Wirklich berühmt, ja zu einer Legende wurde Waldemar Cierpinski durch die Worte des Fernsehreporters Heinz Florian Oertel bei seinem Zieleinlauf in Moskau vor 45 Jahren. „Liebe Zuschauer zu Hause, das ist ein einmaliger Triumph! Liebe junge Väter vielleicht, oder angehende, haben Sie Mut! Nennen Sie Ihre Neuankömmlinge des heutigen Tages ruhig Waldemar“, rief Oertel am 1. August 1980 in sein Mikrofon: „Waldemar ist da!“ Zweimal holte Waldemar Cierpinski Olympia-Gold über 42,195 Kilometer. Eine Sensation!
Gleich um die Ecke vom Marktplatz in Halle liegt das Sportgeschäft des Marathon-Olympiasiegers von 1976 und 1980. Inhaber Waldemar Cierpinski ist im Osten Deutschlands bis heute überaus populär. An diesem Sonntag – dem Schlusstag der deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Dresden – wird er 75 Jahre alt.
Zum Geburtstag Radtour mit Kumpels
Dann wird der Mann, der für immer mit den Worten der TV-Reportage verbunden bleibt, in der Nähe des böhmischen Kurortes Marienbad sein und sich mit ein paar Kumpels auf eine Radtour begeben. Groß gefeiert wird dann am 6. September: Seine Ehefrau ist in diesem Frühjahr schon 75 geworden, der älteste Sohn wird 50, dann gibt es eine Fete zum insgesamt 200. Geburtstag.
250.000 Kilometer ist Cierpinski nach eigenen Angaben in seinem Leben gelaufen. Genug ist das, findet er, und spielt heute nur noch Fußball – eine Leidenschaft, von der er auch zu seinen besten Zeiten nie lassen konnte. Der Mann mit dem schütteren Haar ist im Gespräch mit der dpa so, wie ihn die Menschen schätzen: nahbar, bodenständig, bescheiden und auch witzig, dabei aber nicht ohne klare Meinung. Und natürlich trägt er ein Paar Laufschuhe.

Unweigerlich kommt zwischen den Regalen voller aktueller Modelle auch die Rede auf den 2023 gestorbenen DDR-Fernsehreporter Heinz Florian Oertel. Er begleitete den Zieleinlauf von Cierpinski 1980 bei Olympia in Moskau mit den Worten: „Liebe junge Väter oder angehende – haben Sie Mut! Nennen Sie Ihre Neuankömmlinge des heutigen Tages ruhig Waldemar! Waldemar ist da!“
Oertels Reportage ist allgegenwärtig
Das fand der damalige Sieger gar nicht so passend und sagte das „meinem Freund Flori“ auch. Doch angesichts der folgenden Fanpost-Flut merkte Cierpinski, was Oertel ausgelöst hatte und weiß es schon lange zu schätzen. „Das haben sich die Leute gemerkt. Ich werde jeden Tag darauf angesprochen“, sagt er. Einige angehenden Eltern hätten Oertels Anregung tatsächlich wörtlich genommen und ihm davon berichtet. Zu sportlichem Ruhm brachte es Cierpinski bereits 1976. In Montreal bezwang er Frank Shorter, der vier Jahre nach Gold in München erneut Favorit im Marathon war.
Viermal Training am Tag
Cierpinski erzählt, wie er mitunter bis zu viermal am Tag trainierte und schließlich abends aus dem fünften Stockwerk noch den Papierkorb zum Müll brachte – damit er noch einmal Treppen steigen musste. Daran habe er 1976 im Rennen gedacht, als er eine Lücke zu Shorter zunächst nicht schließen konnte. Vor 49 Jahren in Montreal gewann Cierpinski in 2:09:55 Stunden sein erstes Gold, in Moskau in 2:11:03 Stunden sein zweites. Heute fehlen im Marathon auch dank großer Fortschritte bei der Schuhtechnologie noch 35 Sekunden zur Zwei-Stunden-Marke bei einem offiziellen Marathon-Rennen.
„Das ist für mich nicht wichtig. Ich bin kein Freund von organisierten Rennen“, sagt Cierpinski. Tempomacher würden auch viel Arbeit für den Kopf abnehmen. Für ihn sind auch die 42,195 Kilometer „ein Wettkampf Mann gegen Mann“ – so wie 1980 gegen den zweitplatzierten Niederländer Gerard Nijboer oder vier Jahre zuvor gegen Frank Shorter.

Unterwegs mit Gysi
Termine hat Waldemar Cierpinski neben dem Fußballspielen auch heute noch immer genug. Sei es als Gast auf Marathonläufen, wo er die Aktiven mit seinen Geschichten und Anekdoten inspiriert. Oder auf gemeinsamen Talkrunden mit Linke-Politiker Gregor Gysi an der Ostsee. In Halle schaut dann sein Sohn Falk – früher einer der besten deutschen Marathonläufer – nach dem gerade erst umgebauten Geschäft. (dpa)