Vorm Bundeskanzleramt

Zwei Klima-Kleber hungern, bis der Kanzler seine Klimapolitik ändert

Unter dem Slogan „Hungern, bis ihr ehrlich seid“ sind zwei Ingenieure aus Berlin und Bayern in den Hungerstreik getreten.

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Richard Cluse (57) und Wolfgang Metzeler-Kick (49) sind gegenüber vom Bundeskanzleramt im Hungerstreik.
Richard Cluse (57) und Wolfgang Metzeler-Kick (49) sind gegenüber vom Bundeskanzleramt im Hungerstreik.Sabine Gudath

Jetzt sind sie wieder da angekommen, wo sie begonnen haben. Bei einem Hungerstreik im Berliner Regierungsviertel. Dieser radikale Protest war im August und September 2021 die Initialzündung für die Aktionen der sogenannten Letzten Generation, die dann zu Klima-Klebern wurden. Weil sie damit nichts erreichten, wird jetzt wieder gehungert. Zwei Ingenieure fordern von der Bundesregierung eine radikale Kehrtwende in der Klimapolitik. Der Spreebogenpark gegenüber dem Kanzleramt ist seit Montag Schauplatz eines Hungerstreiks.

Unter dem Slogan „Hungern bis ihr ehrlich seid“ sind zwei Ingenieure im Berliner Regierungsviertel in den Hungerstreik getreten. Die 57 und 49 Jahre alten Männer fordern von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) „Ehrlichkeit“ beim Thema Klimakatastrophe und von der Bundesregierung ein radikales Umsteuern in der Klimapolitik. „Wir erwarten, dass die Bundesregierung die Klimawissenschaft ernst nimmt“, erklärten die beiden Klimaschutz-Aktivisten zum Start eines Protestcamps gegenüber dem Bundeskanzleramt.

Der 49-jährige Wolfgang Metzeler-Kick vom Tegernsee in Bayern hungert nach eigenen Angaben bereits seit dem 7. März. Der 57-jährige Berliner Richard Cluse hat am Sonntag beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingelegt und ist seit Montag ebenfalls im Hungerstreik. Beide nehmen nur Flüssigkeiten zu sich. Am 24. März 2021 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Klimaschutzmaßnahmen der damaligen Bundesregierung nicht ausreichend sind. „Seit drei Jahren gibt es den Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichtes und es tut sich nichts“, kritisiert Cluse.

Wolfgang Metzler-Kick wird von Polizisten nach einer Autobahnblockade in Berlin weggeschleift.
Wolfgang Metzler-Kick wird von Polizisten nach einer Autobahnblockade in Berlin weggeschleift.Wikimedia Commons/PIC-ONE/Stefan Müller

Vom Bundeskanzler fordern sie eine Regierungserklärung, in der Scholz anerkennt, dass der Fortbestand der menschlichen Zivilisation durch die Klimakatastrophe extrem gefährdet ist und dass der CO₂-Gehalt in der Luft bereits viel zu hoch ist, wie es zuletzt auch der Weltklimarat bestätigt habe. Deswegen müsse Deutschland, wenn auch mit Jahren Verspätung, radikal umsteuern.

Beide sind nach eigenen Angaben seit Jahren in der Klimabewegung aktiv, zuletzt bei der Letzten Generation. „Die bisherigen Protestformen haben nicht gewirkt“, sagt Cluse, der jahrelang als Energieberater für die Industrie gearbeitet hat. 2022 habe er sich der Letzten Generation angeschlossen und nach Blockadeaktionen sechs Tage in einer Justizvollzugsanstalt gesessen: „Deswegen gehen wir jetzt einen neuen Weg: nicht konfrontativ, aber mit einem hohen persönlichen Einsatz.“

Wolfgang Metzeler-Kick (r.) und sein Verteidiger im Mai 2023 im Amtsgericht Berlin-Tiergarten
Wolfgang Metzeler-Kick (r.) und sein Verteidiger im Mai 2023 im Amtsgericht Berlin-TiergartenPressefoto Wagner

Auch Wolfgang Metzeler-Kick, Ingenieur für technischen Umweltschutz, saß schon in Bayern in Präventivhaft, war mehrmals in Polizeigewahrsam und stand in Berlin wegen diverser Klebeaktionen vor Gericht. Eine Ausbildung zum Krankenpfleger musste er wieder abbrechen. Der Grund: seine Klima-Kleber-Aktionen. „Diese Tätigkeit brachte es mit sich, dass sich in der Ausbildung zu viele unentschuldigte Fehlzeiten ansammelten“, erzählte er T-Online.de. Inzwischen ist er Vollzeitaktivist.

Der Hungerstreik sei „sein letzter Kampf mit friedlichen Mitteln“, droht Wolfgang Metzeler-Kick

Metzeler-Kick kritisiert jetzt, den Menschen werde vorgegaukelt, dass die Regierung alles im Griff habe. „Wir Ingenieure und Techniker können die Menschheit aber nicht mehr retten“, sagt er. Es helfe nur noch eine „radikale Kehrtwende“. Alles andere sei „Verdrängung“. Auch der 49-Jährige hat in der Vergangenheit Straßen blockiert, sich festgekettet oder den bayerischen Landtag mit Farbkugeln beworfen. Der Hungerstreik sei „sein letzter Kampf mit friedlichen Mitteln“, sagt er drohend.

Beide betonen, sie seien jederzeit für Gespräche mit Politikern, Abgeordneten oder Ministern offen. Am 7. März hätten sie ihre Forderungen in einem Brief an den Bundeskanzler formuliert. Eine Reaktion aus dem Kanzleramt habe es aber bislang nicht gegeben.

Unterstützt werden sie vor Ort nach eigenen Angaben von etwa 20 Menschen, die sich in der Klimaschutzinitiative „Hungern bis ihr ehrlich seid“ zusammengeschlossen haben. Sie organisieren in dem Camp ein tägliches Programm zu Klimathemen. Auch 18 Ortsgruppen von „Parents for Future“ stellen sich hinter die Forderungen und bitten in einem am Montag verbreiteten Offenen Brief den Bundespräsidenten, dass Frank-Walter Steinmeier moderierend eingreift. ■