Tragödie vor Gericht

Kleinkind schreit nach Mama – nachdem es in Katzenbox aus Fenster geworfen wurde

Eine 41-jährige Mutter von vier Kindern aus Berlin-Treptow steht in Verdacht, ihre Tochter aus dem Fenster geworfen zu haben. Was geschah wirklich?

Author - Michael Heun
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Vor dem Haus prallte die Katzenbox auf den Betonboden.
Vor dem Haus prallte die Katzenbox auf den Betonboden.Morris Pudwell

Ein schockierender Fall beschäftigt seit dieser Woche das Berliner Landgericht: Nikola K., eine 41-jährige Mutter von vier Kindern, steht im Verdacht, ihre jüngste Tochter in eine Katzenbox gesperrt und aus einem elf Meter hohen Fenster ihrer Wohnung geworfen zu haben. Was an jenem 10. Juni geschah, ist schwer zu fassen, und die Aussagen der beiden Ersthelfer bieten widersprüchliche Perspektiven auf die dramatischen Minuten nach dem Vorfall.

Es ist der zweite Verhandlungstag, und der Fokus liegt auf den Schilderungen der Ersthelfer, die das blutende und schwer verletzte Kleinkind, erst 21 Monate alt, als Erste im Gebüsch fanden. Derek A., ein 18-jähriger Azubi, war auf dem Weg zur Bushaltestelle, als er plötzlich das leise Wimmern eines Kindes hörte.

„Das kleine Mädchen lag unter einem Fahrradständer, das Gesicht blutüberströmt, in der Nähe waren zerborstene Plastikteile“, schildert der junge Mann vor Gericht. Es habe immer wieder nach seiner Mama geschrien. In seiner ruhigen Erzählweise beschreibt er das Bild, das sich ihm bot: das weinende Kind, dessen kleine Hände und Kleidung von scharfkantigen Plastiksplittern übersät waren.

Grausame Details des Falls erschüttern das Gericht und die Öffentlichkeit

Doch während Derek A. sicher ist, dass das Kind mit „keinem Körperteil in der Box war“, schildert der zweite Ersthelfer, Carsten W. (57), das Szenario völlig anders. Er will das Mädchen „definitiv“ in der Box gesehen haben. „Ich habe genau gesehen, wie der junge Mann das Kind aus der Box gehoben hat“, betont Carsten W. energisch und widerspricht damit seinem jüngeren Mitzeugen. Auf die Nachfrage des Richters, ob er sich täuschen könne, schüttelt er entschlossen den Kopf und beharrt auf seiner Sicht der Dinge.

Die widersprüchlichen Aussagen der beiden Zeugen sorgen für zusätzliche Verwirrung, während die grausamen Details des Falls das Gericht und die Öffentlichkeit gleichermaßen erschüttern. Nach bisherigen Ermittlungen soll die mutmaßliche Täterin, Nikola K., ihre kleine Tochter aus einem Fenster der im dritten Stock gelegenen Wohnung in der Ortolfstraße in Altglienicke geworfen haben.

Die Plastikbox, in der das Kind angeblich steckte, zersplitterte beim Aufprall auf den harten Boden, und die kleine Tochter erlitt schwerste Verletzungen: mehrere Knochenbrüche, eine Stauchung der Wirbelsäule und zahlreiche Prellungen und Schwellungen. Ob das Kind bleibende Schäden davontragen wird, ist noch unklar.

Angeklagte sitzt emotionslos auf der Anklagebank

Nikola K. selbst zeigt während der Verhandlung kaum Regung. Sie sitzt emotionslos auf der Anklagebank und verfolgt die Aussagen ihrer Nachbarn und der Ersthelfer. Während die Staatsanwaltschaft die Tat als versuchten Mord aus niedrigen Beweggründen einstuft, besteht der Verdacht, dass die Angeklagte zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war.

Nach Angaben der Ermittler litt die Mutter unter einem schweren psychotischen Schub, der sie dazu veranlasste, ihre jüngste Tochter zu gefährden. Sollte dies bewiesen werden, wird die Staatsanwaltschaft auf eine dauerhafte Unterbringung der Angeklagten in einer psychiatrischen Klinik plädieren.

Die Angeklagte Nikola K. (41) zeigte während der Verhandlung kaum Regung.
Die Angeklagte Nikola K. (41) zeigte während der Verhandlung kaum Regung.Pressefoto Wagner

Szene in der Wohnung war geprägt von Chaos

Wie die Ermittlungen weiter zeigen, war Nikola K. während der Tatzeit nicht allein in ihrer Wohnung – ihr neunjähriger Sohn befand sich ebenfalls dort, bemerkte jedoch offenbar nichts von dem entsetzlichen Vorfall. Nachdem die Polizei vor Ort eintraf und vergeblich an die Wohnungstür geklopft hatte, wurde die Tür gewaltsam geöffnet. Die Szene in der Wohnung war geprägt von Chaos: ein zersplittertes Handy und ein zerfetzter Müllsack, offenbar ebenfalls aus dem Fenster geworfen. Warum Nikola K. auf das Klingeln und Klopfen der Beamten nicht reagierte, bleibt bisher ungeklärt, auch weil die Angeklagte konsequent zu den Vorwürfen schweigt.

Besonders bitter ist die Tragödie für die anderen Kinder von Nikola K., die nach dem Vorfall von Verwandten betreut werden. Die jüngste Tochter, das Opfer dieser schockierenden Tat, steht derzeit unter dem Schutz des Jugendamtes und wird medizinisch versorgt. Eine Rückkehr zur Familie ist nicht geplant, die Zukunft des Kindes ist noch ungewiss. Die Geschwister und Angehörigen versuchen, mit den traumatischen Ereignissen umzugehen und die psychologischen Folgen für die Kinder abzuwenden.

Handelte die Mutter in einem psychotischen Schub?

Der Fall Nikola K. und ihre mutmaßliche Tat haben nicht nur Berlin erschüttert. Der Gedanke, dass eine Mutter bei klarem Bewusstsein oder in einem psychotischen Schub derart drastisch die Gesundheit und das Leben ihres Kindes gefährden könnte, lässt viele Menschen fassungslos zurück. Die Staatsanwaltschaft bemüht sich, Licht in die Hintergründe dieser Tat zu bringen und herauszufinden, welche Umstände zu diesem Vorfall führten. Auch die Rolle der psychischen Erkrankung wird dabei eine zentrale Frage sein. ■