Im Sommer 1975 herrschte Trauer im Osten. Die knollennasigen Digedags hatten damals ihren letzten Auftritt als Helden der DDR-Comicreihe „Mosaik“. 50 Jahre später sind sie wieder da. Die Fans haben das unter anderem dem Berliner Ulf S. Graupner (60) zu verdanken. Er ist einer der Zeichner, die die Digedags wieder zurückholen: im „Mosaik“-Abenteuer „Duell an der Newa“, das bisher als verschollen galt und nun zum 100. Geburtstag von Digedags-Papa Hannes Hegen (starb 2014) erscheint.
Der KURIER hat Graupner in seiner Wohnung besucht, wo er am Schreibtisch an dem verschollenen „Mosaik“-Heft zeichnete, das als eigentliche Nummer 90 schon im Jahr 1964 erscheinen sollte. Als vor wenigen Wochen die Nachricht von der Existenz von insgesamt zwei unbekannten Digedags-Abenteuern vom Verlag Steinchen für Steinchen (da erscheint das „Mosaik“ mit den Abrafaxen) verkündet wurde, waren die Comicfans megamäßig begeistert.
Neuer Digedags-Zeichner ist Riesenfan der drei Knollennasen
Auch Graupner war aus dem Häuschen. Allerdings erfuhr er die Hammer-Botschaft schon vor gut zwei Jahren. „Zwei Fans hatten von Hegens Adoptivsohn die Manuskripte zu diesen Heften aus dem Nachlass des ,Mosaik‘-Erfinders erworben“, sagt Graupner.
Der Plan: In Abstimmung mit Hegens Adoptivsohn sollten diese Manuskripte als echte „Mosaik“-Hefte mit den Digedags eines Tages das Licht der Welt erblicken. „Die Idee war, dass das zum 100. Geburtstag von Hegen passieren sollte“, erzählt Graupner. Allerdings brauchte man für die Umsetzung Zeichner. „Und so sprach man mich an.“ Wenn man Graupners Wohnung betritt, weiß man auch, warum. Die Digedags sieht man zum Beispiel bei ihm in der Küche, wo auf einem Poster Dig, Dag und Digedag in einem römischen Streitwagen sitzen. Ja, auch der Zeichner ist natürlich Fan drei Knollennasen-Kerlchen.

„Ich glaube, ich war vier Jahre alt, als ich das erste ,Mosaik‘-Heft mit den Digedags bekam“, sagt Graupner. Mit sechs Jahren fing er sogar an, die Rübensteiner Familie aus der „Ritter Runkel“-Serie zu zeichnen. „Die Digedags haben seitdem mein Leben bestimmt.“
„Mosaik“-Legende wieder da: Wer ist der Mann, der das Digedags-Comeback zeichnet?
Graupner studierte Ende der 80er-Jahre an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg Zeichentrick-Animation, kam zum Trickfilmstudio Dresden und wurde dann Comiczeichner. Graupner, der heute für das Comicheft „Knax“ der Sparkasse arbeitet, war in den 90er-Jahren auch für das „Mosaik“ mit den Abrafaxen tätig.

Dort traf er auf „Mosaik“-Legende Lona Rietschel (starb 2017). Sie war als Zeichnerin bei Hegen für die Digedags verantwortlich. Als sich der „Mosaik“-Erfinder 1975 mit dem Verlag Junge Welt überwarf und ein neues „Mosaik“ erschaffen wurde, entwarf Rietschel die Digedags-Nachfolger Abrafaxe. „Von Lona habe ich sehr viel gelernt“, sagt Graupner.
Das Wissen kommt ihm jetzt beim Comeback der Digedags zugute. Zusammen mit dem Hintergrundzeichner Steffen Jähde (55, lernte ebenfalls bei einem „Mosaik“-Zeichner) machte sich Graupner ans Werk, um dem bisher nicht realisierten Heft Leben einzuhauchen.

„Das war schon ein Problem: Denn die Manuskripte bestanden nur aus Schreibmaschinen mit Dialogtext. Es gab keine Bilder oder Anweisungen dazu“, sagt Graupner. „Aus dem Text mussten wir also herausfinden, wie die einzelnen Zeichnungen aussehen sollten.“
KURIER verrät: SO entstand das Digedags-Comeback
Der Vorteil: Die beiden wieder aufgetauchten Manuskripte stammten aus der sogenannten Erfinderserie, die in den 60er-Jahren erschien. Sie gehörten zu der Reihe um den deutschen U-Boot-Erfinder Wilhelm Bauer (1822–1875), die 1964 abrupt beendet wurde. Der DDR-Verlag Junge Welt fand die Geschichte zu klamaukig. „Außerdem kamen die Erfinder aus dem Bürgertum und nicht aus der Arbeiterbewegung, was wohl auch eine Rolle spielte“, sagt Graupner.

Und so blieben von den letzten beiden Heften nur die jetzt aufgetauchten Text-Manuskripte ohne Vorgaben für die Zeichnungen. „Die Vorlagen für die meisten Figuren fanden wir im Archiv“, erzählt Graupner. Zum Glück hatte Hegen (eigentlich Johannes Hegenbarth) seine umfangreiche Werksammlung dem Zeitgeschichtlichem Forum Leipzig überlassen. Das war fünf Jahre vor seinem Tod.
Dennoch mussten viele Dinge nachrecherchiert werden. Etwa, wie das U-Boot des Erfinders Wilhelm Bauer aussah. Denn dafür hatte Hegen keine Vorlagen hinterlassen. „Zum Glück fand ich in einem Buch zu diesem U-Boot technische Zeichnungen, aus denen ich dann das Aussehen ableiten konnte“, sagt Graupner.

Graupner und Jähde zeichneten, so wie es schon damals beim „Mosaik“ üblich war, mit der Hand. Mit Bleistift und Pinsel wurde gearbeitet. Das Colorieren der Bilder geschah am Computer. Allerdings arbeiteten beide Zeichner nicht am gleichen Ort. Graupner saß in Berlin, zeichnete die Figuren auf die Hintergründe, die ihm Jähde aus Greifswald per Mail zugeschickt hatte.
Die Arbeiten am neuen „Mosaik“-Heft dauerten ein Jahr
Fast ein Jahr dauerte die Arbeit. Das Aufbereiten des Heftes, die Anordnung der Texte und Dialoge, das Entstehen der Bilder, für die es ja keine Vorgabe gab: „Ich habe im Prinzip das alles gemacht, woran früher etwa zehn Leute in der ,Mosaik‘-Redaktion gearbeitet haben“, sagt Graupner.

Das fertige Heft wurde dem Adoptivsohn vorgelegt, um dessen Einverständnis einzuholen, und dann dem heutigen „Mosaik“-Verlag übergeben, um das Heft zusammen mit einer aktuellen Abrafaxe-Ausgabe am 16. Mai herauszugeben, dem Tag, an dem der „Mosaik“-Erfinder und Digedags-Papa Hegen 100 Jahre alt geworden wäre.

Graupner ist dem Verlagschef von Steinchen für Steinchen, Klaus D. Schleiter, dafür sehr dankbar. „Dass er uns unterstützte, ist ein schönes Zeichen dafür, dass die Abrafaxe und die Digedags heute gemeinsam für das ,Mosaik‘ stehen.“ Mit dem Heft soll auch Hegens Frau Edith geehrt werden, die im Januar 100 Jahre alt geworden wäre. Sie hatte für die Digedags-Geschichten die Figuren entworfen. Für Graupner geht die Arbeit weiter. Zusammen mit Jähde als Hintergrundzeichner sitzt er nun an der Umsetzung des zweiten aufgetauchten Digedags-Manuskriptes. Es soll Ende des Jahres erscheinen.