Am zurückliegenden Wochenende erlebte der gebürtige Franzose Myziane Maolida einen ungeheuren Karrieresprung: vom Regionalliga-Kicker zum Nationalspieler! Der 24-jährige Stürmer, einst von OGC Nizza nach Berlin gekommen, war wegen schwacher Leistungen und lascher Einstellung von Hertha-Trainer Pal Dardai schon vor Wochen in die U23 in Liga vier verbannt worden und gilt als Verkaufskandidat in der Winterpause.
Nun verhalf ihm der italienische Trainer-Globetrotter Stefano Cusin, erst seit Oktober Chefcoach der Nationalmannschaft der Komoren, zum Länderspiel-Debüt für den kleinen ostafrikanischen Inselstaat. Myzianes Mutter stammt von dort. Beim 4:2-Sieg in der WM-Qualifikation gegen die Zentralafrikanische Republik traf Maolida sogar zum zwischenzeitlichen 4:1. In der Fifa-Weltrangliste stehen die Komoren auf Platz 128. Kleine geografische Hilfestellung: Die Komoren liegen rund 7700 Kilometer von Berlin entfernt im Indischen Ozean zwischen Mosambik und der Insel Madagaskar. Flugzeit: über 18 Stunden!
Für Hertha BSC spielte bereits früh ein Thailänder
Als ich mich mit Maolidas kurioser Entwicklung beschäftigte, musste ich an andere ehemalige Hertha-Profis denken, die vor vielen Jahren aus fernen Ländern nach Berlin kamen, die damals im Weltfußball keine Rolle spielten – so wie heute die Komoren.
Meine Nummer eins in dieser Kategorie ist Vithaya Laohakul. Der spielte im damaligen Fußball-Niemandsland Thailand eine herausragende Rolle und suchte 1979 sein Glück in Berlin. Hertha-Präsident Wolfgang Holst ging ins Risiko und gab ihm einen Vertrag. Im Dezember 1979 spielte Laohakul zum ersten Mal in der Bundesliga. Er war der erste Thailänder im deutschen Profifußball. 1980/81 dann wieder ein Novum: Yasuhiko Okudera, 1977 der erste Japaner in der Liga beim 1. FC Köln, wechselte zu Hertha. In der Zweitliga-Saison 1980/81 schoss er in 25 Spielen acht Tore – und avancierte natürlich zum ersten Japaner bei Hertha BSC. Laohakul und Okudera wurden gestandene Nationalspieler.

Auch andere ausländische Internationale, die Hertha viel später unter Vertrag nahm, wiesen Besonderheiten auf, wie etwa doppelte Staatsbürgerschaften. Abwehrmann Josip Simunic (105 Länderspiele für Kroatien) wurde in Canberra geboren und besitzt auch den australischen Pass. Nikita Rukavytsya, in der Ukraine aufgewachsen, spielte nach dem Umzug seiner Familie nach Perth international für Australien. Und Sergej Mandreko, geboren in Kurgan-Tube in Tadschikistan, lief sogar für drei Nationalteams auf: für den UdSSR-Nachfolger GUS, für Tadschikistan und für Russland. Der ehemalige Herthaner starb im März 2022 an ALS im Alter von 50 Jahren.
Ein Top-Sommerzugang bei Hertha BSC, der 1,94-Meter-Sturmriese Haris Tabakovic, besitzt ebenfalls wie die Genannten zwei Pässe. Der Torjäger wurde in der Schweiz geboren, seine Eltern waren einst aus Bosnien geflüchtet. Wie Maolida kam auch er am Wochenende zu seinem ersten A-Länderspiel für Bosnien-Herzegowina. Beim 1:4 in Luxemburg verlief sein Debüt aber nicht wie gewünscht. Für mich ist der einsatzstarke Mann mit eingebauter Torgarantie – vorausgesetzt, er macht in Berlin so weiter – ein legitimer Nachfolger der ehemaligen Mittelstürmer Vedad Ibisevic und Marco Pantelic. Die stiegen einst zu Publikumslieblingen auf.
Rudi Völler sorgte mit Herthas Arne Friedrich für ein Novum
Hertha BSC hat im aktuellen Kader stattliche zehn ausländische Profis mit Länderspiel-Erfahrungen. Wann es ein deutscher, vielleicht sogar ein gebürtiger Berliner Profi von Hertha, ins A-Nationalteam schafft, steht noch in den Sternen. In der Rangliste der deutschen Vereine kommt Hertha BSC im Moment auf 224 Länderspiel-Berufungen, verteilt auf 28 Nationalspieler. Der letzte Profi, der als Herthaner zum Nationalspieler aufstieg, war 2017 Marvin Plattenhardt. Der ist seit Herthas Abstieg allerdings vereinslos.
An der Spitze thront Arne Friedrich, der 79 seiner insgesamt 82 Länderspiele als Hertha-Spieler bestritt. Auch der ehemalige Kapitän sorgte für ein Novum: Im August 2002 berief ihn DFB-Teamchef Rudi Völler nach lediglich zwei Bundesliga-Spielen für Hertha ins Nationalteam. Sein Einsatz beim 2:2 in Sofia gegen Bulgarien war der Beginn einer großen Karriere. ■