Bevor Hertha Ende Januar in die „Woche der Wahrheit“ ging mit den Duellen im DFB-Pokal gegen den 1. FC Kaiserslautern und in der Liga gegen Aufstiegsanwärter Hamburger SV, unkte eine große Boulevardzeitung „Verspielt Hertha alles in vier Tagen?“.
Herthas Träume platzen in nur vier Tagen
Nun ist es tatsächlich so gekommen. Zuerst platzte der ewige Traum vom Pokalfinale im eigenen Stadion nach einem mutlosen Auftritt jäh und mit voller Wucht. Danach ließ die Niederlage gegen den starken HSV die heimliche Hoffnung nach dem sofortigen Wiederaufstieg, die auch ich immer hatte, als unrealistisch erscheinen. Tritt jetzt eine riesengroße Leere ein? Es stellt sich die Frage: Wie geht es weiter mit der Mannschaft, mit dem gesamten Verein, der seit Jahresbeginn dramatische Ereignisse verarbeiten musste?
Anbei einige Zahlen, die den enormen Rückhalt zeigen, den die Mannschaft und der Klub, der nie zur Ruhe kommt, besitzt:
Hertha BSC boomt in der Zweiten Liga
52.000 Mitglieder zählt der Verein. 457.352 Anhänger besuchten die bisherigen zehn Heimspiele in der Zweiten Liga im Olympiastadion, was den stattlichen Schnitt von 45.735 Zuschauern bedeutet. Dazu kamen 162.362 Zuschauer zu den drei Heimspielen im DFB-Pokal gegen Mainz 05, den Hamburger SV und den 1. FC Kaiserlautern – im Schnitt 54.120 Fußballfans!

Zu den Auswärtsspielen begleiteten meist rund 4.000 Hertha-Fans die Mannschaft, beim 2:2 bei Konkurrent Hannover 96 reisten 10.000 blau-weiße Anhänger in die Landeshauptstadt von Niedersachsen. Der langjährige Fanbeauftragte Andreas Blaszyk sagte mir: „Das Gästekontingent von 10 Prozent der Tickets haben wir immer total ausgefüllt und meist überboten!“
Greift Hertha BSC noch mal ins Aufstiegsrennen ein?
Mit dieser unglaublichen Zuneigung, die auch maßgeblich durch das Wirken des plötzlich verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein nach Zeiten der Entfremdung neu entfacht wurde, müssen die Verantwortlichen sorgfältig umgehen und die Anhängerschaft pflegen – gerade auch, wenn es sportlich nicht läuft wie erträumt.

Von einer Leere und Ziellosigkeit in der aktuellen Situation will niemand in Herthas Führung sprechen, eher von Enttäuschung. Den Januar wolle man schnell abhaken und stabil ins Punkten kommen, heißt es. In dieser verrückten Zweiten Liga ist ja vieles möglich, auch überraschende Aufholjagden. Hertha, davon kann man ausgehen, kann nicht das Ziel haben, die Saison auf Rang 9 oder 12 zu beenden.
Hertha BSC muss den Tod von Kay Bernstein überwinden
Ich habe mich mit dem erfahrenen Mentalcoach Dr. Gerd Driehorst ausgetauscht, der seit 1997 Hertha-Mitglied ist und Übereinstimmung in allen Fragen festgestellt. „Auch wenn es hart klingt, die Trauerphase um Kay Bernstein muss jetzt abgeschlossen sein, eine neue Phase muss beginnen mit viel Arbeit, Arbeit, Arbeit“, sagt Driehorst. Und: „Man muss ganz schnell den Abstand nach unten vergrößern!“
Bei all den enormen sportlichen Aufgaben sollte Hertha möglichst frühzeitig einige Schlüsselpersonalien klären, um langfristig planen zu können. Das gilt für den Vertrag mit Geschäftsführer Tom Herrich (59), der im Oktober ausläuft. Herrich trägt seit vielen Monaten die Hauptlast der Verantwortung. Auch der Cheftrainer-Kontrakt mit Pal Dardai (47) läuft am Saisonende aus. Und was wird aus Unterschiedsspieler Fabian Reese (26/Vertrag bis 2026), der bei Nichtaufstieg kaum zu halten sein wird?
Fabian Reese fordert Zusammenhalt bei Hertha BSC
Der aber betätigte sich gerade jetzt als Mutmacher und schrieb auf Instagram an die Fans u.a.: „Die vergangenen Wochen waren nicht einfach für uns. Ihr kennt mich und wisst, wie ehrgeizig ich bin und könnt euch vorstellen, wie es in mir aussieht… Ich kann nur sagen, dass wir alles dafür tun, um wieder zurück in die Spur zu kommen. Hoffentlich kann ich schon bald auch wieder 90 Minuten dabei mithelfen. Lasst uns zusammenstehen.“
Ich kann mich nicht erinnern, dass sich in den zurückliegenden Jahren mit einer sportlichen Krise nach der anderen ein Hertha-Profi in dieser Form an die Fans und damit an die Öffentlichkeit gewandt hat. Das ist absolut bemerkenswert! Klasse, Fabian Reese! ■