Sonntag ist Präsidentenwahl

Hertha BSC sucht Boss: Turbo-Wahl oder Schneckentempo?

Hertha wählt seinen neuen Präsidenten. Doch was passiert, wenn er im zweiten Wahlgang nicht feststeht?

Author - Wolfgang Heise
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Herthas Interimsboss Fabian Drescher will sich Sonntag zum Präsidenten wählen lassen. Schafft er es und wenn ja, wie schnell?
Herthas Interimsboss Fabian Drescher will sich Sonntag zum Präsidenten wählen lassen. Schafft er es und wenn ja, wie schnell?Imago Images/Koch

Es ist 875 Tage her! Hertha BSC wagte die Revolution. Nach Jahren der Misswirtschaft übernahmen die Fans aus der Ostkurve die Macht. Der Ex-Ultra Kay Bernstein eroberte die blau-weißen Herzen und wurde am 26. Juni 2022 zum Präsidenten gewählt. Der Schock folgte am 16. Januar 2024. Bernstein verstarb völlig überraschend mit 43 Jahren. Sonntag soll ab 11 Uhr im City Cube auf dem Messegelände sein Nachfolger gewählt werden. Wird es eine Turbowahl oder bekommt Hertha seinen neuen Boss im Schneckentempo?

Herthas Vereinssatzung hat es nämlich beim Wahlprozedere in sich. Erstens: Es zählt nicht die einfache Mehrheit, sondern die absolute. Das heißt ein Kandidat muss über 50 Prozent der Stimmen der wahlberechtigten Mitglieder bekommen. Berechtigt sind nur anwesende Mitglieder der Versammlung.

Zweitens: Erreicht keiner der fünf Kandidaten die absolute Mehrheit, gibt es einen zweiten Wahlgang. Die Lager von chancenlosen Kandidaten können sich dann den Favoriten anschließen und sie beim zweiten Durchgang wählen.

Drittens: Gibt es dann noch immer keinen gewählten Präsidenten, wird eine neue Mitgliederversammlung mit einer weiteren Wahl ausgerufen. Das wäre dann Schneckentempo.

Ohne absolute Mehrheit gibt es Neuwahlen

Herthas Mitglieder wählen Sonntag ihren neuen Präsidenten.
Herthas Mitglieder wählen Sonntag ihren neuen Präsidenten.Imago Images/nordphoto/Engler

Vor zweieinhalb Jahren wurde der verstorbene Bernstein im Turbotempo gewählt. Im ersten Wahlgang holte er mit 1670 Stimmen die absolute Mehrheit. Es lag aber nicht nur an seiner Rede, an seiner begeisterungsfähigen Aura. Es lag auch an den Gegenkandiaten. Der CDU-Politiker und Handball-Füchse-Präsident Frank Steffel wirkte unglücklich bei seinem Auftritt und wurde dem alten Establishment des Vereins zugeordnet. Er bekam nur 1280 Stimmen. Der dritte Kandidat Marvin Brumme war chancenlos mit 26 Stimmen.

Diesmal gibt es keine zwei Hauptkandidaten, sondern neben Interimsboss und Bernstein-Freund Fabian Drescher (42), der als Favorit gilt, stellen sich mit Autohausbesitzer Uwe Dinnebier (61), dem jungen Turnschuhhändler Stepan Timoshin (23), dem Imbissbesitzer Olaf Brandt (55) und dem Ex-Profi Wolfgang Sidka (70) vier weitere Kanidaten zur Boss-Wahl.

Drescher hat den Amtsbonus

Drescher hat den Amtsbonus, weil er seit zehn Monaten kommissarischer Boss ist. Er konnte nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten zeigen, dass er den von Bernstein gewählten Berliner Weg weitergehen will. Der ruhige, sachliche Rechtsanwalt hat nicht das Charisma von Bernstein, aber bedingungslose Authenzität. Ehrlich gibt er zu: „Ich kann Kay nicht ersetzen, aber ich werde den Weg von Kay weitergehen – auf meine Art.“

Fünf Kandidaten, fünf Wahllager bei den Mitgliedern, das könnte rein rechnerisch die Chance für Drescher schmälern, auf Anhieb die absolute Mehrheit zur erreichen. Die Anzahl der Konkurrenten könnte sie aber auch erhöhen. Es wird Sonntag auf seine Rede ankommen. Kann er die Herthaner sofort überzeugen, dass er als Kapitän den blau-weißen Dampfer weiter auf Kurs hält.

Drescher hat große Unterstützung von den Fans in der Ostkurve, die riefen Sonnabend nochmal dazu auf, zahlreich zur Mitgliederversammlung zu kommen. Es wird mit über 3000 Mitgliedern gerechnet. Beine machen, damit es keine Schneckentempo-Wahl wird... ■