„Wir im Osten“

Schämt sich ARD wegen Marzahn? Serie über DDR-Kiez im Nachtprogramm versteckt

Eine Serie über die Menschen aus dem Osten Berlins, das findet unser Autor klasse. Aber er fragt sich, warum der öffentlich-rechtliche Sender sie zu so später Stunde zeigt?

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Die Drei aus dem Marzahner Kosmetiksalon: Yvonne Yung Hee Bormann, Deborah Kaufmann und Jördis Triebel (v.l.) sind die Helden der ARD-Serie „Marzahn, mon amour“.
Die Drei aus dem Marzahner Kosmetiksalon: Yvonne Yung Hee Bormann, Deborah Kaufmann und Jördis Triebel (v.l.) sind die Helden der ARD-Serie „Marzahn, mon amour“.Oliver Vaccaro/ARD Degeto Film/UFA Fiction

Es ist schon merkwürdig: Spricht man über Marzahn, hat man immer noch das Gefühl, als müsste man sich dafür entschuldigen, dass man diesen Ortsnamen ausgesprochen hat. Als müsste man sich schon dafür schämen, überhaupt eine der größten Neubausiedlungen der DDR zu kennen. Oder warum versteckt dann die ARD ihre neue Serie „Marzahn, mon amour“ ins Nachtprogramm, zu Zeiten, wo man vor Jahrzehnten nur noch ein Testbild zu sehen bekam?

Sicher werden Sie sich fragen, ob ich tatsächlich noch zu denjenigen gehöre, die Serien, Filme oder Dokus dann sehen, wenn sie wirklich im TV gezeigt werden. Klar, ich schaue mir auch gerne Beiträge unabhängig von der Tageszeit in den Internet-Mediatheken der Sender an. Aber manchmal bin ich auch oldschool und liebe das lineare Fernsehen.

Schon allein deshalb, weil die Positionierung von Sendungen im Programmablauf mir sagt, welche Wertigkeit der Film, die Serie oder die Show bei den Senderverantwortlichen hat. Alles, was nach 23 Uhr bis tief in die Nacht gezeigt wird, kann scheinbar kein so großer Knaller sein, sonst würde die Sendung ja nicht im Nachtprogramm versteckt werden.

Oder man zeigt eine Sendung nur aus Jugendschutzgründen so spät. Etwa, weil der Film oder die Serie knallharte Sex- oder Gewaltszenen beinhalten. Bei „Marzahn, mon amour“ können wir davon ausgehen, dass dies nicht der Fall ist. Die FSK-Freigabe liegt bei 6 Jahren.

Warum versteckt ARD Marzahn-Serie im Nachtprogramm?

Also warum zeigt uns die ARD alle Folgen dieser sechsteiligen Serie am 23. März ab 23.50 Uhr bis 2.10 Uhr und nicht zur Hauptsendezeit nach der Tagesschau? Bei mir drängt sich der Verdacht auf: Die ARD scheint sich wegen Marzahn zu schämen.

Etwa, weil man mit einer Serie, die das Leben aus der DDR-Plattenbausiedlung zeigt, keine Quote bei den Zuschauern aus dem Westen machen kann? Fürchtet man immer noch, Marzahn klingt nach alten SED-Genossen und DDR-Mief? Oder gibt es Bedenken, weil in diesem Bezirk im Osten Berlins bei den Wahlen die AfD so stark abschneidet?

Jördis Triebel spielt die Autorin, die in Marzahn als Fußpflegerin arbeitet.
Jördis Triebel spielt die Autorin, die in Marzahn als Fußpflegerin arbeitet.Oliver Vaccaro/ARD Degeto Film/UFA Fiction

Ja, in „Marzahn, mon amour“ geht es um Menschen in Marzahn, über das Gute, über das Böse eines Viertels – und vor allem um das Viele, was dazwischen liegt. Vergangenes Jahr wurden die Folgen an der Marzahner Promenade gedreht, also mitten im Kiez.

„Marzahn, mon amour“ – der Titel könnte Ihnen bekannt vorkommen. Das gleichnamige Buch der in Leipzig gebürtigen und in Berlin aufgewachsenen Autorin Katja Oskamp (55) erschien 2019. Der Roman wurde ein Bestseller.

„Marzahn, mon amour“: Geschichten, die das Leben schreibt

Vermutlich auch deshalb, weil diese Geschichte die Menschen anspricht und sehr real klingt, weil sie es auch teilweise ist. Oskamp erzählt in „Marzahn, mon amour“ sehr autobiografisch, wie eine Autorin in der Schreib- und auch in einer Art Lebenskrise etwas Neues im Leben sucht. In einem Kosmetiksalon in Marzahn findet sie es. Die Frau, die sonst Geschichten aufschreibt, pflegt plötzlich die Füße wildfremder Menschen. Und diese Menschen erzählen nun der Autorin ihre Geschichten.

„Marzahn, mon amour“-Autorin Katja Oskamp
„Marzahn, mon amour“-Autorin Katja Oskampdts Nachrictenagentur/imago

Es sind Geschichten, die das Leben schreibt. Klar, als Reporter finde ich so etwas absolut klasse. Menschen treffen, ihnen zuhören, was sie zu sagen haben, das ist mein Job und der vieler anderer auch, die wie ich in einem Medienunternehmen arbeiten.

Das haben möglicherweise auch einige Redakteure bei der ARD so gesehen – und aus dem Buch „Marzahn, mon amour“ entstand nun die gleichnamige TV-Serie. Sie ist kein Thriller, kein Actionknaller, dafür erzählt sie uns offenbar in ruhigen Tönen aus dem knallharten Leben anderer Menschen, wie man es schon in den Trailer sehen konnte. Die Serie ist vielleicht wirklich eine Liebeserklärung an Marzahn!

Irgendwie erinnert mich diese Art an frühere TV-Serien – wie „Geschichte überm Gartenzaun“, „Das Krankenhaus am Rande der Stadt“, die im DDR-Fernsehen liefen. Oder an Kiez-Serien wie „Die drei Damen von Grill“ oder „Liebling Kreuzberg“, die bei der ARD damals im sogenannten Vorabend- oder im Hauptprogramm liefen – aber nicht im Nachtprogramm!

Das waren auch Serien, wo statt Action noch der Mensch im Mittelpunkt stand. Ich hoffe, dies ist auch so bei „Marzahn, mon amour“ der Fall. Mitten in der Nacht werde ich mir die Folgen allerdings auch nicht anschauen. Ich werde wohl die Mediathek bemühen müssen. Da läuft die Serie rund um die Uhr, schon ab 14. März.

Norbert Koch-Klaucke schreibt im KURIER Kolumnen über Geschichten aus der Stadt und dem Osten. Wir fragen Sie, liebe Leserinnen und Leser, wie beurteilen Sie Marzahn, leben Sie gerne dort oder meiden Sie den Stadtteil? Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com ■