Hertha-Kolumne

Es ist so bitter zu sehen, wie Hertha BSC vom 1. FCM überholt wird

Blau-Weiße haben doch mehr Geld, mehr Zuschauer, mehr Mitglieder und eine bessere Infrastruktur als der einzige Europapokalsieger der DDR.

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Linus Gechter, Fabian Reese, und Michael Cuisance (v.l.) sehen nicht gerade glücklich aus. Kein Wunder bei der aktuellen Entwicklung bei Hertha BSC.
Linus Gechter, Fabian Reese, und Michael Cuisance (v.l.) sehen nicht gerade glücklich aus. Kein Wunder bei der aktuellen Entwicklung bei Hertha BSC.Eibner/Imago

Das Projekt „offensiver, attraktiver“ Fußball, der auch noch erfolgreich sein sollte, ist mit Trainer Cristian Fiel bei Hertha BSC krachend gescheitert. Wieder einmal sind in den zurückliegenden fünf, sechs Jahren die Pläne der Verantwortlichen beim Hauptstadtklub, deren Protagonisten natürlich gewechselt haben, reif für den Mülleimer. Nun muss Hertha mit Stefan Leitl (47), dem neuen Cheftrainer und insgesamt elften Fußballlehrer seit 2019, die verkorkste Saison retten und den sogar drohenden Abstieg in die 3. Liga unter allen Umständen vermeiden.

Für mich ist Hertha bislang die größte Enttäuschung in dieser Zweiten Liga. Ich frage mich, warum andere Vereine, die geringere finanzielle Mittel, weniger Zuschauer, weniger Mitglieder, eine schlechtere Infrastruktur und eine viel kleinere Arena als Heimstätte zur Verfügung haben, der Hertha den Rang ablaufen? Allen voran in Herthas unmittelbarer Nachbarschaft der 1. FC Magdeburg, 1974 sogar Europapokalsieger der Pokalsieger. Ein Triumph, der ein ewiges Alleinstellungsmerkmal im DDR-Fußball bleiben wird.

Magdeburg ist das Kontrastprogramm zu Hertha BSC

Das mit Abstand erfolgreichste Auswärtsteam der Liga (9 Siege/28 Punkte!) mischt nun ernsthaft um den Aufstieg in die Bundesliga mit. Das totale Kontrastprogramm bietet Hertha BSC. Maik Franz (43), einst Profi u.a. in Magdeburg und bei Hertha und später zwei Jahre Leiter der Lizenzspieler-Abteilung beim 1. FCM, sieht die Lage bei Hertha „dramatisch“. Man müsse, sagte mir Franz, nun im Verein wirklich alles hinterfragen, sonst drohen eventuell viele Jahre in Liga zwei.

„Ich habe einst einige der Helden vom 1974er Europacupsieg kennengelernt, einen Wolfgang Seguin, Manfred Zapf, Jürgen Pommerenke und natürlich Jürgen Sparwasser. Jetzt schaue ich gespannt zum Klub nach Sachsen-Anhalt. Herthas Konkurrent im Fußball-Osten könnte zum ersten Mal in die Bundesliga aufsteigen, was „historisch“ wäre. Hertha dagegen taumelt am Rande zur 3. Liga! Zuletzt passierte das im Juni 1996, als unter Trainer Jürgen Röber am letzten Spieltag der Zweiten Liga mit Ach und Krach ein 0:0 bei Wattenscheid 09 glückte, was die Rettung im letzten Moment brachte. Was passiert nun – 29 Jahre später – in noch ausstehenden zwölf Spielen?

Cristian Fiél (l.) hielt keine Saison als Hertha-Trainer durch, Magdeburgs Trainer Christian Titz ist seit 2021 im Amt.
Cristian Fiél (l.) hielt keine Saison als Hertha-Trainer durch, Magdeburgs Trainer Christian Titz ist seit 2021 im Amt.Hendrik Schmidt/dpa

Der FCM wechselt nicht wie Hertha BSC pausenlos den Trainer

Ein Erfolgsgeheimnis der Magdeburger nach vielen Turbulenzen ab 1990 ist seit vier Jahren die Kontinuität auf der Trainer-Position. Christian Titz (53) ist seit dem 12. Februar 2021 als Cheftrainer im Amt. In dieser Zeitspanne beschäftigte Hertha fünf Fußballlehrer – zweimal Pal Dardai, Tayfun Korkut, Felix Magath, Sandro Schwarz und Cristian Fiel. Nur Dardai und Magath lieferten erfolgreiche Arbeit ab.

Maik Franz sagt: „Unter Titz weiß jeder Profi ganz genau, was er zu tun hat. Die Spieler vertrauen ihrem Coach, weil sie sehen, dass er sie besser macht und sie alle zusammen Erfolg haben.“ Der 1. FCM besitzt zudem eine entscheidungsfreudige sportliche Leitung und offenbar bestens vernetzte Scouts. Mit dem Holländer Martijn Kaars, den man vom wenig bekannten Zweitligisten Helmond Sport holte, gelang ein unglaublicher Coup. Der Mittelstürmer thront mit 15 Toren und 6 Assists an der Spitze der Liga!

Warum hat Hertha BSC keinen Nachfolger für Tabakovic gefunden?

Warum hat Hertha nicht einen Typ wie Kaars als Nachfolger von Haris Tabakovic gefunden – weder im Sommer, noch in der Winterpause? Das war ein folgenschweres Versäumnis! Dabei sollte Hertha gerade in Holland gut vernetzt sein. Mit Dick van Burik (Spielerberater), Bryan Roy (lange in der Nachwuchsschule von Ajax Amsterdam als Trainer aktiv) oder mit Johnny Heitinga (der trainierte Kaars in der U19 von Ajax) leben allesamt ehemalige Hertha-Profis in den Niederlanden …

Beim letzten direkten Duell des 1.FCM gegen Hertha siegten die Berliner mit 3:1 in Magdeburg und boten eines ihrer besten Spiele. Das passierte am 29. November vorigen Jahres. Beide Teams hatten je 21 Punkte auf dem Konto. Seitdem holte Hertha dürftige vier Zähler, Magdeburg aber 17 Punkte! Erklären kann mir das niemand. ■