Liebe Hertha, liebe Alte Dame! Nachträglich alles Gute zum 133. Geburtstag, den Du Ende voriger Woche gefeiert hast. Na ja, feiern ist stark übertrieben. Du hast Deine Generalprobe vor dem Start in die neue Saison, die mit dem Aufstieg in die Erste Bundesliga ihre Krönung finden soll, in der schottischen Provinz, in der 31.000-Einwohner-Stadt Motherwell, absolviert. 1:1 ging das Spiel aus. Ein Duell gegen Juventus Turin aus Italien, die andere berühmte Alte Dame („La Vecchia Signora“), im Olympiastadion wäre mir lieber gewesen. Oder, was fast in Vergessenheit geraten ist: Eigentlich sollte an Deinem 133. Geburtstag das neue vereinseigene Stadion auf dem Olympiagelände (Motto: „Steil, laut, eng“) für 55.000 Zuschauer eröffnet werden … Geklappt hat das bekanntlich nicht. Aber gut, es werden ja noch viele Geburtstage folgen.
Pünktlich an Deinem Geburtstag ploppte ein YouTube-Video auf, dass von Kick 11 hergestellt wurde. In 35 Minuten wurde im Schnelldurchgang unter dem Titel „Big-City-Desaster“ Deine total verrückte Zeit zwischen 2008 und 2025 beschrieben, die man unter dem Begriff „Wahnsinnige Geldverbrennung“ zusammenfassen kann. Ein Zeitabschnitt zwischen Größenwahn und Depression. Vom Beinahe-Meister in der Saison 2008/09 unter Cheftrainer Lucien Favre bis zum Fast-Absteiger in die Dritte Liga 2024/25. Den Super-GAU konnte Coach Stefan Leitl Gott sei Dank verhindern, was Du ihm, liebe Hertha, hoch anrechnen musst.

In diesen 17 Jahren erlebten wir Reporter und Beobachter drei große Investoren, drei Abstiege und zwei sofortige Wiederaufstiege, drei Präsidenten, vier Manager/Sportdirektoren und sage und schreibe 18 Trainer bei Hertha BSC. Ein paar Falten mehr im Gesicht hast Du, liebe Alte Dame, in dieser Zeit schon bekommen. Da hilft auch die teuerste Gesichtscreme nicht.
Auf- und Abstieg von Hertha BSC macht Fans schwindelig
Doch was sind schon 17 turbulente Jahre von insgesamt 133? Man muss schon mehr Dinge aufzählen, um Deiner Bedeutung einigermaßen gerecht zu werden. Was warst Du nicht schon alles (oder wolltest es sein), seitdem Du am 25. Juli 1892 auf dem Arkonaplatz in die große, weite Fußballwelt gekommen bist?
Deutscher Meister 1930 und 1931, Gründungsmitglied der Bundesliga 1963, Zwangsabsteiger aus dieser damals noch jungen Liga wegen Zahlung überhöhter Gehälter und Handgelder, Skandalnudel 1971 zusammen mit anderen Vereinen wegen manipulierten Spielen und Bestechungsgeldern, Uefa-Cup-Halbfinalist 1979, dreimaliger DFB-Pokalfinalist (leider ohne Sieg), Amateurligist in den 1980er-Jahren (der Tiefpunkt), Champions-League-Starter 1999/2000, Schlafender Riese, Hertha do Brasil, Berlins ältestes Start-up, Big-City-Club und der Berliner Weg. Mir wird fast schwindlig, liebe Hertha, wenn ich an all diese Dinge und Titulierungen denke.
Hertha BSC wird verspottet und bestaunt
Du hast, das muss man Dir lassen, viele starke Spieler in Deinen Reihen gehabt, etwa Hanne Sobek, den Kapitän der Meistermannschaften 1930 und 1931, später einen Helmut Faeder in den 1960er-Jahren, danach Legende Erich Beer und noch viel später mit Pal Dardai Deinen Rekordspieler oder mit Michael Preetz, den bislang einzigen Torschützenkönig der Bundesliga im Hertha-Trikot, dazu Ausnahmekönner wie Marcelinho oder Marko Pantelic. Du hast in Deiner Jugend-Akademie über 100 junge Fußballer ausgebildet, die in Berlin oder anderswo den Sprung zum Profi geschafft haben.
Du warst – egal in welchem Alter – nie langweilig. Du hast Deine Anhänger oft zur Weißglut gebracht, ihnen schlaflose Nächte bereitet. Du hast sie oft wieder versöhnt. Du bist verspottet und bestaunt worden und Du warst für mich jedenfalls immer ein großes Versprechen auf eine glänzende Zukunft. Jetzt heißt es, Du gehst konsequent den Berliner Weg. Den musst Du mit mehr Leben erfüllen, als das zuletzt der Fall war. Ich wünsche mir nun von Dir, liebe Hertha, dass in der neuen Saison das Olympiastadion wieder zur Festung wird und dass im Mai 2026 eine große Aufstiegsfeier starten kann. Ha-Ho-He!