Gerade erst feierte Deutschland das 35-Jahre-Jubiläum der Wiedervereinigung, am 9. November jährte sich der Mauerfall zum 36. Mal. Doch noch immer wird gestritten: Ist die Wiedervereinigung wirklich geglückt – und welche Fehler wurden gemacht? Vor allem der Umgang mit der DDR und dem Osten wird immer wieder kritisiert. In einem Podcast meldete sich jetzt auch Schlager-Star Stefanie Hertel zu Wort – und übt scharfe Kritik: Der Osten sei bei der Wiedervereinigung unter den Tisch gekehrt worden.
Als die Mauer fiel, war Stefanie Hertel dankbar und froh
„Als die Mauer fiel, war ich unfassbar glücklich und dankbar und froh“, sagt sie im Rahmen der Interview-Reihe „DNA des Ostens“ der Bundesstiftung für Aufarbeitung der SED-Diktatur. Sie selbst war gerade zehn Jahre alt – und ihre Familie habe es gar nicht fassen können. Als sie das erste Mal über die Grenze fuhren, seien sie mit einer unglaublichen Herzlichkeit empfangen worden. Blumen wurden verteilt, erinnert sich Stefanie Hertel. „Das sind Momente, die vergesse ich mein ganzes Leben nicht.“
Auch die Freiheit sorgte für großes Glück. Plötzlich konnte man reisen, den Osten auch mal verlassen. Und: Stefanie Hertel konnte in eine gesamtdeutsche Schlager-Karriere starten. Darüber, dass die deutsche Teilung auch Jahre nach der Wende in vielen Bereichen noch existiert, ist die Sängerin alles andere als glücklich.
„Ich war immer sehr verärgert, wenn es Menschen gab oder bis heute Menschen gibt, die immer noch die Grenze sehen.“ Allerdings hätten die Menschen im Osten auch 40 Jahre lang andere Dinge erlebt, seien anders geprägt worden, hätten anders gegessen und andere Sendungen im Fernsehen geschaut.

Doch Hertel übt auch harte Kritik am Vorgehen während der Wiedervereinigung. „Nach der Wende wurde erst mal alles abgeschafft, was im Osten da war – eben auch die guten Dinge.“ Der Osten sei unter den Tisch gekehrt worden. „Als wären wir das Geringfügigste, als hätten wir nichts zustande gebracht“, sagt sie. Das stimme einfach nicht. „Es wurde alles total entwertet – und das ist so schade.“ Denn es habe viele Dinge gegeben, die auch gut waren. „Und das hat ganz schön Schaden angerichtet.“ Schaden, den man noch heute in der Unzufriedenheit der Ostdeutschen sehen kann.
Stefanie Hertel kritisiert Unterschiede bei Löhnen und Renten
Auch heute sieht Stefanie Hertel nicht, dass die deutsche Einheit vollständig geglückt ist. „In den Köpfen der Menschen wird diese innere Einheit ein Stück weit möglich sein – aber das muss sich verwachsen im Laufe der Generationen“, sagt sie. Selbst bei ihr sei noch vieles aus der damaligen Zeit da – obwohl sie es nicht will, direkt nach der Wende viele gesamtdeutsche Erlebnisse hatte.
Sie kritisiert auch, dass die Menschen im Osten Nachteile erfahren – etwa bei den Löhnen oder den Renten. „Das sollte eigentlich nicht sein. Das sollte irgendwann wirklich mal einheitlich sein.“
Denn der Osten habe bei der Wiedervereinigung auch vieles mitgebracht – laut Stefanie Hertel etwa wunderschöne Regionen und großartige Menschen: Künstler, Sportler, kluge Köpfe. „Menschen, die in der Wissenschaft sich bewiesen haben, die tolle Dinge erfunden haben – da gibt es sicherlich jede Menge, die dieses Land bereichern.“
Sie gehört selbst zu den Künstlern, die nach der Wende die gesamte Bundesrepublik verzauberten: Nach ersten Schritten in der DDR wurde sie schon 1990 von einem Manager aus Bayern unter Vertrag genommen. 1991 erreichte sie mit dem Song „So a Stückerl heile Welt“ den fünften Platz beim Grand Prix der Volksmusik. Schon ein Jahr später gewann sie den Wettbewerb mit „Über jedes Bacherl geht a Brückerl“. Der Rest ihrer Karriere ist ein Stück deutsche Schlager-Geschichte – mit Wurzeln im Osten.




