Hertha BSC will oder muss zurück in die Bundesliga. Nach der 1:2-Auftaktpleite gegen den SC Paderborn zum Saisonstart steht jetzt schon fest: Aufstiegsträume? Die Messlatte wird zur blau-weißen Stresslatte!
Die Vorfreude auf die neue Saison war riesig. Doch mit dem Anpfiff im Olympiastadion lähmte der Erfolgsdruck manche Spieler. Alles, was in der Sommervorbereitung schon gut klappte, war nicht mehr zu sehen. Dominanter Ballbesitz, Pressing, schnelles Offensivspiel und eine sichere Abwehr – nichts war mehr da.
Statt ein positives Siegesgefühl gibt es jetzt erst mal Fragezeichen. Der neue Hertha-Trainer Cristian Fiel spricht am Sonntag, einen Tag nach dem Fehlstart, ehrlich das aus, was alle im Olympiastadion gespürt haben: „Vorbereitung ist Vorbereitung. Dann ist Pflichtspiel im vollen Stadion, und das ist dann noch mal was anderes. Wir haben es nicht auf die Platte gekriegt. Ich glaube, der eine oder andere Spieler hat zu viel nachgedacht, sich auch zu viel Druck gemacht.“
Hertha-Coach Fiel: „Der eine oder andere hat sich zu viel Druck gemacht“

Es wird ein Dauer-Gefühlsspagat zwischen Leichtigkeit und Erwartungsdruck in dieser Saison. Der blau-weiße Aufstiegsvogel hätte gegen die cleveren Paderborner in der 24. Minute zum Höhenflug abheben können, wenn Stürmer Haris Tabakovic das 1:0 gemacht hätte. Sein Schuss krachte aber nur an den Pfosten. Hätte es eine bessere Abstimmung bei Paderborns Ecke zwischen Marton Dardai und Tabakovic gegeben, hätte Felix Götze nie das 1:0 (42.) gemacht. Hätte es keine Fehlerkette vor dem 0:2 durch Filip Bilbija gegeben, dann …
Hätte, wäre, wenn. Es ist der Konjunktiv der Verlierer. Beim ersten Spiel gescheitert am Erfolgsdruck. Fiel sagt zu dem seit Jahren bestehenden kollektiven Psychoproblem im Team: „Die Jungs sollen sich auf das konzentrieren, was sie mit Abstand am besten können: Fußball spielen. Ich versuche ihnen da zu helfen, wo ich kann. Wir sind bei einem großen Verein, wo Forderungen einfach gestellt werden. Aber es ändert nichts: Wir können nur versuchen, tagtäglich unser Bestes zu bringen.“
Fiels Vorgänger Pal Dardai mied vergangene Saison lange das Wort „Aufstieg“, um nicht den Druck auf die Mannschaft zu erhöhen. Jetzt sieht es anders aus. Der Ungar kritisierte auch öffentlich Spieler, wenn sie etwas falsch gemacht hatten. Das macht Fiel nicht. „Was ich jetzt nicht will, ist, über einzelne Spieler zu sprechen“, schützt er alle und ergänzt: „Wenn, dann leide ich mit den Jungs mit, weil ich weiß, wie hart sie gearbeitet haben und auch alles versucht haben, das Spiel zu gewinnen. Aber wir haben mit Ball nicht das gezeigt, was die Jungs zu 100 Prozent zu leisten fähig sind. Das ist ganz klar.“
Fiel: Einzelgespräch mit Cuisance

Für diese Woche kündigt er Vier-Augen-Gespräche mit einigen Spielern an. „Sicher werde ich mit dem einen oder anderen Spieler sprechen, wo ich das Gefühl habe, vielleicht denkt er ein wenig zu viel“, sagt Fiel. Redebedarf gibt es vor allen Dingen bei Neuzugang Michael Cuisance. In der Vorbereitung spielt der französische Mittelfeldspieler überragend, mit tollen Steckpässen und gutem Auge für die Mitspieler.
Gegen Paderborn war er wirkungslos. Fiel: „Mika hat schon andere Leistungen gezeigt. Das wissen wir alle. Er ist ein außergewöhnlich guter Fußballer, der unfassbar viel investiert. Er hat schon bessere Spiele gemacht. Bei ihm mache ich mir keine Gedanken. Er will es immer so gut wie möglich machen.“
Vielleicht hat aber genau das Cuisance verkrampfen lassen. Es ist eben ein Unterschied zwischen dem VfL Osnabrück und einer Riesenkulisse im Olympiastadion. Sonnabend spielt Hertha beim HSV. Vielleicht ein Vorteil: Die Blau-Weißen sind nach der Auftaktpleite nur noch Underdog gegen die Hanseaten. Fiels Schlusswort: „Ab Dienstag arbeiten wir hart, um es in Hamburg besser zu machen.“ ■