Politiker schlagen Alarm

Rettet das SEZ! DDR-Spaßbad ist gar nicht so marode, wie uns vorgemacht wird

Abriss-Wahnsinn: Das Plattmachen des Hauses wäre genauso teuer wie eine Sanierung.  Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses sagen, es lohne sich, das Haus zu retten.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Die Abgeordneten bei dem Besuch im SEZ
Die Abgeordneten bei dem Besuch im SEZprivat

Eigentlich sind alle Messen gesungen. Bausenator Christian Gaebler (SPD) will das Sport- und Erholungszentrum (SEZ) abreißen, um an der Landsberger Allee in Berlin-Friedrichshain 500 Wohnungen zu bauen. Plattmachen soll die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM). Seit Wochen versucht das Unternehmen  die Kritiker zu überzeugen, dass das einstige DDR-Spaßbad so marode ist, dass es wirklich wegmuss. Am Mittwoch waren nun Berliner Abgeordnete aus allen Fraktionen in dem Gebäude, um zu sehen, ob das stimmt, was man den Berlinern bisher erzählt.

2026 sollen die Bagger rollen, um das einstige DDR-Spaßbad dem Erdboden gleichzumachen. Dagegen kämpfen die Bürgerinitiative „SEZ für alle!“, Baufachleute aus der Berliner Architektenkammer und Politiker. Dabei geht es ihnen nicht nur um Nostalgie. Es geht ihnen vor allem die Erhaltung eines legendären DDR-Prachtbaus, dessen Abriss möglicherweise teurer ist als deren Sanierung.

An dem SEZ sei nichts erhaltungswürdig, sagen diejenigen, die es abreißen wollen und dazu den Auftrag haben – wie der WBM-Geschäftsführer Lars Dormeyer (52). Er erklärte im März dem KURIER: In den 25 Jahren, in denen er in der Immobilienbranche (unter anderem Deutsche Wohnen, GSW, Gehag) tätig sei, habe er noch nie erlebt, wie man ein Gebäude so „herunterwirtschaften“ kann. Ein Teil des Hauses wurde offenbar sogar als Pferdestall genutzt. Fäkalien und Heureste hätte man gefunden.

Die WBM machte Fotos öffentlich, die diesen Zustand belegen sollten. Sie zeigen Geröll, Schrott und Bauschutt. Der ganze Dreck liegt offenbar unter anderem dort herum, wo zum Beispiel die Tauchbecken der Innensauna standen. Zugemüllt sind auch andere Räumlichkeiten, wie es auf Fotos zu sehen ist, die die WBM machte, als sie ab 1. Januar das SEZ übernahm. Zwei Monate zuvor hatte das Land Berlin das einstige DDR-Spaßbad mittels Zwangsvollstreckung wieder in ihrem Besitz bekommen.

Blick in das SEZ: Marode sieht anders aus.
Blick in das SEZ: Marode sieht anders aus.privat

Am Mittwoch waren nun Mitglieder des Abgeordnetenhauses im SEZ, um sich selber ein Bild über den Zustand des einstigen DDR-Spaßbades zu machen. Den Besuch hatte sich der Sportausschuss erkämpft. Der jetzige SEZ-Hausherr, die WBM, führte die Abgeordneten bei diesem nichtöffentlichen Termin durch das Haus.

Abgeordnete gegen DDR-Spaßbad-Abriss: „SEZ ist sanierungsbedürftig, aber nicht marode“

Es ging durch das einstige Wellenbad, durch die Turnhallen, der ehemaligen Eislaufhalle und auch durch technische Räume. Sicher, auch den Abgeordneten zeigte sich das SEZ nun nicht gerade von seiner prachtvollen Seite. Dazu ist in den vergangenen 20 Jahren zu viel mit dem Haus geschehen, in denen nicht wirklich viel für die Erhaltung beigetragen wurde.

Blick in das einstige DDR-Spaßbad
Blick in das einstige DDR-SpaßbadMarkus Wächter/Berliner KURIER

Die WBM führte also durch das SEZ. Doch so mancher Abgeordneter konnte bei dem Rundgang den gruseligen Zustand nicht erkennen, von dem noch vor Wochen die Rede war. „Die Begehung hat gezeigt, dass das SEZ nicht marode oder so kaputt ist, dass es abgerissen werden muss“, sagte der Abgeordnete Damiano Valgolio (Linke), zu dessen Wahlkreis das SEZ gehört.

Weiter sagt Valgolio: „Es wird immer deutlicher, dass es Alternativen zum SEZ-Abriss gibt. Insbesondere, weil eine Sanierung des Baus wohl nicht mehr kosten würde als der Abriss. Und der Abriss könnte sogar teurer werden.“

Zu diesem Ergebnis kommen Experten wie Carl Waßmuth. Der Bauingenieur vom Verein „Gemeingut in BürgerInnenhand“ kennt das SEZ und seinen jetzigen Zustand. „Es ist zwar sanierungsbedürftig, aber keinesfalls marode“, bestätigt er. „Das Tragwerk ist vollständig intakt. Die Baukosten für ein solches Gebäude lägen heute bei mindestens 200 Millionen Euro. Berlin hat also eine wertvolle Ressource, welche die soziale Infrastruktur der Stadt bereichern und verbessern kann. Der Abriss würde diesen Wert vernichten.“

Waßmuth schätzt die Kosten für die SEZ-Sanierung auf 50 Millionen Euro. Der Abriss würde aber genauso viel kosten. „Aber ein Abriss ist aufwändig. Zu erwarten sind kilometerlange LKW-Schlangen mit Geröll auf der Landsberger Allee, dutzende von Baggern auf dem Gelände, ein langwieriger Prozess.“

Aber ein Abriss verursacht nicht nur finanzielle, sondern auch Klimakosten, so der Experte. „Der geplante Neubau von Wohnungen würde 0,5 Tonnen CO2 pro Quadratmeter Nutzfläche verschlingen, also 16.000 Tonnen CO2 allein für die neuen Wohnungen, hinzu kommen tausende weitere Tonnen CO2 für eine geplante Schule, Gewerbe und für den Abriss selber.“

Im Freibereich des einstigen DDR-Spaßbades: Auch diesen abzureißen, wäre nicht notwendig.
Im Freibereich des einstigen DDR-Spaßbades: Auch diesen abzureißen, wäre nicht notwendig.prívat

Der Linke-Abgeordnete Damiano Valgolio sagt dem KURIER. „Angesichts des dramatischen Mangels an Schwimm-, Sport- und Freizeitflächen ist es absurd, dass der Senat Abriss und Verfall des SEZ vorantreibt ohne eine Prüfung des Gebäudezustands. Der Senat gibt ohnehin eine Machbarkeitsstudie in Auftrag. Dabei muss auch der Erhalt des SEZ als Option geprüft werden.“

Ähnlich sieht es auch Julian Schwarze, Sprecher für Stadtentwicklung bei den Grünen. „Der vom Senat vorgesehene SEZ-Abriss muss auf den Prüfstand. Dafür braucht es endlich Transparenz über den Gebäudezustand.“

Bei einer Besichtigung darf es aber nicht bleiben, meint Schwarze. Er fordert vom Senat endlich eine ernsthafte Prüfung, „wie ein Erhalt und Umbau des SEZ möglich ist“. „Das Gebäude bietet viel Potenzial für Sport- und Kulturnutzungen. Wohnungen, Schulplätze und ein SEZ-Umbau sind zusammen möglich.“

Was sagen Sie zu den aktuellen Diskussion um den Abriss des SEZ? Welche Erinnerungen haben Sie an das Gebäude? Bitte schreiben Sie uns Ihre Meinung: leser-bk@berlinerverlag.com