Der klare KURIER-Kommentar

Weihnachtsmärkte in Berlin öffnen diese Woche: Wer braucht das bitte?

Der Advent in Berlin geht dieses Jahr schon mit dem November los. Doch unser Autor fragt sich, wer bei 15 Grad und Sonnenschein einen Weihnachtsmarkt besucht.

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Weihnachtsmarkt in Berlin am Potsdamer Platz: Dieses Jahr geht er als Wintermarkt schon am 1. November los.
Weihnachtsmarkt in Berlin am Potsdamer Platz: Dieses Jahr geht er als Wintermarkt schon am 1. November los.Emmanuele Contini/Imago

Fröhliche Weihnacht überall – und in Berlin sogar schon diese Woche. Denn die ersten Weihnachtsmärkte in der Hauptstadt beginnen schon am Freitag. Los geht es mit zwei großen Märkten. Am Potsdamer Platz heißt der dann öffnende Abschnitt nur „Wintermarkt“ und lockt mit einer riesigen Eisrutsche. In Lichtenberg wirbt ab Freitag die „Lichtenberger Winterzeit“ an der Landsberger Allee um Gäste.

Dort soll es nach Angaben der Veranstalter nicht nur „kulinarische Genüsse für alle Sinne“ sondern auch „weihnachtliches Flair“ und „spektakuläre Fahrgeschäfte“ geben. Kinder sollen dort Karussell fahren, während sich die Eltern „bei Glühwein und anderen Naschereien entspannen können“.

Weihnachtsmärkte in Berlin öffnen diese Woche

Als ich die Ankündigung lese, verstehe ich die Welt nicht mehr. Am 1. November haben viele noch nicht einmal ihr Halloweenkostüm ausgezogen, andere sind vermutlich noch vom letzten Oktoberfest in einem Wirtshaus verkatert. Und da fällt den Veranstaltern von Märkten nichts besseres ein, als die Weihnachtsdeko rauszuholen und den ersten Nikolaus hinzusetzen?

Ein „unvergessliches vorweihnachtliches Erlebnis für die ganze Familie“ wird mir hier versprochen. Aber wie weihnachtlich kann es sein, wenn wir jetzt Weihnachten zwei Monate im Jahr feiern? Schlimm genug, dass die Supermärkte uns schon im August mit Weihnachtssüßigkeiten vollstopfen wollen. Feiern wir dann auch gleich den Ostermarkt direkt ab Neujahr? Jetzt soll ich also auch noch Glühwein trinken, wenn draußen lauwarme 15 Grad herrschen? Die Wettervorhersage jedenfalls ist wenig winterlich.

Warten bis fast zum Dezember ist viel besinnlicher

Viel schlimmer finde ich aber, dass die vorgezogenen Weihnachten andere Feste links liegen lassen. Ende Oktober werden eigentlich vielerorts noch Erntedankfeste gefeiert. Anfang November folgen dann Allerheiligen und Allerseelen - für Katholiken zumindest. Dann gibt es auch noch die Martinsfeiern mit den tollen Umzügen, die besonders für kleine Kinder ein Erlebnis sind. 

Und auch der Kirche sind zu frühe Weihnachtsmärkte nicht geheuer. „Alles hat seine Zeit“, zitiert T-Online einen Vertreter der Evangelischen Kirche dazu. „Wenn ich etwas immer habe, verliere ich die Freude daran.“ Man muss aber auch gar nicht gläubig sein, um zwei Monate Advent wenig sinnstiftend zu finden. 

Denn eigentlich beginnen Weihnachtsmärkte traditionell immer erst nach dem Totensonntag. Der sollte auch ein Sonntag der Ruhe sein, an dem die Menschen ihren verstorbenen Angehörigen gedenken. Ich jedenfalls warte bis mindestens dahin, bis ich auf einen Weihnachtsmarkt gehe. Denn ohnehin ist das Warten bis kurz vor den Dezember viel besinnlicher. Zu dieser Jahreszeit ist es draußen meist merklich kühler. Da fühlt sich der Winter dann auch wie Winter an. Und der Glühwein, der schmeckt bei winterlicher Kälte auch gleich viel besser. ■