Der Schock über den plötzlichen Tod von Kay Bernstein (43) stürzt Hertha BSC in eine schwere Krise. Das Vermächtnis des Präsidenten ist groß. Bernstein krempelte den Klub in kürzester Zeit um, vereinte die zerstrittene blau-weiße Familie und sorgte dafür, dass Hertha BSC über die Stadtgrenzen hinaus wieder geliebt statt nur noch belächelt wird. Wie es nun weitergehen soll? In der Trauer wird klar: Jetzt müssen alle Herthaner Kay Bernstein sein!
Der Schmerz über den tragischen Verlust des Präsidenten versetzt Hertha BSC in Schockstarre. Die blau-weiße Mitteilung über den unerwarteten Tod Bernsteins war nur vier Sätze lang. Die Pflicht, Bernsteins Erbe zu verwalten, wird für Hertha dagegen zur Mammutaufgabe.
570 Tage war der im sächsischen Marienberg geborene und in Berlin-Marzahn aufgewachsene Unternehmer bei Hertha BSC im Amt, sorgte für viele und besonders das sogenannte Establishment mit seiner Wahl zum Präsidenten im Juni 2022 für eine große Überraschung.
Kay Bernstein sprach nicht nur Hertha-Fans aus dem Herzen
Bernstein punktete mit seiner offenen, nahbaren Art. Mit seinen rhetorischen Fähigkeiten als Gründer einer Event- und Kommunikationsagentur. Vor allem aber überzeugte Bernstein Hertha-Mitglieder wie Fußball-Fans mit seinen meist anti-kommerziellen Ideen.
So stellte sich Bernstein gegen ausufernde Beraterhonorare, forderte eine Gehaltsobergrenze und eine Minimierung der Abhängigkeit von TV-Geldern genauso wie eine Rückkehr zur Kern-Anstoßzeit am Samstag um 15.30 Uhr. Mit seiner Bewegung sprach Bernstein vielen Fans, Klubs und Menschen aus dem Herzen.
Kay Bernstein krempelte Hertha BSC um
Vorbehalte gegen ihn, den ehemaligen Vorsänger aus der Ostkurve und Gründer der Ultra-Gruppierung Harlekins 98, trat Bernstein bereits am Tag seiner Wahl entgegen. „Lasst uns auf die Leute zugehen und mit ihnen reden. Darauf wird es ankommen“, sagte er damals im City Cube. Die Wahl zum Präsidenten sei für ihn Ehre und Pflicht zugleich: „Ich werde alles tun, um euer Vertrauen zu erfüllen. Hertha - das sind wir alle!“

Der Erfolg gab ihm recht. Nach Bernsteins Wahl wirkte der Verein wie ausgewechselt, Aufbruchstimmung machte sich breit. Dabei waren die Probleme und die Sorgen groß. Sehr groß.
Hertha-Präsident Kay Bernstein gönnte sich kaum Pausen
Der Größenwahn unter Bernsteins zurückgetretenem Vorgänger Werner Gegenbauer und vor allem Skandal-Investor Lars Windhorst sorgten jahrelange für Schlagzeilen und stürzte den Verein ins Chaos und kurz nach Bernsteins Amtsübernahme fast in den Ruin.
Dazu kam die Spionage-Affäre um Windhorst und die darauffolgende Trennung von dem Investor, der Zoff und der Rauswurf mit Manager Fredi Bobic und der siebte Abstieg der Vereinsgeschichte. Die überlebenswichtigen Deals mit dem US-Investor 777 Partners und einem Sportwettenanbieter als Hauptsponsor ging Bernstein zähneknirschend nur deswegen ein, weil es Hertha vergangenen Sommer drohte, aufgrund der finanziellen Schieflage in die Regionalliga versetzt zu werden.
Wer Bernstein zu dieser Zeit sprach oder traf, merkte schnell, wie sehr er sich in die Arbeit mit Herzblut und Schweiß stürzte. Wie oft er an die vermeintlichen Grenzen des knallharten Fußballbusiness stieß. Und wie wenig Pausen er sich gönnte.
Kay Bernstein verpasste Hertha BSC ein neues Image
Dennoch schaffte er es, Herthas Schmuddel-Image nicht nur aufzupolieren, sondern dem ganzen Verein und dem Umfeld neues Leben einzuhauchen. Die Fans standen dank Bernstein bedingungslos hinter der Mannschaft und dem von ihrem Präsidenten ausgerufenen „Berliner Weg“, dem Ansatz, vernünftig zu wirtschaften und auf die Talente der eigenen Akademie zu setzen.
„Hertha BSC“ sagte Trainer Pal Dardai kurz vor Weihnachten, „wird wieder geliebt. Die Menschen spüren, dass die Jungs ackern und diese Mannschaft einen Teamgeist und eine Seele hat. Das macht uns stolz, aber deshalb müssen wir auch dranbleiben.“
Kay Bernsteins Erbe: Bei Hertha BSC sind alle gefragt
Bernstein selbst hatte sich am Silvestertag letztmals und voller Hoffnung für das neue Jahr an die Hertha-Fans gewandt: „Mein Wunsch für 2024: Lasst uns diese Gemeinschaft pflegen und stärken, um daraus Kraft zu gewinnen, die uns nicht nur träumen, sondern auch Ziele erreichen lässt. Lasst uns aber auch nicht müde werden, den Finger in die Wunde zu legen. Lasst uns den Mut haben, besser zu werden.“
Das Erbe Bernsteins, seine Zuversicht, seine Visionen und gleichzeitige Bodenhaftung, fortzuführen, ist keine Aufgabe für einen allein. Da müssen alle ran. ■