Nur sechs Heimsiege 2024

Hertha BSC: Bernstein-Tod, Trauerspiel, Heimschwäche! Hilft nur noch ein Psychologe?

Am Ende des Jahres muss über dieses Tabu gesprochen werden: Wie haben Herthas Profis eigentlich das 2:2-Trauerfeier-Spiel gegen Düsseldorf verkraftet?

Author - Wolfgang Heise
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Das Olympiastadion wurde am 21. Januar für den verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein zur größten Trauerstätte der Welt.  Doch wie haben Herthas Spieler das verkraftet?
Das Olympiastadion wurde am 21. Januar für den verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein zur größten Trauerstätte der Welt. Doch wie haben Herthas Spieler das verkraftet?Imago Images/Hübner

Weihnachten, besinnliche Zeit, noch einmal über das Jahr nachdenken. Auch bei Hertha BSC. Keiner der Blau-Weißen ist zufrieden mit der enttäuschenden Hinrunde auf Platz 12. Man kann ins Detail gehen, wenn es um die Mängel in der Mannschaft geht. Man kann aber auch Gedanken über dieses Jahr zulassen, über die eklatante Heimschwäche. Es ist fast ein Tabu-Thema: Hat Hertha BSC nach dem plötzlichen Tod des jungen Präsidenten Kay Bernstein (43) am 16. Januar genug Trauerarbeit geleistet? Braucht dieses Team noch mal einen Psychologen?

Die knallharten, kalten Zahlen sehen so aus: Hertha hat von 17 Heimspielen in diesem Jahr nur sechs gewonnen. In der Rückrunde 2023/24 gab es nur viermal Jubel  -  beim 3:2 gegen Magdeburg, beim 4:0 gegen Rostock, beim 5:2 gegen Schalke und beim 3:1 gegen Kaiserslautern. Jetzt in der Hinrunde gab es nur zwei quälende Heimsiege gegen Regensburg (2:0) und gegen Braunschweig (3:1).

Die Blau-Weißen liegen in der Heim-Tabelle mit nur sieben Punkten abstiegsgefährdet auf Platz 16. Auswärts ist Hertha dagegen auf Aufstiegskurs – 15 Punkte, Platz 4. Wie ist diese Leistungsschere zu erklären? Es gibt in der Zweiten Liga einen allgemeinen Trend: Die Auswärtssiege haben zugenommen. Bei 153 Spielen der Hinrunde gewann 52-mal der Gast (nur 55 Heimsiege und 46 Remis). Am krassesten belegt der 1. FC Magdeburg dieses Phänomen. Kein Sieg zu Hause, Heim-Tabellenletzter, doch Auswärts-Spitzenreiter mit sieben Siegen.

Der Klub unter Schock, die Profis spielten trotzdem

Bei Hertha ist die Lage noch spezieller. Es ist ein schmerzender Rückblick. Am 16. Januar verstarb Präsident Bernstein, der Mann mit neuen Visionen, der Hertha wieder aufbauen wollte. Der Klub stand fünf Tage vor dem ersten Rückrundenspiel unter Schock. Der Verein hätte das Recht gehabt, bei der DFL um eine Verlegung des Heimspiels gegen Düsseldorf zu bitten. Doch bei Hertha waren sich alle einig, dass das Kay Bernstein bestimmt nicht gewollt hätte.

Stürmer Haris Tabakovic streckte nach seinem Tor zum 1:0 gegen Düsseldorf ein Trauer-Trikot in den Berliner Himmel.
Stürmer Haris Tabakovic streckte nach seinem Tor zum 1:0 gegen Düsseldorf ein Trauer-Trikot in den Berliner Himmel.Imago Images/Hübner

Alle Mitarbeiter des Klubs schalteten im Schock auf Funktionsmodus. In diesen fünf Tagen wurde das Heimspiel unter Organisations-Höchstleistung zum größten Live-Trauerfeierspiel des deutschen Fußballs umgestaltet. Es war eine würdevolle Gedenkfeier mit 42.902 trauenden Menschen im Olympiastadion. Die Ansprache des fast weinenden Stadionsprechers Fabian Wachsmann und die ergreifende Minuten mit der lautesten Stille gingen in den Medien um die Welt. Friedhofsstimmung in der Betonschüssel und Herthas Profis mussten danach spielen. Ja, sie mussten! Von einem Moment auf den anderen die Emotionen kaltstellen, einfach tapfer funktionieren, irgendwie diese 90 Minuten über die Trauerbühne bringen. Hertha schaffte ein 2:2 gegen Düsseldorf.

2:2 gegen Düsseldorf ist die Blaupause der Heimschwäche

Nach drei Niederlagen (1:3 in Wiesbaden, 1:3 im Pokal gegen Kaiserslautern, 1:2 gegen den HSV) erholte sich das Team. Doch die Heimschwäche blieb bis heute. Ist dieses Trauerspiel gegen Düsseldorf noch immer die große seelische Last für die Spieler? Trauerarbeit beim Tod eines nahen, geliebten Menschen kann bis zu zwei Jahren dauern. Warum wirken Herthas Heimpartien so, als ob die Profis Blei an den Füßen hätten, warum teilweise eine apathische Lähmung nach schnellen Toren? Der Kopf spielt immer wieder Jojo!

Hertha führte an diesem 21. Januar 2024 gegen Düsseldorf durch ein Tor von Haris Tabakovic mit 1:0, kassierte den Ausgleich, führte wieder 2:1 durch Derry Scherhant noch vor der Pause, doch am Ende gab es nur ein 2:2. Das Spiel ist zur Blaupause für die blau-weißen Spiele und der Angst vor dem Sieg geworden. Wie viele Spuren hat diese Partie bei den Profis wirklich hinterlassen? Knapp ein Jahr nach Bernsteins Tod sollte der Klub noch mal Psychotherapeuten beauftragen, die mit den Spielern reden. Das kann kein Trainer bewerkstelligen. Da müssen Spezialisten ran.