Das Gift der Hornisse sei nicht toxischer als das von Bienen- oder Wespen. Dramatisch könne ein Stich nur für Menschen mit Insektengiftallergie sein.
Das eigenmächtige Entfernen von Hornissennestern ist verboten, wer es dennoch versucht, muss in Berlin mit hohen Strafen rechnen. Umsiedelungen hingegen sind möglich. Doch ich möchte das Nest unterm Dach ja gar nicht loswerden. Ich möchte nur nicht, dass die Brummer in der Dunkelheit in die Wohnung kommen. Bei offenem Fenster Licht aus, empfiehlt Härtel, oder ein Gazefenster einziehen.
Schon bin ich geneigt mit dem kleinen Volk unterm Dach in friedliche Koexistenz zu treten. Doch wenn wir uns für den Rest dieses Sommers mit den Hornissen arrangieren, kommen sie dann im nächsten Jahr – weil es so nett mit uns war – wieder so nahe? Der Experte verneint. Und erklärt: Etwa Ende August stirbt die Königin. Im Oktober dann auch das Volk. Wenige königliche Nachfahren überwintern in Ritzen oder im Boden. Und im kommenden Jahr gilt: Neue Königin, neues Reich, neues Nest.
Da bleibe ich also gelassen und behalte das Glas nebst Serviette griffbereit – für den nächsten dröhnenden Besuch.
Claudia Pietsch schreibt jede Woche im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt zur Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com