Ultras gegen Politikpläne

Wieder Tennisbälle? Jetzt droht der nächste Fan-Protest im Winter

Bei Herthas 1:0-Heimsieg gegen Braunschweig schwiegen die Fans aus Protest für zwölf Minuten. Ist es die Ruhe vor dem Sturm?

Author - Wolfgang Heise
Teilen
Der Fan-Protest im Winter 2023/2024: Die Tennisbälle flogen wie hier im Olympiastadion auf den Rasen, die Spiele mussten immer wieder unterbrochen werden.
Der Fan-Protest im Winter 2023/2024: Die Tennisbälle flogen wie hier im Olympiastadion auf den Rasen, die Spiele mussten immer wieder unterbrochen werden.IMAGO/Sebastian Räppold/Matthias Koch

Das Spiel von Hertha BSC gegen Eintracht Braunschweig (1:0) war der Auftakt eines neuen Fan-Protests – 12 Schweigeminuten. Er ist von der Ultraszene bundesweit organisiert. Sonnabend geht er in allen Bundesliga-Stadien weiter. Es geht um die Bundesinnenminister-Konferenz vom 3. bis 5. Dezember. Dort sollen strengere Regeln für den Stadionbesuch beschlossen werden. Die Fans wehren sich dagegen. Sind diese 12 Minuten nur die Ruhe vor dem Sturm? Dem deutschen Fußball drohen wieder Tennisballschlachten und Spielunterbrechungen wie vor zwei Jahren.

Im Winter 2023/24 galt der bundesweite Protest der Anhänger den DFL-Investor-Plänen, die im März von der DFL selbst wieder einkassiert wurden. Ab November 2023 fing das Werfen von Gegenständen aus Spielfeld an, erst mit Schoko-Münztalern, dann mit Tennisbällen, sogar ferngesteuerte Spielzeugautos fuhren über den Rasen.

Die Spiele standen immer kurz vor dem Abbruch, es blieb aber immer bei Unterbrechungsorgien, die teilweise über 30 Minuten gingen. Beendet wurden die Tennisballschlachten erst, als die DFL ihre schon beschlossenen Investoren-Pläne zurücknahm. Wie geht es diesmal aus?

Winter 23/24: Fanproteste gegen DFL-Investorenpläne

Hertha-Ordner als Tennisballsammler. So war es vor zwei Jahren, als die Fans gegen die Investoren-Pläne der DFL protestierten.
Hertha-Ordner als Tennisballsammler. So war es vor zwei Jahren, als die Fans gegen die Investoren-Pläne der DFL protestierten.IMAGO/Daniel Lakomski

Die Fanszene beklagt seit Jahren, dass es keinen echten Dialog zwischen den Fußballfunktionären und der Politik gibt. Und dass die geplanten restriktiven Maßnahmen die Fußballkultur kaputt machen. Im Detail geht es um personalisierte Eintrittskarten und härtere Stadionverbote. Vergangenes Wochenende gab es in der DFB-Gründungsstadt Leipzig eine Demonstration der Ultra-Szene. Die von der Polizei befürchteten Krawalle gab es nicht. Die rivalisierenden Anhänger der Klubs marschierten gemeinsam und waren friedlich.

Ultras klagen gegen Politikpläne: „Dystopisches Szenario“

In einem Schreiben kündigten die organisierten Fans an: „Letztes Wochenende noch mit wehenden Fahnen und Gesängen in der Leipziger Innenstadt, heute ohne Material und ohne Support in den Kurven. Wir werden die ersten 12 Spielminuten schweigend verbringen.“ Weiter hieß es in dem Schweigeaufruf: „Noch ist es ein dystopisches Szenario, setzt die Innenministerkonferenz ihre Pläne um, wäre eben dieses Szenario schon am ersten Dezemberwochenende die neue Wirklichkeit.“

Herthas Fans blieben im Olympiastadion stumm. Hertha-Geschäftsführer Dr. Peter Görlich sieht die Entwicklung mit Sorge und will die Belange der Fans gegen die geplanten Sicherheitsmaßnahmen der Politik in deutschen Stadien unterstützen. „Wir haben erlebt, was wir nicht wollen, die ersten zwölf Minuten. Das ist genau das, was wir eigentlich nicht als Fußballkultur verstehen. In der Demokratie ist das letzte Wort nie gesprochen. Also dürfen sie sich auch artikulieren, solange das respektvoll abläuft. Sie haben Kritik geübt, das dürfen sie.“

Hertha-Boss Görlich: „Fans dürfen Kritik üben“

Hertha-Geschäftsführer Dr. Peter Görlich will mit Diplomatie zwischen Fans und Politik vermitteln.
Hertha-Geschäftsführer Dr. Peter Görlich will mit Diplomatie zwischen Fans und Politik vermitteln.IMAGO/Sebastian Räppold/Matthias Koch

Der neue blau-weiße Macher belässt es aber nicht bei Worten: „Wir arbeiten sehr intensiv daran, dass wir unseren Einfluss geltend machen können.“ Beim Hertha-Spiel waren auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) zu Besuch. „Das sind schon Themen, die wir gemeinsam mit denen machen, wo wir unseren Einfluss auch geltend machen und uns auch tatsächlich dahin positionieren, dass wir die Fußballkultur in der eigentlichen Form beibehalten wollen“, sagte Görlich.

Ob die Diplomatie zwischen Vereinen, DFB und Politik hilft, wird sich bei der Innenministerkonferenz zeigen. Wenn nicht, droht wieder ein monatelanger Protestwinter in den deutschen Stadien.

Wie ist Ihre Meinung dazu? Bitte schreiben Sie uns: leser-bk@berlinerverlag.com