Irrer Zoff

Wegen Radweg: Mieter sollen aus ihren Wohnungen raus!

Was hat eine Radspur mit dem Brandschutz zu tun? In Charlottenburg kommt beides zusammen – und löst nun Ängste bei Anwohnern aus.

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Um den Pop-up-Radweg an der Kantstraße gibt es irren Zoff. Weil er zu schmal für Feuerwehrfahrzeuge im Ernstfall ist, sollen nun Mieter aus ihren Wohnungen raus. 
Um den Pop-up-Radweg an der Kantstraße gibt es irren Zoff. Weil er zu schmal für Feuerwehrfahrzeuge im Ernstfall ist, sollen nun Mieter aus ihren Wohnungen raus. Rüdiger Wölk/imago

Ein sogenannter Pop-up-Radweg sorgt für einen irren Zoff an der Kantstraße in Berlin-Charlottenburg. Wegen der vor vier Jahren gebauten Radler-Trasse will dort der Bezirk Mieter aus ihren Wohnungen werfen.

Eine Posse vom Feinsten. Den Pop-up-Radweg hatte einst der rot-rot-grüne Senat durchgesetzt. Dabei hatte man aber damals nicht bedacht, dass er total unnütz ist, wenn im Ernstfall einmal die Feuerwehr anrücken muss, sollte es in einem der anliegenden Häuser brennen.

Denn der Radweg befindet sich am Rand der Fahrbahn der Kantstraße und grenzt an den Bürgersteig. Daneben verlaufen eine Parkspur und dann eine Spur für den fließenden Verkehr. Laut B.Z. und Bild ist der Radweg zu schmal für Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr.

Radweg zu schmal für Einsatzfahrzeuge

Denn von der linken Fahrspur für den fließenden Verkehr kann eine Drehleiter demnach nicht die oberen Etagen bestimmter Wohngebäude erreichen, für die es keinen anderen Fluchtweg gibt. Und der Einsatz von Rettungsleitern bei Gebäuden bis 22 Metern Höhe sei gesetzlich vorgeschrieben.

Bezirksstadtrat Christoph Brzezinski (CDU)
Bezirksstadtrat Christoph Brzezinski (CDU)DTS/imago

Eine brenzlige Situation, in der nun der zuständige Charlottenburger Bezirksstadtrat Christoph Brzezinski (CDU) eingriff. Denn das Bezirksamt sieht Gefahren für die Bewohner. Seit Jahren führe der Bezirk mit dem Land Berlin eine Diskussion über das Feuerwehr-Problem mit dem Radweg, für den der Bezirk nie seine Einwilligung gegeben hatte. Doch der Zoff führte zu keinem Ergebnis.

Mieter sollen wegen Radweg aus ihren Wohnungen: Stadtrat sieht sich zum Äußersten gezwungen

Bezirksstadtrat Brzezinski  sieht sich nun zum Äußersten gezwungen. In einem Schreiben an die Senatsverwaltung für Verkehr, über das am Wochenende zuerst die B.Z. berichtete, spricht er von einer ernsthaften Gefahr für Leib und Leben der Bewohner und stellt „sukzessive Nutzungsuntersagungen für die betroffenen Wohneinheiten“ in Aussicht.

Mit anderen Worten, die Mieter sollen aus den oberen Wohnungen der betroffenen Häuser raus. Und das soll demnach schon Anfang November geschehen. Wie viele Bewohner betroffen sind, ist unklar.

Offenbar will der Bezirksstadtrat mit seinem Vorgehen den Senat unter Druck setzen. Denn der Radweg soll endlich weg, der in der Coronazeit vor rund vier Jahren vom damaligen Senat nur provisorisch als einer der ersten sogenannten Pop-up-Radwege in Berlin geschaffen wurde, damit Radfahrer in einem damals vorgeschriebenen Mindestabstand vorbeifahren konnten. Dass es Probleme mit der Feuerwehr geben könnte, ist wohl im damaligen Senat niemanden aufgefallen.

Irrer Radweg-Zoff: Senat zeigt sich gesprächsbereit

Nun ist die Pandemie vorbei, aber der Radweg noch immer da – und Mieter sollen deshalb aus ihren Wohnungen fliegen. Stadtrat  Brzezinski macht klar: „Ich kann und will mir nicht vorstellen, dass wir keine andere Lösung finden“, sagt er dem Tagesspiegel.

Sollten dennoch ab November die Schreiben zur Nutzungsuntersagung an Haushalte gehen, bedeute das nicht, dass die Bewohner sofort ihre Wohnungen räumen müssten. Zunächst beginne damit ein mehrere Monate dauerndes Rechtsverfahren, so Brzezinski. „Niemand möchte, dass die Menschen aus ihrer Wohnung ausziehen, das ist klar. Aber die Verfahren werden wir einleiten müssen.“

Nun hat auch der Senat reagiert, zeigt sich gesprächsbereit. „Selbstverständlich wird unsere Verwaltung mit Bezirk und Feuerwehr nach einer gemeinsamen Lösung suchen, die sowohl einen sicheren Fahrradweg als auch die notwendigen Bedürfnisse der Feuerwehr respektiert“, sagte eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Verkehr auf dpa-Anfrage. „Ein entsprechendes Schreiben geht heute noch an den Bezirk.“