Lichtenberger in Rage

Wollen Bauspekulanten die Trabrennbahn Karlshorst zubauen?

An den Rändern der Trabrennbahn sollen Wohnungen entstehen, dazu muss ein Flächennutzungsplan geändert werden. Bürger fürchten um ein geschütztes Biotop und fordern Freiflächen zur Erholung im Bezirk.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Ein Traber zieht auf der Trabrennbahn Karlshorst seine Runden. Im kommenden Jahr sind zwölf Renntage avisiert.
Ein Traber zieht auf der Trabrennbahn Karlshorst seine Runden. Im kommenden Jahr sind zwölf Renntage avisiert.Markus Wächter/Berliner Zeitung

So viel wie an den Ostpro-Tagen ist hier auf der Trabrennbahn Karlshorst im Bezirk Lichtenberg selten los. Wenn sich immer im Herbst und im Frühjahr rund um die Tribüne und in der historischen Wetthalle die Menschen tummeln, nur dann wird der Ort aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Gäste sehen aber auch den Verfall auf dem Gelände. Viele der Bauten auf der Trabrennbahn sind marode, zugewuchert. Stoisch ziehen wenige Traber auf dem Geläuf ihre Runden.

„Direkt nach der Wende gab es in Berlin noch etwa hundert Renntage. Davon fanden knapp die Hälfte in Karlshorst statt. Dieses Jahr haben wir nur noch 14 und nächstes Jahr sind es zwölf“, erzählt Dimitrios Vergos dem RBB. Er ist Geschäftsführer des Pferdesportparks (PSP), welcher die Trabrennbahn Karlshorst seit 20 Jahren betreibt. Wirtschaftlich ist das alles nicht. Vorbei die kaiserlichen Zeiten, in denen der Pferderennsport die Massen begeisterte. Seit der Übernahme schreibt der PSP rote Zahlen. Die Zukunft des Areals soll goldener aussehen, dank der Bebauung mit 500 Wohnungen.

Schnäppchen Trabrennbahn Karlshorst

2004 wurde das 37 Hektar große Gelände aus Treuhandbeständen an den Verein Pferdesportpark (PSP) und an zwei weitere verkauft. 54 Cent für den Quadratmeter, ein Schnäppchen. Die Auflage damals: Pferdesport und die Nutzung für Freizeitangebote sollten erhalten bleiben. Nach zehn Jahren Spekulationsfrist veräußerte der Pferdesportpark 2015 Teile seines Besitzes an ein Zentrum für Inklusiven Pferdesport und Reittherapie, nun für 17,79 pro Quadratmeter. Weitere Flächen gingen an die Brüder Eiken und Nils Albers, die das Wettbüro auf der Trabrennbahn betreiben. Bis auf die Tribüne und das Geläuf sind alle Flächen inzwischen veräußert.

Nun wollen die neuen Eigentümer mit Unterstützung des Bezirks, wie an so vielen Stellen der Stadt, am SEZ etwa, Wohnhäuser bauen. Doch Bürger laufen Sturm gegen die Pläne.

Besucher stehen auf der Trabrennbahn Karlshorst bei der Messe Ostpro Schlange.
Besucher stehen auf der Trabrennbahn Karlshorst bei der Messe Ostpro Schlange.Volkmar Otto

Die Berliner Zeitung zitiert aus einem abgeänderten Bebauungsplan, den das zuständige Bezirksamt Lichtenberg und die Firma Ligne Architekten im Jahr 2021 vorlegten: „Wie die Champignons auf der Wiese tauchen Punkte im Gelände auf – lauter Baublöcke, Fünf- bis Sechsgeschosser überwiegen, und dazu zwei Hochhäuser. Viele Bauten sollen allen Ernstes auf dem wertvollsten Streifen des gesamten Areals stehen – einem streng geschützten Biotop“, heißt es da.

Wird auf der Trabrennbahn Karlshorst im großen Stil gebaut?

Diese Pläne bringen Lichtenberger Bürger, die sich im Verein Karlshorst e.V. engagieren, in Rage. „Laut übergeordnetem Flächennutzungsplan darf an all diesen Stellen keinesfalls gebaut werden“, sagen sie. Es sei denn, eine geschickt agierende Allianz von Interessierten brächte eine Änderung des Flächennutzungsplans zuwege. „Da wird ein gesetzlich geschütztes Biotop unter Begleitung des Stadtbezirks überplant!“, kritisieren Dr. Götz Frommer, Vorsitzender des Vereins Karlshorst e.V. und der stellvertretende Vereinsvorsitzende Albrecht Gramberg.

Senat hatte einst Bedenken gegen die Umnutzung in Lichtenberg

Dabei hatte schon 2021 der Berliner Umweltsenat „grundsätzlich Bedenken“ gegen die „Planungsabsicht“ erhoben. Es bestehe kein „Gesamtinteresse Berlins“, die Planung widerspreche Flächennutzungsplan und Landschaftsprogramm. Trotzdem hätten der zuständige Stadtrat Kevin Hönicke (SPD), inzwischen abgelöst, und Andreas Geisel, der ehemalige Umwelt-, dann Bausenator, zuvor Umwelt- und Baustadtrat, dann Bezirksbürgermeister von Lichtenberg, die Machenschaften unterstützt, schreibt die Berliner Zeitung.

Und nun sei Geisels Parteifreund Christian Gaebler der entscheidende Berliner Stadtentwicklungssenator. „Brisant“, finden die Vorstände von Karlshorst e.V. die ganzen Zusammenhänge.

Aus den bisherigen Beteiligungsverfahren im Bezirk wisse man doch, was die Leute statt Wohnungen wollen: Sportflächen, Naturflächen, Erholungsgebiete, Frischluftschneisen, Begegnungsorte, überlebensfähigen Pferdesport, so der Verein Karlshorst e.V. gegenüber der Berliner Zeitung.

Das Gelände leidet an Vandalismus und verfällt in Teilen.
Das Gelände leidet an Vandalismus und verfällt in Teilen.Markus Wächter/Berliner Zeitung

Doch auch auf der maroden Rennbahn befürwortet der PSP-Vorstand die Bebauungspläne. „Wir haben uns als PSP dem Bebauungsplan angeschlossen, weil wir für uns persönlich große Vorteile darin sehen. Es wird eine Strukturierung für das ganze Gelände geschaffen“, sagt Dimitrios Vergos dem RBB.

Das große, ungenutzte Areal ist oft Opfer von Vandalismus, Leute lagern ihren Müll illegal ab. Eine Änderung des Bebauungsplans würde zudem auch weitere Nutzer anlocken:  „Es gibt jetzt schon Interessenten, die das Angebot mit uns gemeinsam erweitern wollen. Wir wollen eine Boulderhalle bauen und auch eine neue Reitanlage. Wir haben außerdem Anfragen für Tennisplätze“, so Vergos.

Wohnraum schaffen an jeder Ecke in Berlin?

„Wohnraum wird in Berlin benötigt, aber nicht an jeder Stelle. Stadtentwicklung ist eine klare Verabredung, wo Wohnraum, Gewerbe, Straßen und Grünflächen sein sollen. Und die Trabrennbahn ist genau nicht der Bereich, wo man Wohnraum braucht. Hier ist ein Erholungsbereich und deswegen ist das Gelände im Flächennutzungsplan ja auch als Grün- und Sportfläche codiert“, hält Götz Frommer dagegen.

Und was, wenn beides möglich wäre? Das klare Ziel des Bebauungsplans sei es, die Umwelt und landschaftlichen Qualitäten zu sichern und zu verbessern und vor allem den historischen Standort der Trabrennbahn mit ergänzenden Freizeit- und Pferdesportnutzungen zu erweitern und diesen damit langfristig zu sichern, teilte das Bezirksamt Lichtenberg dem RBB mit. Die Randbebauung soll die geschützten Biotope nicht tangieren.

Damit die Trabrennbahn erhalten werden kann, muss sie und ihre Umgebung wirtschaftlicher werden: „Mit den aus den Grundstücksverkäufen eingenommenen Geldern haben wir die nächsten fünf Jahre abgesichert. Solange kann die Trabrennbahn in jedem Fall finanziert werden. Diese Zeit wollen wir aber natürlich auch nutzen, um den Fortbestand auch länger zu bewältigen. Dafür muss es jetzt vorwärtsgehen“, sagt Dimitrios Vergos. ■