Hertha-Kolumne

Viel Arbeit für Fiel: Hertha BSC kann sich Fehlstart nicht leisten!

Auftaktpleiten sind ein blau-weißes Phänomen. Doch weder Hertha noch Cheftrainer Cristian Fiel sind zum Siegen verdammt.

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Hertha-Trainer Cristian Fiel (44) erlebte mit dem 0:1 gegen Paderborn einen Fehlstart. Damit kennt man sich bei Hertha BSC bereits aus.
Hertha-Trainer Cristian Fiel (44) erlebte mit dem 0:1 gegen Paderborn einen Fehlstart. Damit kennt man sich bei Hertha BSC bereits aus.Matthias Koch/imago

Die Erwartungen vor dem ersten Spiel der neuen Saison waren riesig, die Enttäuschung nach der folgenden 1:2-Niederlage gegen den SC Paderborn enorm. Zwar hatten die härtesten Fans in der Ostkurve des Olympiastadions die Mannschaft trotzig mit Applaus und aufmunternden Worten verabschiedet, aber der allgemeine Tenor unter den 48.000 Zuschauern lautete anders. Als ich mich auf den Heimweg Richtung S-Bahn begab, hörte ich vor allem immer einen Satz: „Das war heute gar nichts!“

Solche Spiele passieren immer mal wieder, aber ein solcher Auftritt am ersten Spieltag unter einem neuen Cheftrainer mit neuer Spielidee ist dann doch frustrierend. Hertha ist nach dem Abstieg im Mai 2023 im zweiten Jahr in der Zweitklassigkeit vor allem aus wirtschaftlichen Gründen zum Aufstieg verdammt.

Zweite Liga für Hertha BSC wenig attraktiv

Es ist durchaus kurios: Hertha spielt in einer boomenden Liga, freute sich zuletzt über 50.000 Fans im Schnitt bei den Heimspielen, von denen viele Anhänger wegen der Ansammlung großer Traditionsvereine diese Spielklasse als attraktiver ansehen als die Erste Liga. Der Grund: Dort agieren immer mehr „Kleine“ wie Kiel, Heidenheim oder auch St. Pauli und zudem Teams wie Augsburg, Wolfsburg und Hoffenheim, die wenig Glanz und Gloria versprühen. Dennoch will und muss man zurück ins Oberhaus – das kann nur der Anspruch sein.

Hertha-Trainer Cristian Fiel (44)
Hertha-Trainer Cristian Fiel (44)Matthias Koch/imago

In der vorigen Woche, exakt am 2. August, feierte die Zweite Liga ihren 50. Geburtstag. Hertha verbrachte nur 16 Jahre davon im Unterhaus. Als am 2. August 1974 die neu geschaffene Zweite Liga in zwei Staffeln – 2. Liga Nord und 2. Liga Süd – mit je 20 Mannschaften startete, gewann der 1. FC Saarbrücken das Auftaktspiel mit 1:0 gegen Darmstadt 98. Im Schnitt besuchten damals 6628 Zuschauer die Partien – in der Saison 2023/24 waren es bärenstarke 28.796.

Hertha BSC verpasst den direkten Wiederaufstieg

Den Verein Hertha BSC kümmerte der Start der Zweiten Liga im Sommer vor 50 Jahren überhaupt nicht. Man gehörte schließlich zur Beletage des deutschen Fußballs. Das Team begann die Saison am 24. August 1974 mit einem 3:3 im Olympiastadion gegen Fortuna Düsseldorf. Unter Cheftrainer Georg Keßler, genannt „Sir“, feierte die exzellente Mannschaft um Erich Beer, Uwe Kliemann, Hanne Weiner und Detlev Szymanek sogar die Vizemeisterschaft hinter Krösus Borussia Mönchengladbach – bis heute der größte Erfolg.

50 Jahre später kann der Traditionsverein von solchen Erfolgen nur träumen. Siebenmal stürzte man in die Zweite Liga ab. Die beiden Abstiege 2010 und 2012 konnten noch als „Betriebsunfälle“ abgetan werden. Es folgten postwendend die Wiederaufstiege. Beide Male mit grandiosen Leistungen – zuerst unter Trainer Markus Babbel und später unter dem Niederländer Jos Luhukay.

Hertha BSC kann sich Fehlstart nicht leisten

Für mich als Reporter waren das auch sehr schöne Zeiten, denn die Mannschaft eilte von Sieg zu Sieg und thronte meist an der Spitze der Tabelle. Damals gelangte man allerdings leichter wieder nach oben als heute. Die Konkurrenzdichte war nicht so extrem hoch und Herthas Mannschaften mit starken Individualisten und erfahrenen Strategen gespickt. Der letzte Abstieg im Mai 2023 war dann die logische Konsequenz nach der Phase des Größenwahns unter dem Etikett „Big City Club“.

In der nun laufenden Spielzeit sieht Herthas Sportdirektor Benjamin Weber „sechs, sieben, acht Mannschaften“ um den Aufstieg streiten – inklusive Hertha BSC. Unter dem neuen Cheftrainer Cristian Fiel soll vieles besser werden als unter Klublegende Pal Dardai. So hoffen es jedenfalls die Verantwortlichen. Doch Fiel (44) erlebte nun sofort ein Berliner Phänomen, was auch seine zahlreichen Vorgänger regelmäßig verzweifeln ließ: Nach starken Leistungen im Training folgten schwache Auftritte im folgenden Spiel. Eine schlüssige Erklärung nach dem ernüchternden Auftakt hatte der Cheftrainer nicht sofort parat. Ich hoffe, er überwindet die erste kurze Sprachlosigkeit schnell. Einen Fehlstart wie im Vorjahr kann sich Hertha nicht leisten. ■