Ursula Winnington verwandelte graue Küche in ein Fest für die Sinne. Mit Witz, Fantasie und einem Gespür für Gewürze inspirierte sie Millionen – und zeigte, wie selbst ein einfacher Alltag köstlich schmecken kann. Jetzt ist die Superköchin der DDR tot.
Grau war sie, die DDR – zumindest auf den ersten Blick. Betonfassaden, Einheitsanzüge, schmucklose Arbeitskleidung und ein Gemüseregal, das eher nach Erdapfel als nach Exotik roch. Farbtupfer kamen spärlich: mal ein Grün von Bohnen, mal ein Tomatenrot – ein Fest, wenn es denn mal auftauchte. Doch unter der Oberfläche war das Leben keineswegs farblos. Menschen wie Ursula Winnington machten es bunt, nicht zuletzt auf dem Teller.
Die leidenschaftliche Köchin, kluge Rezeptentwicklerin und charmante Kolumnistin trug dazu bei, so die Berliner Zeitung, den tristen Speiseplan der Republik aufzumischen. Sie brachte Abwechslung in die Küchen, kitzelte die Geschmacksknospen wach und bewies, dass selbst mit begrenzten Mitteln kulinarische Höhepunkte möglich sind.
Ihre Bücher, Kolumnen und TV-Auftritte erreichten Millionen – nicht selten wurden ihre Rezepte ausgeschnitten, gesammelt und weitergereicht. Besonders in Erinnerung blieb ihre Serie „Liebe, Phantasie und Kochkunst“ im heiß begehrten „Magazin“, eine feste Größe in DDR-Haushalten.
Jetzt ist Ursula Winnington im Alter von 96 Jahren in Berlin gestorben. Noch im hohen Alter bewirtete sie Familie und Freunde mit Hingabe – und lebte damit, was sie über Jahrzehnte hinweg verbreitet hatte: Kochen war für sie kein Pflichtprogramm, sondern pure Lebensfreude, heißt es im Abschiedsbericht der Berliner Zeitung.
Ein Besuch im Jahr 2021 zeigte das noch einmal eindrucksvoll. In ihrem Sommerhaus bei Berlin wartete sie mit frischen Blumen aus dem Garten auf, garnierten Häppchen mit Gänseblümchen, Kapuzinerkresse und einem Tisch, der nicht nur zum Essen, sondern zum Verweilen einlud.
Ursula Winnington war keine Star-Köchin im heutigen Sinne
Für sie war klar: Genuss beginnt beim Anblick, lebt durch das Ritual – und endet im Geschmack. Wer sich Zeit nahm, schön deckte, gut würzte und Musik dazu auflegte, der erlebte nicht nur ein Essen, sondern ein Fest.
Diese Haltung begleitete sie ein Leben lang. 1928 in Ober-Aalkist geboren, führte ihr Weg aus einer Gutsherrenfamilie über die zerstörte Heimatstadt Rostock auf ein Landgut in der Niederlausitz – und damit direkt in eine Küche, die mehr als Sattmacher bot. Schon dort entdeckte sie ihre Liebe zum guten Essen.

In der DDR war ihr Weg jedoch steinig: Nicht als Arbeiterkind geboren, musste sie sich über die Landwirtschaft hocharbeiten. Mit einem Abschluss als staatlich geprüfte Landwirtin und später mit einer Promotion zur Tierernährung war sie bald tief in der Welt der Lebensmittelproduktion verwurzelt.
In den 1970er-Jahren mischte sie dann das Kochbuchregal auf – erst für Kinder, später für alle, die sich nach Geschmack und Raffinesse sehnten. Ihre Texte waren keine trockenen Anleitungen, sondern kleine literarische Leckerbissen, garniert mit Witz und Charme. Besonders in den 1980ern blühte sie als Autorin auf: Das Publikum schätzte ihre praktischen Rezepte genauso wie ihren humorvollen Ton.
Auch nach der Wende blieb Ursula Winnington präsent
Die DDR-Grenzen hielten sie nicht auf. Mit ihrem britischen Ehemann Alan Winnington, einem Journalisten mit weltweitem Blick, bereiste sie Asien und den Mittelmeerraum. Was sie dort entdeckte, wanderte in heimische Kochtöpfe. Ein Hauch Curry hier, ein Chutney dort – aus dem Sozialismus wurde so geschmacklich manchmal fast eine Weltreise.
Auch nach der Wende blieb sie präsent. Ihre Rezepte erschienen weiterhin, unter anderem in der Berliner Zeitung. Dort verriet sie einst ihr liebstes Chutneyrezept – ein aromatischer Klassiker, der bis heute Anhänger findet. Paprika, Tomaten, Äpfel und ein Potpourri aus Gewürzen verschmelzen darin zu einer würzigen Komposition, die jedem Käsebrot ein Krönchen aufsetzt.
Ursula Winnington war keine Star-Köchin im heutigen Sinne. Aber sie war für viele eine vertraute Stimme, eine Inspirationsquelle, eine Frau mit Geschmack – im doppelten Sinne. Die Erinnerung an sie lebt nicht nur in ihren Büchern weiter, sondern vor allem in jedem Teller, der mit Liebe, Fantasie und einer Prise Mut serviert wird. Ein Alltag mit ein wenig mehr Winnington? Könnte so schlecht nicht schmecken.