Sportreporterlegende Heinz Florian Oertel lebt in seinen Reportagen und berühmten Sprüchen weiter.
Sportreporterlegende Heinz Florian Oertel lebt in seinen Reportagen und berühmten Sprüchen weiter. Stephanie Pilick/dpa/Archivbild

Wenn die Melodie von „He, he, he – Sport an der Spree!“ aus den Lautsprechern erklang und die einprägsame Stimme Heinz Florian Oertels zu hören war, fühlten sich einst die Hörer des Berliner Rundfunks sofort mitten hineingezogen in das Sportgeschehen in Berlin und der Welt. Obwohl „Flori“ zu den großen deutschen Legenden als Fernsehsportreporter zählte, gestand er in persönlichen Gesprächen: „He, he ist mein Kind.“

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Die Sendung hatte er aus der Taufe gehoben. Oertel lebte mit seiner Ehefrau Hannelore bis zu seinem Tode am 27. März dieses Jahres in der Nähe des schönen Bürgerparks in Berlin-Pankow. Das war nicht immer so. 1927 kam Oertel in Cottbus zur Welt. „Vier Personen in Stube und Küche. Das war nicht einfach“, erzählte der Star des deutschen Wortes in ruhigen Minuten gern einmal aus seiner Jugend.

Statt Abitur Ostwallschipper, letztes Aufgebot und Gefangenschaft

„Grundschule, Mittelschule und Oberschule in Cottbus. Statt Abitur war ich mit 16 Jahren Ostwallschipper beim Arbeitsdienst, schließlich mit 17 Jahren Soldat auf Sylt, danach ein Jahr Gefangenschaft“, schilderte mir Heinz-Florian Oertel.

Zurück in Cottbus nahm er Schauspielunterricht. Beim Cottbuser Studio des Landessenders Potsdam fiel Oertel als großes Talent auf, als er ein Frauen-Handballspiel übertrug. Bereits 1952 gehört er bei den Olympischen Spielen zur Reportergilde. Eine besondere Freundschaft verband Oertel mit dem Box-Olympiasieger Wolfgang Behrendt. Der Sportreporter sowie der spätere Kameramann und Fotoreporter Behrendt waren nach der Wende gern gesehene Gäste bei zahlreichen Treffen mit Sportfans. Wolfgang spielte mit der Trompete auf und Oertel nannte ihn den „Satchmo-Amateur.“

Winter-Olympia Februar 1980: Die nordischen Kombinierer Ulrich Wehling (2.v.l.), Uwe Dotzauer (l.) und Co-Trainer Dietmar Hupfer (r.) zu Gast bei Moderator Heinz Florian Oertel im DDR-Fernsehen.
Winter-Olympia Februar 1980: Die nordischen Kombinierer Ulrich Wehling (2.v.l.), Uwe Dotzauer (l.) und Co-Trainer Dietmar Hupfer (r.) zu Gast bei Moderator Heinz Florian Oertel im DDR-Fernsehen. Werner Schulze/Imago

Oertel berichtete von 17 Olympischen Spielen und über 100 Europa- und Weltmeisterschaften. Emotionsausbrüche wie 1980 beim zweiten olympischen Marathonsieg des Hallensers Waldemar Cierpinski – „Liebe junge Väter oder angehende, haben Sie Mut! Nennen Sie Ihre Neuankömmlinge des heutigen Tages ruhig Waldemar! Waldemar ist da!“ oder beim 10.000-m-Olympiasieg Lasse Virens 1972 in München – „Er ist im Ziel der Tartan-Elch aus Finnland“, sind Reporter-Geschichte und gefielen den Fans.

Im Eiskunstlauf gab Oertel den DDR-Stars mit seinen Worten zusätzlichen Glanz

Den unverwüstlichen Tschechen Emil Zatopek ließ er als „Lok von Kosice“ über die Aschenbahn dampfen. Bei allen Europa- und Weltmeisterschaften oder Olympischen Winterspielen im Eiskunstlaufen lockte Oertel Millionen vor die Fernsehapparate. Er gab den Stars wie Christine Stübner-Errath, Anett Pötzsch, Jan Hoffmann, den Paaren Heidemarie Steiner /Heinz-Ulrich Walther, Romy Kermer/Rolf Oesterreich, Manuela Groß/Uwe Kagelmann oder Sabine Baeß/Tassilo Thierbach und natürlich Katarina Witt mit seinen bildhaften Formulierungen zusätzlichen Glanz. Christine Errath führte er später als Reporterin an die DDR-Fernsehmikrofone heran. „Er war ein traumhafter Lehrer“, gesteht die Ex-Weltmeisterin heute noch.

Da in der DDR Devisen knapp waren, sparte das Fernsehen. Als Reporter der Zeitung Junge Welt sprang ich als Redakteur für Oertel ein. Ich erlebte einen äußerst kollegialen, freundlichen Menschen mit dem man gern zusammen arbeitete. Da wurde Arbeit zum Vergnügen. So empfand es auch DFF-Regisseur Helmut Gerhard (91). Er freute sich immer auf die Arbeit mit Oertel, dem Star ohne Starallüren. „Zwischen uns gab es nie Streit“, erinnert sich Gerhard.

Nach der Wende wurde Oertel keineswegs der Rote Teppich ausgerollt

Noch vor dem Mauerfall promovierte der Sportjournalist Oertel. Der Doktortitel kam ihm nach der Wende zu Gute. Beim öffentlich rechtlichen Rundfunk wurde dem begnadeten Reporter nämlich keineswegs der Rote Teppich ausgerollt. Mit Hilfe des Reporters Rudi Michel aus Kaiserslautern übertrug Oertel nach dem Mauerfall ein einziges Bundesligaspiel VfB Stuttgart gegen den 1. FC Köln. An der FU in Berlin gab er Vorlesungen in Rhetorik. Ein besserer Dozent für dieses Fach wäre sicher nur schwer zu finden gewesen.

Statt ans Mikrofon zu treten, setzte sich im vereinten Deutschland der Reporter an seine alte Erika-Schreibmaschine und schrieb äußerst interessante Bücher mit Titeln wie „Pfui Teufel“, „Gott sei Dank“, „Halleluja für Heuchler“ und zuletzt „Wenn man aufsteht, kann man sich tiefer verbeugen“. Zusammen mit Schwimm-Olympiasiegerin Kristin Otto und einmal 2002 mit Katarina Witt sowie dem Sportjournalisten Volker Kluge fungierte er als Herausgeber von acht Olympiabüchern.

Schreiben war der Lausitzer gewöhnt, denn zu DDR-Zeiten schrieb er Kolumnen für die Berliner Zeitung, die Freie Erde in Neubrandenburg und natürlich die Lausitzer Rundschau in Cottbus.

Der erfolgreiche Moderator der TV-Sendung „Porträt per Telefon“ oder „Schlager einen großen Stadt“ blieb auch von Schicksalsschlägen nicht verschont. Mit nur 43 Jahren starb Oertels Tochter Annette. Da auch deren Ehemann verstorben war, nahmen sich die Großeltern, als Oertel bereits 80 war, dennoch des Enkels an und zogen den Jungen groß.

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