Als Sportdirektor des 1. FC Union hat er es bis in die Champions League geschafft, jetzt versucht er, die Politik-Bundesliga zu erobern: Oliver Ruhnert. Seine neue Mannschaft: das BSW, das Bündnis Sahra Wagenknecht. Hier ist er jetzt quasi der Berlin-Direktor. Am Sonntag wurde er auf Listenplatz 1 für die kommende, vorgezogene Bundestagswahl gewählt.
Der im Juli gegründete Berliner Landesverband des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) hat auf seinem Parteitag die Landesliste für die Bundestagswahl im kommenden Jahr bestätigt. Auf dem ersten Landeslistenplatz steht nun Oliver Ruhnert, der frühere Geschäftsführer Profifußball beim Bundesligisten 1. FC Union Berlin. Mit 87,6 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Oliver Ruhnert sagte per SMS Ja zu Sahra
Auf den weiteren drei Plätzen folgen die frühere Linke-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen, der Kommunalpolitiker Norman Wolf sowie die Landes-Co-Vorsitzende und Betriebsratschefin beim Vivantes-Klinikum, Josephine Thyret.
Oliver Ruhnert war viele Jahre Freizeit-Politiker. Den 1. FC Union machte er als Verantwortlicher für das Sportliche bundesligareif, verpflichtete unter anderem Trainer Urs Fischer. Doch Politik war ihm auch immer wichtig. Ruhnert war bis 2005 Mitglied der SPD, ab 2007 als Lokalpolitiker für die Partei Die Linke im Einsatz – und musste dafür immer zwischen Berlin und Iserlohn pendeln. Denn hier war er Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Stadtrat und Mitglied in unterschiedlichen Stadtausschüssen.
Ende Mai wechselte er dann wieder die Partei. Nach SPD und Die Linke ist nun das BSW seine politische Heimat. „Ich habe Sahra Wagenknecht per SMS zugesagt“, erklärte Ruhnert im Interview mit der Zeitung Die Welt.
Jahrzehntelang war der Sonnabend für Oliver Ruhnert fest verplant. Ob als Trainer beim FC Gütersloh, als Nachwuchsleiter beim FC Schalke 04 oder als Geschäftsführer Profifußball beim 1. FC Union Berlin – Samstag war Fußballzeit. „Ich habe überhaupt noch keine Vorstellung davon, wie viele Freiräume ich jetzt noch für Fußball haben werde“, sagt Ruhnert und wirkt ein wenig melancholisch.
Aus dem familiären Stadion An der Alten Försterei wechselt der 53-Jährige nun auf die große Politikbühne. Die Gesprächspartner sind nicht mehr Union-Präsident Dirk Zingler und Trainer Bo Svensson, sondern Sahra Wagenknecht. Statt nach Talenten sucht Ruhnert künftig nach Antworten auf die großen gesellschaftlichen Probleme. „Fußball ist ein Teil meines Lebens. Inwieweit er weiter Teil meines Lebens sein wird, werde ich sehen“, sagt Ruhnert.
Bis Jahresende arbeitet Ruhnert noch beim Köpenicker Bundesligisten als Chefscout. Dann ruht der Vertrag. Ob der Einzug in den Bundestag mit dem endgültigen Abschied aus dem Fußball verbunden wäre, kann Ruhnert heute nicht beantworten. Er wechselt quasi auf Leihbasis in die Politik – mit Kaufoption. Ein Platz im neuen Bundestag dürfte ihm aber mit Listenplatz 1 relativ sicher sein – vorausgesetzt, das BSW kommt über die Fünf-Prozent-Hürde.

Das BSW gründete seinen Berliner Landesverband erst Mitte Juni und will als neue politische Kraft auch in der Hauptstadt die Politik aufmischen. Ein gutes Abschneiden am 23. Februar würde Schwung verleihen für die weitere Entwicklung des Landesverbandes – und da könnte ein vergleichsweise prominenter, in der Stadtgesellschaft gut vernetzter Spitzenkandidat aus einem beliebten Fußballclub hilfreich sein.
Nach Einschätzung von Politikwissenschaftler und BSW-Experte Jan Philipp Thomeczek könnte Ruhnert von seiner Popularität durchaus profitieren. „Bekanntheit ist erst einmal gut. Gerade Direktkandidaten sind oft nur wenigen bekannt. Auf der anderen Seite könnten andere auch argumentieren: Das ist ein Sportfunktionär, was sind seine politischen Qualifikationen?“, sagt Thomeczek.
Dass Union-Anhänger ihren ehemaligen Manager blind wählen, kann sich der Politik-Experte von der Uni Potsdam aber nicht vorstellen. „Auch die Union-Fans werden grob verfolgt haben, wofür das BSW steht, nämlich für eine links-konservative Politik mit populistischer Ansprache“, sagt Thomeczek.
Noch dreimal 1. FC Union für Oliver Ruhnert
Trotz langjähriger Erfahrungen in der Kommunalpolitik sehen ihn viele als Quereinsteiger. „Manchmal sind Quereinsteiger Menschen mit einem anderen Blickwinkel als Politprofis. Mit einer gewissen Unbekümmertheit darf man durchaus auch in die Politik gehen“, kontert Ruhnert seine Kritiker.
Über das Ampel-Aus und die vorgezogenen Neuwahlen freute sich der Erfolgsarchitekt des 1. FC Union nur bedingt. Schließlich zwang ihn der Koalitionsbruch dazu, die ursprünglichen Planungen zu verwerfen. „Normalerweise beende ich Dinge, die ich anfange, ganz gerne. Dass ich mitten in der Saison abbreche, gefällt mir nur bedingt“, berichtet der gebürtige Sauerländer.
Ein ausufernder und eloquenter Redner war Ruhnert noch nie. Er ist aber ein Mann der einfachen und deutlichen Sprache. Klare Analysen und schnelle Entscheidungen gehörten im Fußball zu seinen Stärken. Eigenschaften, die auch in einer Führungsposition in der Politik helfen sollten. „Ich glaube, dass ich diesen Transfer ganz gut hinbekomme und weiß, mit wem man über was verhandelt“, meint Ruhnert.
Im Buhlen um Wählerstimmen setzt er auch auf sein gutes Image. „Ich habe den Eindruck, dass mich nicht nur die Fans von Union Berlin schätzen. Ich glaube schon, dass die Leute mit dem Namen grundsätzlich etwas Positives verbinden“, mutmaßt der 53-Jährige.
Drei Bundesliga-Spiele stehen für die Eisernen in diesem Jahr noch auf dem Programm. Also noch dreimal Fußballplatz für Oliver Ruhnert. ■