Hertha-Kolumne

Zweite Amtszeit bei Hertha BSC: Darüber wollte Kay Bernstein noch reden

Der Präsident grübelte, ob er sich im Mai überhaupt noch einmal zur Wahl stellt. Die Entscheidung wollte er im Familienrat besprechen und im Mai verkünden. 

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Kay Bernstein starb am Dienstag im Alter von nur 43 Jahren. Ob er sich im Mai ein zweites Mal zur Wahl als Präsident von Hertha BSC stellen wollte, ließ er bis zuletzt offen. 
Kay Bernstein starb am Dienstag im Alter von nur 43 Jahren. Ob er sich im Mai ein zweites Mal zur Wahl als Präsident von Hertha BSC stellen wollte, ließ er bis zuletzt offen. City-Press

Ich habe die Texte nicht gezählt: Aber es müssen bislang um die 330 Hertha-Kolumnen gewesen sein, die ich seit knapp zehn Jahren geschrieben habe. Noch nie ist es mir so schwergefallen, den Text zu formulieren, wie in dieser Woche. Als ich die Nachricht vom Tod des Hertha-Präsidenten Kay Bernstein erfuhr, konnte ich es zuerst nicht glauben. Es war irgendwie unwirklich und passte nicht in die Gegenwart. Ich war traurig und lange Zeit sehr bedrückt.

Kay Bernstein habe ich zum ersten Mal persönlich kennengelernt, als er der Anführer der Ultras, der Harlekins, war und deshalb eine ganz große Nummer in der Ostkurve. Bekannt und auch ein wenig gefürchtet. Von Stadionverboten für ihn war die Rede und er mir aus der Ferne ein wenig suspekt. Es war in einem Trainingslager, als mir ein Fanbeauftragter der Hertha Kay vorstellte. Er war ganz anders, als ich mir einen typischen Ultra vorgestellt hatte: Höflich, freundlich und interessiert an meiner Arbeit als Reporter der Berliner Zeitung.

Für Kay Bernstein war Hertha BSC eine kleine Weltreise

Viel später erzählte er mir einmal, wie er als 14-Jähriger, der in Marzahn lebte, zum ersten Mal zu einem Hertha-Heimspiel ins Olympiastadion gefahren ist. Das war 1994. „Umsteigen in Springpfuhl, später am Alex und nochmal am Bahnhof Zoo – das war für mich ein großes Abenteuer, eine kleine Weltreise.“

Kay Bernstein, der Präsident von Hertha BSC, ist am Dienstag im Alter von nur 43 Jahren gestorben. 
Kay Bernstein, der Präsident von Hertha BSC, ist am Dienstag im Alter von nur 43 Jahren gestorben. dpa

Kay Bernstein, der begeisterte Fan und spätere Präsident und ich haben die Hertha fast dreißig Jahre „gemeinsam“ erlebt, aber aus verschiedenen Perspektiven: die Tristesse der Zweiten Liga Mitte der 1990er Jahre, den lang ersehnten Aufstieg, die Champions League, den Uefa-Cup, später drei Abstiege und zwei Aufstiege, unzählige Trainerwechsel…

Kay Bernstein ließ zweite Hertha-Amtszeit offen

Wir haben uns dann später aus den Augen verloren - bis zu seiner überraschenden Kandidatur als Präsident im Juni 2022. Als wir uns vor der Abstimmung auf den Gängen des City Cube trafen, umarmte er mich spontan und sagte: „Drück‘ mir die Daumen!“

Für das Sonderheft der Fußball-Woche trafen mein Kollege Horst Bläsig und ich den jungen Präsidenten im Sommer vorigen Jahres an einem historischen Tag zum Interview. Es war der 25. Juli, der 131. Geburtstag der Hertha. Auf die Frage, ob er 2024 noch einmal als Präsident kandidieren werde, antwortete er: „Das kann ich nicht sagen. Der Familienrat im Hause Bernstein wird im Sommer darüber reden, ob die Familie eine weitere Amtszeit aushält…“

Kay Bernstein war wie kein anderer Hertha-Präsident

Ich habe vor Kay sieben Hertha-Präsidenten hautnah erlebt – vom unvergessenen Heinz Warneke über den legendären Wolfgang Holst bis zum Langzeit-Chef Werner Gegenbauer. Kay führte den Verein wie kein anderer: nahbar, bodenständig, stets mit einem Lächeln im Gesicht, eloquent, brutal ehrlich, unbeirrbar. „Du kannst mich immer anrufen!“ sagte er einmal, obwohl er mehr als genug zu tun und so viele Probleme in kurzer Zeit zu bewältigen hatte wie kaum ein Verantwortlicher je zuvor. Wie er das meist gelöst hatte, fand ich bemerkenswert. Hertha hat den wunderbaren Schulterschluss zwischen Vereinsführung, Anhängerschaft und Mannschaft vornehmlich ihm zu verdanken.

Als ich Ende März vorigen Jahres mein Buch „Nur nach Hause geh`n wir nicht – 30 Jahre Frank Zanders Hertha-Hymne“ in der Neuköllner Fan-Kneipe „Rosel“ zusammen mit Urgestein Frank vorstellte, kam Kay Bernstein gemeinsam mit Geschäftsführer Tom Herrich vorbei. Unter den Gästen – vielen ehemaligen Hertha-Profis, Fans und Journalisten – fühlte er sich heimisch, sang gemeinsam mit allen voller Inbrunst die Hymne und trank das Schultheiss-Bier aus den berühmten Kugel-Gläsern. Der Präsident wollte damals nicht so schnell nach Hause (oder besser in die Geschäftsstelle) zurückgehen. Es war die Hertha-Familie, die in der Eckkneipe in Kleinformat zusammen saß, in der er sich so wohl fühlte. An den Gedanken, dass er nun für immer fehlen wird, muss man sich erst gewöhnen.