Warum reagiert die Justiz nicht? Schon 800 Verfahren gegen Autobahnblockierer – doch jeden Morgen sitzen die gleichen Leute auf der Straße
Die Polizei nahm Hunderte Anzeigen auf, aber die Justiz tut sich schwer mit der Strafverfolgung.

Wer morgens mit dem Auto über die Stadtautobahn fahren muss, stellt sich seit drei Wochen die bange Frage: Komme ich pünktlich ans Ziel – oder versperren mir wieder Protestierer den Weg? Jeden Morgen setzen sich Klimaschutz-Aktivisten auf Berliner Kreuzungen und blockieren den Verkehr. Die Berliner Autofahrer werden immer wütender. Und die Polizei muss sich wie Don Quichotte im Kampf gegen die Windmühlenflügel vorkommen. Jeden Tag tragen sie die Protestierer von der Straße, schreiben Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren – und am nächsten Morgen sitzen die gleichen Leute wieder irgendwo auf der Straße. Weil die Justiz nicht reagiert.
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Sogenannte Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ blockieren immer wieder wichtige Straßen in Berlin. Seitdem hat die Polizei mehr als 800 Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, wie ein Sprecher der Berliner Zeitung sagte.
Klimaschutz-Demonstranten haben in der dritten Woche in Folge Autobahnausfahrten in Berlin blockiert. Auch am Freitagmorgen setzten sie sich wieder in kleinen Gruppen auf Kreuzungen, wie die Polizei mitteilte. Einige Demonstranten klebten sich an den Straßen fest. Auf den Autobahnen kam es zu Rückstaus. Die Polizei war im Einsatz und löste Blockaden in Steglitz, Tegel und Pankow auf.
Mitte Juni hatte das Trüppchen „Letzte Generation“ mit diesen wochenlangen Aktionen begonnen
Am Freitagmorgen blockierten Demonstranten die Ausfahrt Steglitz der A103. Weitere Blockaden gab es an der Ausfahrt der A111 am Kurt-Schumacher-Damm in Tegel und an der Ausfahrt Prenzlauer Promenade/Granitzstraße der A114 in Weißensee.
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Die Verkehrsinformationszentrale (VIZ) twitterte: „Die Demonstrierenden sind anscheinend dynamisch in Gruppen unterwegs. Für das gesamte Autobahnnetz gilt jetzt eine Warnung, dass punktuell Blockaden eingerichtet werden können.“
Mitte Juni hatte die Gruppe „Letzte Generation“ mit diesen wochenlangen Aktionen begonnen. Sie fordert von der Bundesregierung mehr Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel. Durch das Ankleben ihrer Hände an der Straße wollen die Demonstranten verhindern, dass die Polizei sie schnell wegbringt. Bereits von Januar bis März hatte die Gruppe immer wieder Autobahnausfahrten blockiert. Die Polizei nahm hunderte Anzeigen auf, Anklagen vor Gericht gabb es bisher noch nicht.

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Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert, dass die Polizei Demonstranten vorübergehend in einen sogenannten Gewahrsam nimmt, um zu verhindern, „dass sie am nächsten Tag woanders sitzen beziehungsweise kleben“. Möglich ist das, um Fortsetzungen von bestimmten Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten zu verhindern.
Viele der Klebeprotestler sind Wiederholungstäter
In vielen Fällen laufen gegen einzelne Personen mehrere Verfahren, weil es sich bei diesen um Wiederholungstäter handelt, wie die Berliner Zeitung berichtet. Die Vorwürfe lauten etwa gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
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Die Polizei-Gewerkschaften zeigen sich zunehmend irritiert über die bislang ausbleibenden Anklagen und Gerichtsverfahren (wie der KURIER berichtete). Straßen würden blockiert, Rettungsdienste kämen nicht zum Einsatz, „und die Berliner Justiz macht nichts“, kritisiert die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG). Schnellere Verfahren seien nötig. „Es muss die Möglichkeit geschaffen werden, die Täter direkt nach der Tat rechtskräftig zu verurteilen.“ Denn auch der Unmut in der Bevölkerung steige und im Internet werde vermehrt über Selbstjustiz diskutiert.