Wahlkrimi im Landtag

Brandenburger Landeschef: Dietmar Woidke erst im zweiten Durchgang gewählt

Half die CDU oder die AfD mit? Denn es war knapp für Dietmar Woidke. Denn die Mehrheit der Brandenburger Regierungskoalition aus SPD und BSW ist recht dünn.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Dietmar Woidke (SPD): Seine Wiederwahl zum Brandenburger Ministerpräsidenten wird zur Zitterpartie.
Dietmar Woidke (SPD): Seine Wiederwahl zum Brandenburger Ministerpräsidenten wird zur Zitterpartie.Michael Bahlo/dpa

Wahlkrimi im Potsdamer Landtag: Dietmar Woidke (SPD) will wieder Brandenburger Ministerpräsident werden. Doch seine Wiederwahl ist am heutigen Mittwoch zur Zitterpartie geworden. Erst im zweiten Durchgang wurde er zum Landeschef gewählt. 87 Abgeordnete gaben ihre Stimmen ab. 50 entschieden sich für Woidke, 36 gegen ihn. Es gab eine Enthaltung. 45 Stimmen hätten schon für Woidkes Erfolg gereicht, der um 11 Uhr zum Ministerpräsidenten vereidigt wurde.

Die Erleichterung des SPD-Politikers, der bereits seit elf Jahren Brandenburg regiert, war ihm deutlich anzusehen. Denn bei dem ersten geheimen Wahlgang, der nach 10 Uhr begann, war Woidke mit Pauken und Trompeten durchgefallen.

Die Stimmen von 85 Abgeordneten wurden als gültig gezählt, davon entfielen 43 für Woidke, 40 gegen ihn. Zwei Enthaltungen und zwei ungültige Stimmen gab es. Damit war Woidke durchgefallen. 45 Stimmen hätte er benötigt.

Die Wahl des Ministerpräsidenten war die erste Bewährungsprobe in der jungen Ehe zwischen SPD und der Partei von Sahra Wagenknecht (BSW).  Brandenburg ist bundesweit das erste Bundesland, in dem eine Regierung aus diesem Bündnis gebildet wird.

Doch die Abstimmung zeigte bereits, dass man in dieser Ehe starke nerven braucht. Dennnicht alle Abgeordneten in der Koalition zwischen BSW und SPD sind auf Woidkes Seite, die im Brandenburger Landtag nur eine hauchdünne Mehrheit von 46 Stimmen in dem Landesparlament hat, in dem insgesamt 88 Abgeordnete sitzen.

Vor fünf Jahren war Ministerpräsident Woidke im ersten Wahlgang gewählt worden, allerdings hatte er damals rechnerisch nicht alle Stimmen seiner Koalition mit CDU und Grünen erhalten.

Diesmal gab es im ersten Wahlgang zumindest zwei Abweichler. Einer ist aus den Reihen der BSW-Fraktion schon lange als Wackelkandidat bekannt. Sven Hornauf aus Frankfurt (Oder) hatte erklärt, wegen Kritik an einer Stationierung des Raketenabwehrsystems Arrow 3 am Fliegerhorst Holzdorf Woidke nicht mitzuwählen.

Ob der zweite Wackelkandidat auch beim BSW oder sogar bei der SPD war, ist unklar. Unklar ist bisher auch, aus welchen Fraktionen die Abgeordneten kamen, die sich im ersten Wahlgang der Stimme enthielten, beziehungsweise ungültige Stimmen abgeben. Auf jeden Fall sollte Woidke einen Denkzettel erhalten.

Landeschef Woidke: Mit Stimmen der CDU oder der AfD gewählt?

Der neue Regierungschef ist zumindest mit einem blauen Auge davon gekommen. Möglicherweise wurde er im zweiten Durchgang mit Stimmen der CDU gewählt, deren Fraktion eigentlich geschlossen gegen Woidke stimmen wollte. CDU-Fraktionschef Jan Redmann äußerte dagegen die Vermutungrt, dass Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) mit Stimmen der AfD wiedergewählt worden sei. „Aus der CDU gab es keine Zustimmung zu dieser Koalition“, schrieb Redmann auf X.

Würde dies so sein, wäre Woidke nach dem FDP-Politiker Thomas Kemmerich in Thüringen 2020 der zweite Ministerpräsident Deutschlands, der offenbar mit Stimmen der AfD ins Amt gewählt worden sei. Brandenburgs AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt konterte: „Jedermann weiß, dass die Stimmen für Woidke nur von der CDU gekommen sein können

Fakt ist: Wäre Woidke auch im zweiten Durchgang gescheitert, hätte er und das neue Regierungsbündnis echt Probleme bekommen. Zwar wären in einem möglichen dritten Wahlgang die Hürden niedriger: Es ist gewählt, wer die meisten Stimmen erhält. Aber in diesem Fall hätten auch andere Parteien einen Kandidaten aufstellen können - auch die AfD.

Oder der dritte Wahlgang wäre vertagt worden. Das hätte bedeutet: Wenn der Landtag bis zum 16. Januar 2025 keinen neuen Regierungschef gewählt hätte, wäre es zu Neuwahlen in Brandenburg gekommen.

Dietmar Woidke (SPD) bei seiner Vereidigung zum Ministerpräsidenten.
Dietmar Woidke (SPD) bei seiner Vereidigung zum Ministerpräsidenten.Sebastian Christoph Gollnow/dpa

BSW und SPD - ein Bündnis ohne Alternative

Die SPD will in den kommenden fünf Jahren zusammen mit dem BSW regieren. Eine solche Koalition ist Neuland in Deutschland. Das BSW hatte sich erst in diesem Jahr gegründet und zog aus dem Stand heraus in den Landtag ein.

Nur SPD und BSW haben im Landtag eine realistische Mehrheit, denn keine Partei will mit der AfD koalieren. In Thüringen streben SPD, CDU und BSW eine Koalition an.

Die Brandenburger Oppositionsparteien CDU und AfD werten den Ausgang des ersten Durchgangs zur Wahl des Ministerpräsidenten als schwere Schlappe. AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt sprach sogar von einer „Demütigung“ für Woidke. CDU-Politiker Jan Redmann sagte dem RBB: „Wenn diese Koalition keine Mehrheit auf die Matte bekommt, dann entfällt eigentlich die Geschäftsgrundlage für diese Koalition.“

Umfrage: Mehrheit sieht Koalition aus SPD und BSW kritisch

Die Menschen in Brandenburg sehen die neue Regierungskoalition aus SPD und BSW mehrheitlich skeptisch. Vor dem Start der neuen Landesregierung finden 30 Prozent der Brandenburgerinnen und Brandenburger das Bündnis gut oder sehr gut, wie aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap im Auftrag von rbb24 Brandenburg aktuell und Antenne Brandenburg hervorgeht. 61 Prozent bewerten die Koalition demnach weniger gut oder schlecht.

Rund zweieinhalb Monate nach der Landtagswahl soll am Mittwoch auch die neue Regierungsmannschaft loslegen. Die SPD besetzt sechs Ministerien plus Staatskanzlei, das BSW drei Ministerien.

Wenn der Ministerpräsident vereidigt ist, ernennt er sein Kabinett. Danach soll Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) die neuen Ministerinnen und Minister vereidigen.

Die künftige Agrar- und Umweltministerium Hanka Mittelstädt von der SPD wird am Mittwoch voraussichtlich noch nicht dabei sein. Sie führte ein landwirtschaftliches Familienunternehmen, einen Betrieb mit Legehennen, den sie noch abgeben muss. Im Ministergesetz heißt es: „Die Mitglieder der Landesregierung dürfen neben ihrem Amt kein anderes besoldetes öffentliches Amt innehaben, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben.“