Auf Partys, im Büro

Tilidin, Oxycodon, Fentanyl: Immer mehr Berliner sind auf Droge

Synthetische Opioide sind bei Jüngeren auf dem Vormarsch. In der HipHop-Szene, von Rappern wie Capital Bra, werde der Konsum von Tilidin laut einem Bericht oft verharmlost oder glorifiziert.

Author - Berliner KURIER
Teilen
„Gib mir Tilidin, ja, ich könnte was gebrauchen“, heißt es in einem Song der Rapper Capital Bra (Foto) und Samra. In der HipHop-Szene wird der Konsum von Tilidin oft verharmlost oder sogar glorifiziert.
„Gib mir Tilidin, ja, ich könnte was gebrauchen“, heißt es in einem Song der Rapper Capital Bra (Foto) und Samra. In der HipHop-Szene wird der Konsum von Tilidin oft verharmlost oder sogar glorifiziert.Uli Deck/dpa

Drogen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und dabei geht es nicht um Heroin, das früher mal das Schreckgespenst war. Man sah die Junkies auf den Straßen. Heute sind die Junkies unter uns. Auf Partys, im Büro, im Alltag. Vor allem synthetische Opioide sind bei Jüngeren auf dem Vormarsch. Auch in Berlin. „Gib mir Tilidin, ja, ich könnte was gebrauchen“, heißt es in dem Song „Tilidin“ der Rapper Samra und Capital Bra.

Tilidin, Tramadol und Oxycodon sind synthetische Opioide, die als zugelassene Medikamente eigentlich zur Behandlung von starken Schmerzen eingesetzt werden. Wie auch Fentanyl gehören sie zu einer Gruppe neuerer Drogen.

Die Todesdroge Fentanyl ist in Berlin angekommen

In den USA gilt Fentanyl als Droges- oder Zombiedroge. Eine Fentanyl-Überdosis ist heute die häufigste Todesursache von  US-Amerikanern in der Altersgruppe zwischen 18 und 45 Jahren. Angefixt von Opoid-Schmerzmitteln, die ihnen Ärzte verschrieben, wurden Millionen Amerikaner abhängig, und stiegen dann auf das preiswertete Fentanyl um. Fentanyl ist 80- bis 100 Mal stärker als Morphium.

In Deutschland ist Fentanyl bisher die Ausnahme. Aber auch hier ist die gefährliche Droge auf dem Vormarsch. Laut einem Bericht des Münchner Instituts für Therapieforschung ist die Verbreitung gefälschter Tabletten, die statt der angegebenen Inhaltsstoffe Fentanyl oder andere Opioide enthalten, ein wachsendes Problem.

Im Herbst 2024 habe der deutsche Zoll erstmals rund 1000 Tabletten sichergestellt, die als Oxycodon-Tabletten deklariert waren, aber zwei Stoffe aus der Gruppe der Nitazene sowie Benzodiazepine enthielten. Ein steigender Konsum und eine hohe Verfügbarkeit von Fentanyl wird vor allem aus dem Osten Deutschlands berichtet, aus anderen Landesteilen weniger, wie es im Bericht heißt.

Der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, sagte beim Besuch einer Notaufnahme in Berlin: „Wir haben keine Opioidkrise wie in Amerika.“ Es gebe aber erste Tendenzen und Anzeichen, auf die man sich vorbereiten müsse, damit es nicht schlimmer werde. In Berlin habe es bisher keine einzige Sicherstellung von Fentanyl in Pulverform gegeben, sagte jetzt der  Kriminaldirektor Carsten Pfohl der Berliner Zeitung. Pfohl leitet das Drogendezernat im Landeskriminalamt.

Ein Arzt der Feuerwehr von Cincinnati verabreicht einem Mann Naloxon als Gegenmittel gegen eine mögliche Überdosierung durch ein Opioid.
Ein Arzt der Feuerwehr von Cincinnati verabreicht einem Mann Naloxon als Gegenmittel gegen eine mögliche Überdosierung durch ein Opioid.John Minchillo/AP

Das heißt aber nicht, dass die Droge Fentanyl noch nicht in Berlin angekommen wäre. Zwar nicht in Pulverform – aber als verschreibungspflichtiges Schmerzpflaster. Kriminelle Banden brechen in Arzt-Praxen ein, stehlen Blankorezepte und fälschen diese. Allein der AOK Nordost ist im ersten Quartal diesen Jahres durch Rezeptfälschungen ein Schaden in sechsstelliger Höhe entstanden. Der Anteil an gefälschten Fentanyl-Rezepten steigt dabei.

„Wir haben immer mehr Sicherstellungen von Pflastern und auch von Rezeptfälschungen zur Erlangung von Fentanylpflastern“, sagt auch Kriminaldirektor Carsten Pfohl in der Berliner Zeitung. Der Kriminalist bezweifelt aber, das wir in Berlin und Deutschland jemals so eine Fentanyl-Welle wie in den USA sehen werden. „Es sind andere synthetische Opioide, zum Beispiel Nitazene, in Europa auf dem Markt, die mindestens genauso schädlich sind.“

Und so warnen bei uns Experten, dass immer mehr junge Menschen in Deutschland starke Schmerzmittel wie Tilidin oder Oxycodon missbrauchen. In manchen Substitutionspraxen und Suchtkliniken beträgt der Anteil junger Personen inzwischen 15 bis 20 Prozent, wie es in einem Bericht des Münchner Instituts für Therapieforschung heißt.

In Berlin: 294 Menschen starben 2024 an Drogen

In der HipHop-Szene werde der Konsum von Tilidin laut dem Bericht oft verharmlost oder sogar glorifiziert, wodurch viele junge Menschen früh damit in Kontakt kämen. Viele wüssten gar nicht, dass die Tabletten süchtig machen könnten. Suchtexperten berichten von jüngeren Konsumenten, die zunächst Tilidin konsumierten, dann auf das stärker wirksame Oxycodon umstiegen und später teilweise Heroin nähmen und in Substitutionsbehandlung gingen.

In den USA waren 2023 rund 75.000 Todesfälle aus synthetischen Opioiden wie Fentanyl zurückzuführen. In Deutschland sind für 2023 insgesamt 2227 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Konsum von illegalen Substanzen bekannt. Und in Berlin steigt die Zahl der Drogentoten seit Jahren wieder an – von 230 im Jahr 2022 über 271 (2023) auf 294 Fälle im vergangenen Jahr.

Im U-Bahnhof Schönleinstraße an der Linie U8 konsumieren Junkies die gerade gekauften Drogen sofort.
Im U-Bahnhof Schönleinstraße an der Linie U8 konsumieren Junkies die gerade gekauften Drogen sofort.Berliner Kurier

Drogen sind in Berlin überall zu bekommen. Nicht nur im Görlitzer Park. Sogenannte Kokstaxis liefern innerhalb von wenigen Minuten direkt nach Hause. Schwerpunkt des Heroinhandels ist seit Jahren vor allem die U-Bahn-Linie 8.

Drogen fluten in rauen Mengen die Hauptstadt. Erst vor wenigen Tagen haben Polizisten in mehreren Supermärkten in Berlin und Brandenburg Kokain versteckt in fehlgeleiteten Bananenkisten entdeckt. Rund 300 Kilogramm Rauschgift wurden sichergestellt. In Berlin und den vier Brandenburger Landkreisen Potsdam-Mittelmark, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin und Prignitz (mit dpa).