„Silly – Die geklaute Band“

Silly-Skandal: Gitarrist rechnet mit Tamara Danz ab

Rock-Legende Tamara Danz im Kreuzfeuer: Ex-Gitarrist Fritzsching enthüllt in einem Buch Mobbing, Intrigen und Machtspiele in der DDR-Kultband Silly.

Author - Stefan Henseke
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1994 machten Tamara Danz und Silly ohne den Bandgründer Thomas Fritzsching weiter.
1994 machten Tamara Danz und Silly ohne den Bandgründer Thomas Fritzsching weiter.Gueffroy/imago

Sie war die große Rock-Lady der DDR. Tamara Danz, mit ihrer Band Silly. Hits wie „Bataillon d’Amour“, „Verlorene Kinder“ oder „Die wilde Mathilde“ prägten den Sound der ausklingenden Deutschen Demokratischen Republik. Von den Fans wurde die Danz verehrt. Als eine, die anders war, die sich nicht unterkriegen ließ, die aufbegehrte. Doch der ehemalige Silly-Gitarrist Thomas Fritzsching zeichnet jetzt ein ganz anderes Bild der Frontfrau. Er spricht von Mobbing und rechnet mit der 1996 verstorbenen Sängerin in seinem Buch „Silly – Die geklaute Band“ (Buschfunk, 300 Seiten, 25 Euro) ab.

Thomas Fritzsching war der Bandgründer. 1977 in Prenzlauer Berg. Zusammen mit Bassist Mathias Schramm entdeckte er Tamara Danz als Sängerin und formierte später die Band Silly. Der Bandname wurde, weil er englisch klang, von den DDR-Kulturbehörden erst nicht zugelassen. Ein Trick half. Der Name wurde um das Wort Familie erweitert und Silly flugs zum Bandmaskottchen erklärt – das sei eine Katze, hieß es. Und Familie Silly startete durch. Mit Ulkrock, Hits wie „Der letzte Kunde“, Touren durch den Ostblock. Erst zwei Jahre später durfte Silly das Vorwort Familie wieder streichen.

Tamara Danz mit Prostituierter verwechselt

So richtig familiär ging es innerhalb der Band aber sowieso nicht zu, wenn man Fritzsching glauben darf. Man hört aus dem, was der Gitarrist in seinem Buch schreibt, heraus, dass er sich zunehmend von der immer wichtiger werdenden Tamara Danz an den Rand gedrückt fühlte. Sie seien damals keineswegs nur eine lustige Partyband gewesen, wie das später Tamara Danz immer darstellte, schreibt er.

Fritzsching erzählt in dem Buch von abenteuerlichen Touren durch den Ostblock: So mussten sie Tamara Danz einmal bei der rumänischen Polizei abholen – man hielt sie wegen ihres wilden Outfits für eine Prostituierte. Mit der Band richtig aufwärts ging es, als Texter Werner Karma dazustieß, der ihnen die Songs ihres ersten Hit-Albums „Mont Klamott“ (1983) auf den Leib schrieb, das in der DDR zur Platte des Jahres gewählt wurde.

Doch schon damals hätte die Band die Prinzipien ihrer Gründung verraten, berichtet Thomas Fritzsching heute. Als Regel galt: keine Beziehungen innerhalb der Band. Doch Tamara Danz hatte ihren eigenen Kopf. Zwei Keyboarder der Band wurden ausgebootet, ersetzt durch Ritchie Barton, den Partner von Tamara Danz. Mehr und mehr übernahm die Sängerin das Kommando und holte „ihre“ Musiker an Bord. Erst Bassist Jäcki Reznicek (von Pankow), dann den Gitarristen Uwe Hassbecker (Stern Meißen) – ihren neuen Freund. Bäumchen wechsele dich innerhalb der Band.

Mobbing durch Tamara Danz

1984 verließ der Schlagzeuger Mike Schafmeier die Band. 1986, nach Fertigstellung der LP „Bataillon d’Amour“, wurde Bassist Mathias Schramm der Laufpass gegeben. Bald darauf war Texter Werner Karma dran. Den Umgang mit langjährigen Mitstreitern erklärt Fritzsching als klares Mobbing vor allem durch Tamara Danz, schreibt die Berliner Zeitung. Werner Karma nannte später den Rausschmiss des Silly-Komponisten und Arrangeurs Mathias Schramm die größte Gemeinheit, die er in 40 Jahren Arbeit mit Musikern erlebt hätte.

Tamara Danz mit der ersten Band-Besetzung (1980), die sich damals noch Familie Silly nannte. An der Gitarre: Thomas Fritzsching.
Tamara Danz mit der ersten Band-Besetzung (1980), die sich damals noch Familie Silly nannte. An der Gitarre: Thomas Fritzsching.Gueffroy/imago

Thomas Fritzsching durfte weitermachen. Aber er wurde mehr und mehr an den Rand gedrängt. Tamara Danz und ihre Männer Barton und Hassbecker waren jetzt die Bestimmer. Die anderen Bandmitglieder wurden bei der Arbeit am Album „Februar“ (1989) vom Komponieren ausgeschlossen – alle Rechte und damit die Tantiemen bleiben bei Danz, Barton & Hassbecker. Fritzsching machte die vergiftete Atmosphäre krank – Burnout, wie er später erkannte. Bei den Studioaufnahmen für die Alben „Februar“ und „Hurensöhne“ durfte Fritzsching keinen Ton mehr beisteuern.

1994 dann der endgültige Knall: Die Band machte ohne ihn weiter. Und nach dem Krebstod von Tamara Danz sicherten sich Barton und Hassbecker ganz nebenbei den Namen Silly – ohne den Mann, der die Band einst erfand und ihr den Namen gab.