Er war 1968 bei den Olympischen Sommerspielen in Mexico-City dabei. Von den 25 Medaillen, die die DDR gewann, holte sich Dieter Semetzky eine Silberne im Rudern. Damals war der gebürtige Dresdner 19 Jahre alt. Heute ist Dieter Semetzky 75, fühlt sich noch immer fit und mag an den Ruhestand gar nicht denken. Er hat sogar einen neuen Job. Der DDR-Olympia-Ruder ist jetzt Nachtwächter.
Streng genommen ist Dieter Semetzky gar kein Ruderer, sondern ein Steuermann. Aber als solcher ist er der wichtigste Mann im Boot, der mit dem richtigen Ziehen der Steueranlage und mit seinen Anfeuerungsrufen über Sieg und Niederlage entscheidet. So war es auch 1968, als Semetzky den DDR-Vierer mit Steuermann bei den Olympischen Spielen auf Medaillen-Kurs hielt. Als Zweite kam das Boot ins Ziel. Nur die Neuseeländer waren schneller.
Ab dem 1. Mai ist der einstige Olympiakämpfer in ganz anderen Gewässern unterwegs. In der wunderschönen sächsischen Stadt Meißen taucht nun Semetzky im historischen Kostüm als Nachtwächter auf. Bewaffnet mit Laterne und Hellebarde taucht der Olympiamedaillen-Träger in die Finsternis der deutschen Porzellanmetropole ein.
Zusammen mit den Touristen geht Semetzky eine Stunde lang durch die altehrwürdigen Gassen der unteren Altstadt von Meißen auf Zeitreise – immer dann, wenn es dämmert. Da gibt es Geschichten von Badehäusern und Rattenplagen, von Scharfrichtern und ausschweifenden Gelagen im Ratskeller zu hören. „Alles wahre Begebenheiten, aber schön verpackt“, sagt Semetzky.
Nachtwächter Dieter Semetzky: Er holte für die DDR olympisches Silber, reiste dann durch die Welt
Und er berichtet auch, dass der Nachtwächter-Job zu Mittelalterzeiten nicht gerade fürstlich entlohnt wurde. „Seine eigentlich wichtige Tätigkeit galt als unehrenhaft – schließlich war er eine Gestalt der Dunkelheit.“ Nur einen Groschen bekam der Nachtwächter, wenn er nachts durch die Stadt zog und die schlafenden Bürger vor Feuer, Dieben und allerlei anderem Unheil schütze.
Das Herumführen der Touristen: Der einstige Olympia-Ruderer macht es mit Leidenschaft. Schließlich kennt er sich in der Tourismus-Branche sehr gut aus. Mitte der 80er-Jahre leitete Semetzky ein Ferienhotel. Nach der Wende hatte er ein kleines Reisebusunternehmen in Dresden, fuhr mit Touristen durch Europa.

Warum er nun als Nachtwächter in der Stadt des Meißner Porzellan unterwegs ist? „Meißen ist eine der schönsten Städte Europas, neben Rothenburg ob der Tauber oder Brügge müssen wir uns nicht verstecken“, sagt Semetzky. Er muss es ja wissen. Denn der Olympionike fuhr nicht nur als Busfahrer durch Europa. Der Rudersteuermann schipperte nach dem Ende seiner Sportlaufbahn als Kapitän der DDR-Handelsflotte sogar auf den Weltmeeren.
Nun, der neue Nachtwächter hat was zu erzählen. Bis September wird er in Meißen im Einsatz sein. Seine Führungen sind begehrt. Am besten ist es, sich schon im Voraus einen Platz an seinem Wunschtermin zu sichern, aber auch Buchungen bis kurz vor Veranstaltungsbeginn sind kein Problem, sagt Tourist-Info-Chefin Christina Czach.
Die Nachtwächter-Touren können unter anderem im Internet gebucht werden. Die Führungen kosten pro Person 10 Euro, Kinder (6 bis 16 Jahre) zahlen 7 Euro.