Hertha-Kolumne

Achtung, Hertha BSC! Am letzten Spieltag platzten schon viele Träume!

Ein drohender Abstieg wird oft von Spieltag zu Spieltag verdrängt. Dabei hilft ein Blick in die Vergangenheit. Sonst erleidet man Schiffbruch.

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2009 verspielte Hertha m 34. Spieltag mit Spielern wie Patrick Ebert (l.) und Raffael unter Trainer Lucien Favre (r.) in Karlsruhe die Champions-League-Teilnahme.
2009 verspielte Hertha m 34. Spieltag mit Spielern wie Patrick Ebert (l.) und Raffael unter Trainer Lucien Favre (r.) in Karlsruhe die Champions-League-Teilnahme.imago Images

Man kann die Erklärungen kaum noch hören. Sie laufen in einer Art Endlosschleife. Da die Hertha-Profis nach der achten Heimniederlage gegen Schalke 04 sprachlos waren, stellten sich wenigstens Geschäftsführer Thomas E. Herrich und Sportdirektor Benjamin Weber in den Stadion-Katakomben den Reportern. „Das war wieder mal schmerzhaft“, sagte ein sichtlich gezeichneter Tom Herrich, „die erste Halbzeit war schwierig, in der zweiten Halbzeit haben wir eigentlich eine Antwort gefunden, aber die Chancen nicht genutzt.“

Benjamin Weber klagte: „Wir dürften das Spiel im Leben nicht verlieren. Wir haben es wieder nicht geschafft, uns zu belohnen. Wir müssen nun ins Punkten kommen!“  Das aber muss man schon ganz lange!

Hertha BSC verdrängt den drohenden Abstieg

Das sind Durchhalteparolen, aber was sollen die Verantwortlichen auch sonst sagen? Sie stehen ja nicht selbst auf dem Platz, können keine Tore schießen und keine verhindern. Das gilt auch für den Trainer, der bei Hertha meist nahe am Nervenzusammenbruch ist, sollte er nicht mental äußerst stabil sein.

2023 stieg Hertha BSC nach einem dramatischen 1:1 gegen den VfL Bochum sogar bereits am 33. Spieltag ab.
2023 stieg Hertha BSC nach einem dramatischen 1:1 gegen den VfL Bochum sogar bereits am 33. Spieltag ab.Contrast/imago

Vorwerfen muss man den Klubchefs aber, dass auch sie zu lange eine „heile Welt“ gesehen haben – zumindest in der Öffentlichkeit - und begangene Fehler nicht rechtzeitig korrigiert haben. Die Spieler übten sich zudem gern in der Kunst der Verdrängung („Wir sind ja eigentlich viel besser und haben das schon gezeigt“). Es scheint in der Natur des Menschen zu liegen, unangenehme Probleme vor sich herzuschieben. Ein drohender Abstieg wird oft von Spieltag zu Spieltag verdrängt – in der Hoffnung doch noch genügend Duelle zu haben, um Siege einzufahren.

Hertha BSC verspielte am 34. Spieltag schon verdammt viel

Betrachtet man den Saisonverlauf der Hertha, so ist dieser krass. Noch nach dem 10. Spieltag betrug der Abstand zu Platz eins (man wollte ja eigentlich oben mitspielen) nur drei Punkte!  Der Relegationsplatz 16 lag in weiter Ferne. In der Winterpause (man wollte eine Aufholjagd starten) waren es schon neun Punkte auf Rang eins und immerhin acht Punkte Abstand auf Platz 16. Danach ging es rasant bergab. Nun thront der Hamburger SV 19 Zähler entfernt ganz oben, drei Zähler sind es zum gefürchteten Relegationsrang 16!

Hertha sollte gewarnt sein, die Entscheidung auf die letzten oder gar den letzten Spieltag zu verschieben. An einem solchen Tag sind Hertha-Mannschaften dramatisch abgestiegen oder kamen im letzten Moment mit dem Schrecken davon. Auch – ein paar Mal ganz oben –wurde da die Champions League verpasst.

Hertha-Abstieg 1979/80 wegen zwei Toren

In der Saison 1979/80 verlief der Abstieg in die Zweite Liga besonders bitter.   Am letzten Spieltag ging es für Hertha und Bayer Uerdingen um den Klassenerhalt. Im Heimspiel trumpfte Hertha vor 51.000 Zuschauern beim 4:2-Sieg gegen den VfB Stuttgart auf. Da aber Uerdingen nur 0:1 in Köln verlor, stieg Hertha ab – punktgleich, aber mit zwei Treffern zu wenig! Tausende hatten Tränen in den Augen, danach begann der Ausverkauf einer einst großen Mannschaft.

1986/87, Hertha war in die Amateur-Oberliga Berlin (damals dritte Liga) abgerutscht, scheiterte man in den Aufstiegsspielen zur Zweiten Liga im letzten Heimspiel mit 1:3 an Remscheid! In den Stadionterrassen war bereits die Aufstiegsfeier vorbereitet, ein Remis hätte genügt!

Hertha BSC muss aus der Geschichte lernen

Im Juni 1996 reichte ein 0:0 am letzten Spieltag bei Wattenscheid 09, um dem Abstieg in Liga drei zu entgehen. Hätte Michael Preetz, damals Angreifer der Wattenscheider, seine Torchance kurz vor Abpfiff genutzt, wäre der Worst Case eingetroffen. Ein paar Etagen höher vergab Hertha am letzten Spieltag zweimal die Teilnahme an der Champions League: im Mai 2005 unter Trainer Falko Götz beim 0:0 gegen Hannover 96 im ausverkauften Olympiastadion und im Mai 2009 unter Trainer Lucien Favre beim 0:4 in Karlsruhe.

Zugegeben, all diese Beispiele sind lange her, doch aus der Geschichte sollte man lernen. Sonst erleidet man Schiffbruch. ■