Dig, Dag und Digedag waren die Helden meiner Kindheit. Nachdem ich als Achtjähriger ein Mosaik-Heft 203 („Die Kanonen der Bella Espagna“) am Straßenrand gefunden hatte, war ich süchtig. Nach dem ersten Comic der DDR. Jeden Monat musste mein Vater das neue Heft besorgen: Und wer im Osten lebte, weiß, was das für ein schwieriges Unterfangen war. Das Mosaik mit den Digedags war in der DDR Bückware. Man musste jemand kennen oder sehr hartnäckig sein, um eines der Hefte zu ergattern. Die Fans von damals werden jetzt wieder auf die Pirsch gehen: Denn in den Archiven sind zwei Geschichten aus dem Jahr 1963 aufgetaucht, die noch nie erschienen sind – das aber wird demnächst nachgeholt.
Der Grafiker Hannes Hegen (mit bürgerlichem Namen Johannes Hegenbarth) schuf die Helden Dig, Dag und Digedag. Sie waren im DDR-Comic „Mosaik“ unterwegs. Heft Nr. 1 erschien im Dezember 1955 („Dig, Dag, Digedag auf der Jagd nach dem Golde“).
Die Digedags: DDR-Antwort auf amerikanische Comics
Ich hatte damals Glück, dass mir Nachbar eine Kiste schenkten, voll mit alten Mosaik-Heften. Das älteste war Heft 8 vom Juli 1957 – „Dig, Dag, Digedag und die rasende Seemühle“. Und so konnte ich mich durch die Jahrgänge vor meiner Geburt arbeiten. War dabei, als die drei Kobolde mit den Knollennasen den Wilden Westen und den Orient entdeckten, in den Weltraum aufbrachen oder mit Ritter Runkel das Mittelalter unsicher machten.
Die Comics waren bis zum Mauerfall immer sofort vergriffen. Der Grund: Hegens drei pfiffige Helden verbreiteten keine sozialistische Propaganda, sondern führten den Leser rund um die Welt und in die unterschiedlichsten Zeitepochen – etwa ins antike Rom. Die Hefte waren Hegens Antwort auf westdeutsche und amerikanische Comics. Hegen selbst nannte seine Hefte nichts Comics, sondern Bildgeschichten.
Zwei verschollen geglaubte Hefte von damals sind jetzt im Nachlass von Hannes Hegen wieder aufgetaucht. Aus dem Jahre 1963. Damals lief gerade der zweite Teil der Erfinderserie. Von Heft 74 bis 89 begleiten die Digedags bedeutende Erfinder des 19. Jahrhunderts, wie Werner von Siemens und Wilhelm Bauer.
Die beiden Hefte verschwanden damals in den Giftschränken, weil der DDR-Verlag Junge Welt die Handlung zunehmend kritisch sah, wie der Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag in Berlin mitteilt. Am 16. Mai, dem 100. Geburtstag von Hegen, wird nun posthum eine der beiden 62 Jahre alten Episoden mit den drei Kobolden Dig, Dag und Digedag erscheinen.

Das „Mosaik“-Heft mit dem Titel „Duell an der Newa“ gehört zur sogenannten Erfinderserie. In dieser trafen die knollennasigen Hauptfiguren auf verschiedene Erfinder von der Antike bis ins späte 19. Jahrhundert. Zuletzt ging es um den deutschen U-Boot-Erfinder Wilhelm Bauer. „Dem Verlag Junge Welt hat es zunehmend missfallen, dass die Erfinder eher dem gehobenen Bürgertum entstammten und nicht die Leistungen der Arbeiterklasse verkörperten“, sagt Verlagssprecher Robert Löffler.
Dem DDR-Verlag kritisierte damals, dass die Geschichten zu klamaukig geworden seien. Es sei mehr Ernsthaftigkeit und ein stärkerer Bezug zu den Errungenschaften der Arbeiterbewegung eingefordert worden. „Es wurde im Jahr 1963 massiv Druck auf Hannes Hegen ausgeübt, sodass dieser sich schließlich veranlasst sah, das Konzept zu ändern und mit der Runkel-Serie einen mittelalterlichen Comic-Roman auf den Spuren Marco Polos auf den Weg zu bringen. Damit war es ihm gut möglich, die tagespolitischen Vorgaben der Verlagsleitung zu umschiffen“, sagt Löffler.
Das Mosaik-Heft Duell an der Newa sollte im Mai 1964 erscheinen
Die Erfinderserie wurde dann 1964 vorzeitig abgebrochen. Bereits fertige Text-Manuskripte, Exposés und Figuren-Entwürfe wurden im Archiv von Hannes Hegen bewahrt. Erhalten geblieben sind die Text-Manuskripte: Die zwei ehemaligen Mosaik-Zeichner Ulf S. Graupner und Steffen Jähde haben nun die Episode „Duell an der Newa“ passend zu den Texten aus dem Nachlass von Hegen umgesetzt.
„Gezeichnet wurde traditionell per Hand“, erklärt Löffler. Die Zeichnungen wurden aber dann digital zusammengefügt und koloriert. Das Heft erscheint als Mai-Special, also zusätzlich zur regulären „Mosaik“-Ausgabe – als erste neue Digedags-Folge seit dem Juni 1975 (Heft 223, „Fatimas Heimkehr“). Ursprünglich sollte das Heft im Mai 1964 veröffentlicht werden.
Im Streit mit dem FDJ-Verlag Junge Welt stieg Hegen schließlich 1975 ganz aus und zog sich ins Privatleben zurück. Dies war das Ende der Digedags – nach 223 Heften und sechs Nachdrucken der Ritter-Runkel-Serie. Beim Besuch einer großen Digedags-Schau im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig berichtete Hegen 2012, bei seinem Abschied vom „Mosaik“ hätten noch zahlreiche Pläne für weitere Abenteuer in der Schublade gelegen.

Aber für das „Mosaik“ wurden drei neue Helden geschaffen – die Abrafaxe. Abrax, Brabax und Califax sind noch immer einmal im Monat unterwegs. Im Dezemberheft werden sie 50 Jahre alt. Hegen starb im Alter von 89 Jahren im November 2014. Das „Mosaik“ ist unter den aktuell erscheinenden deutschen Comiczeitschriften die Älteste.
In Berlin-Karlshorst wird bis heute an den großen Comic-Erzähler Hannes Hegen erinnert. Hier in der Waldowstraße 15 lebte und arbeitete der Künstler in seinem Wohn- und Atelierhaus. Im Jahr 2021 erhielt der bis dahin namenlose Platz an der Gabelung von Waldow- und Köpenicker Allee den Namen „Digedagplatz“.