Autos fahren zickzack

Wut-Stau der Händler wegen Poller-Chaos am Ostkreuz

Händler und Unternehmer finden die neue Verkehrsberuhigung gar nicht gut. Doch das Bezirksamt in Friedrichshain bleibt stur bei seiner Linie.

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Geschäftsführer Martin Wiedemann klagt über die neue Verkehrsberuhigung in Friedrichshain.
Geschäftsführer Martin Wiedemann klagt über die neue Verkehrsberuhigung in Friedrichshain.Jule Damaske

Das neue Verkehrskonzept rund um das Ostkreuz in Berlin-Friedrichshain sorgt für erhebliche Spannungen. Besonders bei Händlern und Unternehmen. Betroffen von den umstrittenen Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung ist auch das Unternehmen „Kinderevents Berlin“. Es geht um die Existenz.

Seit 15 Jahren ist der Laden in der Scharnweberstraße eine feste Größe im Kiez. Nun sieht sich Geschäftsführer Martin Wiedemann vor existenzielle Herausforderungen gestellt, schreibt die Berliner Zeitung. Hintergrund ist die Verpollerung ganzer Straßen, die das Gewerbe erheblich beeinträchtigen könnten.

Darum geht’s: Das Projekt „Xhain beruhigt sich“ sieht Einbahnstraßen, Poller, autofreie Zonen und Umleitungen über Nebenstraßen vor. Besonders die Scharnweberstraße soll zwischen Finow- und Jungstraße autofrei werden. Ausnahmen gelten nur für Lieferdienste der Grundschule und Einsatzfahrzeuge.

Für Gewerbetreibende wie Wiedemann ein Problem: Die Logistik wird durch diese Maßnahmen nahezu unmöglich. Materialien wie Hüpfburgen oder Bierzeltgarnituren, die oft mehrere Hundert Kilogramm wiegen, lassen sich ohne Fahrzeuge nicht transportieren.

Verkehrskonzept am Ostkreuz für ältere Leute unerträglich

Nicht nur die Geschäftsführung von „Kinderevents Berlin“ sieht sich betroffen. Auch Einrichtungen für körperlich beeinträchtigte Menschen könnten Schwierigkeiten bekommen, da Pflegedienste in den geplanten Zonen nicht mehr mit Fahrzeugen vorfahren können.

Ebenso seien ältere Menschen durch eingeschränkte Mobilität benachteiligt. Hinzu kommt die Sorge, dass Umleitungen über bislang ruhige Nebenstraßen die Belastung durch Verkehr, Lärm und Abgase verschärfen könnten.

Trotz der Bedenken betont das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg die Vorteile des Konzepts, so die Berliner Zeitung. Untersuchungen hätten ergeben, dass die Verlagerung des Verkehrs auf Hauptstraßen wie die Frankfurter Allee oder die Warschauer Straße als „verträglich“ einzustufen sei. Dafür muss der Verkehr aber auch erst mal auf diese Hauptstraßen gelangen. Und dafür muss er Nebenstraßen im Kiez nutzen. Das geht künftig vor allem im Zickzack-Kurs.

Rund um den Boxhagener Platz in Berlin-Friedrichshain gibt es Widerstand gegen die Verkehrsberuhigung.
Rund um den Boxhagener Platz in Berlin-Friedrichshain gibt es Widerstand gegen die Verkehrsberuhigung.Emmanuele Contini

Das Bezirksamt jedenfalls erwartet, dass mehr Menschen auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umsteigen. Kritiker wie Wiedemann zweifeln aber an der Umsetzbarkeit und sehen in den Maßnahmen eine Benachteiligung großer Teile des Kiezes.

Völlig unklar ist laut KURIER-Informationen, warum das Bezirksamt die am nächsten liegenden Bahnhofquartiere zwischen Holtei-, Böcklin- und Neue Bahnhofstraße von den Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung komplett ausschließt. Denn hier gibt es das höchste Verkehrsaufkommen und die meiste Belastung für Anwohner. Das ergibt keinen Sinn.

Der Unternehmer Wiedemann bemängelt außerdem die Informationspolitik des Bezirks. Zwar gab es Ende 2023 Veranstaltungen zur Bürgerbeteiligung sowie Flyer und Aushänge, aber erreicht hätten diese nur einen Bruchteil der Bewohner. Bei über 140.000 Einwohnern im Stadtteil hätten gerade einmal 1000 Menschen das Konzept unterstützt!

Das Bezirksamt sieht die Sache laut KURIER-Informationen so: „Im November 2023 fanden insgesamt drei Vor-Ort-Veranstaltungen an verschiedenen Standorten im Kiez statt. Vor Ort haben rund 200 Menschen die Veranstaltungen besucht und es wurden 100 Fragebögen ausgefüllt. Zudem wurden im November 2023 rund 80 Gespräche mit Gewerbetreibenden geführt sowie Kiezspaziergänge für besondere Zielgruppen (Kinder, mobilitätseingeschränkte Menschen) durchgeführt. Parallel dazu gab es die Möglichkeit für eine Online-Beteiligung. Online wurden 742 Bewertungen und 295 Kommentare abgegeben.“

Auch Polizei und Feuerwehr sehen Verkehrskonzept am Ostkreuz kritisch

Nicht nur Gewerbetreibende, auch die Berliner Polizei und Feuerwehr sehen Herausforderungen durch die neuen Verkehrsregelungen. Bereits in Anhörungen 2023 wurde darauf hingewiesen, dass sich Einsatzwege verlängern könnten. Der Bezirk behauptet allerdings, dass diese Bedenken in die Planung einflossen.

Für Wiedemann und sein Unternehmen steht viel auf dem Spiel. Ohne praktikable Lösungen für die Logistik könnte das Geschäftsmodell in Friedrichshain nicht fortgeführt werden, deutet er in der Berliner Zeitung an. Auch andere Dienstleister, Eltern und Lieferanten müssten sich auf erhebliche Umstellungen einstellen.

All das zeigt, wie schwierig es ist, die Interessen von Umwelt, Anwohnern und Gewerbe in einer wachsenden Stadt in Einklang zu bringen. Was man in Berlin aber auch sieht ist: Es regt die Menschen auf, wenn sie durch Tricksereien an wichtigen Maßnahmen nicht beteiligt werden. ■